AN-OP in Stuttgart - ein Erfahrungsbericht

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skipper
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AN-OP in Stuttgart - ein Erfahrungsbericht

Beitrag von skipper » 05.06.2013, 12:34

Liebe Forumsmitglieder und -leser,

selbst habe ich innerhalb weniger Wochen erlebt, wie schnell sich im Zuge der Diagnose Akustikusneurinom die Ereignisse überschlagen können und wie die sich daraus ergebenden Entscheidungen konsequent getroffen werden müssen. Dabei war mir als Leser und Betroffener insbesondere diese Plattform hier ein gern genutzter Ratgeber. Als ausgesprochen hilfreich habe ich die vielen Erfahrungsberichte empfunden, die in ihrer Summe einen guten Überblick über die Bandbreite dieser Erkrankung geben. Deshalb möchte ich gerne selbst mit der Schilderung meiner bisherigen AN-Geschichte einen weiteren Stein in dieses große, unvollständige Mosaik setzen.

Vorgeschichte bis zur Diagnose AN

Mit den Ohren hatte ich in der Vergangenheit nie große Probleme. Vielleicht mal alle paar Monate ein Pfeifen auf einer Seite, welches nach ein paar Sekunden aber wieder verschwunden war. Anders war es im März 2013, als ich in der Sauna sitzend einen Hörsturz auf dem linken Ohr erlitt und auf dieser Seite nur noch sehr dumpf hörte. Der Örtlichkeit geschuldet, ging ich davon aus, dass Wasser ins Ohr gekommen sein müsse. In den folgenden Tagen stellte sich eine leichte Verbesserung ein, jedoch blieb eine Hörminderung im oberen Tonbereich bestehen (wahrzunehmen beim Musik hören). Mit diesem Problem stellte ich mich meinem HNO ca. 2 Wochen nach dem Ereignis vor. Eine gute Entscheidung, wie sich zeigen sollte!
Besonders positiv bleibt mir in Erinnerung, dass bei der Aufzählung der typischen Therapieschritte "Kortison, Kortison-Hochdosisbehandlung, ab in die Röhre" schon das MRT als Option aufgezeigt wurde. Vermutet wurde zunächst eine virale Geschichte im Zusammenwirken mit Stress.
Die erste Kortisontherapie mit Prednisolon 50mg über 5 Tage zeigte eine Verbesserung des Hörvermögens. Der max. Hörverlust lag bei 30dB über 3kHz, unter 2kHz bereits <= 10dB. Aus heutiger Sicht wäre dieses Gehör wie ein Sechser im Lotto.
Glücklicherweise blieb ich dran und berichtete dem HNO auch von sporadisch auftretenden Gangunsicherheiten, die zwar niemals zu Sturz oder Überkeit führen, sich jedoch anfühlen als liefe man auf einem Schiff in mittlerem Seegang. Hierauf wurde eine kalometrische Gleichgewichtsuntersuchung durchgeführt - die Assistentin meinte zunächst das Gerät sei defekt, weil das Ergebnis links nicht den Erwartungen entsprach - sowie eine BERA.
Die BERA zeigte eine Laufzeitverlängerung, diese wurde jedoch als minimal bezeichnet, weshalb Phase 2 mit Prednisolon 125mg tgl. auf zwei Tage angeordnet wurde. Zusätzlich wurde Vasomotal (Betahistin) gegen den Schwindel verschrieben sowie eine Woche Ruhe und Entspannung empfohlen.
Als im Zuge dieser Therapie keine weitere Verbesserung eintrat, ging ich wieder zum HNO und bat um die Überweisung zum MRT, was sofort und ohne Diskussion geschah.
Ich war mir nicht sicher, was mich dort erwarten sollte. Ich dachte insbesondere an Durchblutungsstörungen und solche Sachen. Umso überraschter war ich, als mir der Radiologe im Anschluss an die Bildgebung die Diagnose "Hirntumor, aller Wahrscheinlichkeit nach gutartig" überbrachte. Die Größe wurde mit 3,2x2,4x2,6 cm bestimmt, Stadium T4 mit Kompression der Pons und des mittleren Kleinhirnstiels.
Das hatte mich doch so sehr überrascht, dass ich erst einmal nichts fühlte, weder Angst noch Unsicherheit. Ich war eigentlich vor allem darüber froh, dass nun endlich eine vernünftige Diagnose vorlag. Das mit dem Stress war mir alles zu vage, zudem wer hat schon keinen Stress.
Gleich am nächsten Tag bin ich wieder beim HNO aufgeschlagen, welcher mir sagte, dass er dieses in rund 20 Jahren Erfahrung keine 10mal in der Praxis hatte, mir aber von diesen wenigen Fällen berichtete. Seine Empfehlung war neurochirurgische Vorstellung in Stuttgart oder Tübingen, wobei seine Präferenz auf Stuttgart lag. Dieses gebe ich völlig wertungsfrei wider, er konnte mir gegenüber jedoch diese Präferenz begründen. Er meinte auch, dass möglicherweise eine Bestrahlung zu betrachten sei, das solle ich aber mit dem Neurochirurgen besprechen.
Ebenfalls sehr positiv war, dass er sofort telefonisch einen Termin für mich bei Prof. Hopf vereinbarte, welcher bereits einige Tage später stattfand.

Vorbereitung zur OP

Das Gespräch im Katharinenhospital bleibt mir als hervorragend in Erinnerung. Wir betrachteten zusammen die MRT-DVD und ich wurde über die Therapiemöglichkeiten informiert. Besonders hilfreich waren hierzu die zuvor in u.a. diesem Forum gesammelten Themen, die ich in einen Fragenkatalog zusammengeschrieben habe und Punkt für Punkt mit dem Arzt durchgegangen bin. Auch wenn das vielleicht spießig klingen mag, so ist es doch die beste Möglichkeit, nichts zu vergessen und alle relevanten Punkte im Vorfeld zu ordnen.
Das Thema Bestrahlung war mit der Feststellung des Stadiums T4 erledigt.
Ich hatte hier sofort das Gefühl, einer ausgewiesenen Kapazität gegenüber zu sitzen und war mir sicher, in guten Händen zu sein. Das finde ich sehr wichtig, dass der Operateur keine Angst vor solchen Eingriffen hat und getragen von seiner Erfahrung solche sogar sehr gerne durchführt. Dieses war hier absolut der Fall. Die Frage, wer die Operation durchführe, wurde mit einem "ich, und zwar von Anfang bis Ende" quittiert. Also alles bestens. Sofort nach dem Gespräch vereinbarten wir den OP-Termin (ebenfalls sehr schnell innerhalb von 2 Wochen).

OP / stationär Post-OP

Im Vorfeld zur OP wurden die üblichen Untersuchungen sowie Anästhesiegespräche geführt und auch ein aktuelles BERA für das Neuromonitoring erstellt.
Die OP selbst begann mit den Vorbereitungen am frühen morgen. Duschen mit desinfizierendem Duschmittel, dann Einschleusung in den OP-Bereich und Anlegen der Verkabelung. Nach ein paar Minuten wurde die Narkose eingeleitet und für mich war getan, was es zu tun gab.
Irgendwann kam ich dann zu mir, mit einem unendlich großen Durst sowie diffuser Wahrnehmung. Ich erkannte gleichwohl, dass der Professor zu mir herantrat und mir freudig mitteilte, dass alle Nerven erhalten werden konnten, der Tumor während der 8stündigen OP das Team stark herausforderte und es letztlich doch nicht verhindern konnte, restlos entfernt zu werden.
Des Nachtens wurde ich dann von der Intensivstation mit externer Beatmungsmöglichkeit wegen des guten Zustandes in den Normalbereich überführt. Am nächsten Morgen wurde ich bereits auf die Normalstation verlegt. Ich war überglücklich, beide Gesichtshälften nahezu gleich gut bewegen zu können (Handicap durch die Schwellungen natürlich gegeben). Das linke Auge ließ sich schließen. Leider hörte ich nichts auf der linken Seite, was mir nach der Botschaft mit den erhaltenen Nerven doch Rätsel aufgab.
Alles in allem war mir damals wie heute klar, dass ich sehr gut weggekommen bin und die Operation nur als absolut erfolgreich bezeichnet werden kann.
Einen herben Rückschlag erfuhr ich an Tag 2 nach der OP, als mir Liquor aus der Nase tropfte. Die verordnete Lumbaldrainage, die das Problem zu 80% ohne Folge-OP lösen solle, war alles andere als ein Zuckerschlecken. Diese hat mich körperlich wie auch mental doch zurückgeworfen. Andererseits ist aber auch festzustellen, dass diese Tage im Nachhinein viel besser sind als eine mögliche Folge-OP, deren Erfolgsquote auch kaum größer sein kann.
Am Tag 7 nach der OP durfte ich das Krankenhaus in gutem Zustand verlassen, nachdem zuvor noch ein Hörtest sowie eine OAE gemacht wurden. Die OAE ergab, dass das linke Innenohr funktioniert. Das überraschte mich insofern, als dass ich nach den vorliegenden Informationen davon ausging, dass der Hörnerv erhalten blieb, jedoch vermutlich das Innenohr durch Kappung der arteriellen Versorgung zerstört wurde. Dieses hatte mein HNO im Vorfeld als häufige Komplikation erwähnt.
Nunja, in ein paar Wochen wird nochmal ein BERA gemacht und vielleicht gibt es ja doch eine Chance, für das Hören auf der linken Seite etwas zu tun, auch wenn mir momentan außer einem beleidigten Hörnerv (gibt's das überhaupt) nichts dazu einfallen mag.

Fazit und Ausblick

Die rasche OP war absolut die richtige Entscheidung. Ebenso die Entscheidung, sich einer Kapazität auf diesem Gebiet anzuvertrauen und die Fachleute ihre Arbeit unter Entgegenbringung des vollsten Vertrauens durchführen zu lassen. Überlegungen, hätte man dieses alles nicht früher erkennen können/sollen/müssen, sind für den Betroffenen selbst müssig. Sie können aber helfen, andere Betroffene, die die geschilderten Symptome feststellen, zu einer frühzeitigen Abklärung in Richtung AN zu ermutigen.
Reha habe ich keine und ist auch nicht absehbar. Der Punkt ist, dass ich (derzeit) keine reha-fähigen Leiden habe: keine FP, kein außerplanmäßiger Schwindel usw. Ich gehe halt viel Spazieren und versuche mit Reflexionen wie dieser hier, mental stark mit der neuen Situation umzugehen.
Erwähnenswerter Nebenaspekt: ich wurde schon mehrfach auf die sehr schöne Narbe angesprochen, die ich seit der OP habe. Hierauf könne ich stolz sein - das bin ich auch! Mein Opa war selbst Chirurg und schon er hatte seinerzeit immer Wert auf schöne Narben gelegt. Das ist so etwas wie die Visitenkarte des Operateurs.

Allen Lesern dieses Beitrags, die selbst betroffen sind, es noch sein werden oder sich einfach nur für diese spezielle Krankheit interessieren, wünsche ich alles Gute und hoffe mit diesem Erfahrungsbericht dazu beigetragen zu haben, sich das Heft des Handelns nicht durch das AN aus der Hand nehmen zu lassen.
skipper, m*1976, AN li. 32x24x26mm, Hörsturz 03/13, MRT 04/13, OP retromastoidal 05/13 in Stuttgart (Prof. Hopf), Liquorfistel, keine Facialisparese, Hörnerv erhalten aber li. nur tiefe Töne
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Re: AN-OP in Stuttgart - ein Erfahrungsbericht

Beitrag von mtbleibi » 06.06.2013, 08:34

Moin Skipper,
bei mir tropfte es auch aus der Nase und die Hirnflüssigkeit musste kontrolliert über den Rückenmarkkanal abgeführt werden.
Schmerzhaft war das Setzen der Kanüle in das Rückenmark. Der Stationsarzt musste zweimal ansetzen, weil er den Kanal nicht getroffen hat. Ich saß auf der Bettkante, eine Schwester drückte meinen Oberkörper nach unten und der Arzt bearbeitete mich von hinten :twisted:

Aber alles ist vergänglich. Nach 4 Tagen und vermehrt Kopfschmerzen war der Spuk vorbei.
Übrigens, eine Reha habe ich noch ein halbes Jahr danach angetreten.
Gruss und gute Erholung

Peter
Peter, 57, 2005 AN OP in Hannover, MHH-Neurochirurgie, Prof. Krauss. Nie bereut. Leichter Hörverlust, akzeptabler Tinnitus.
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AN-OP in Stuttgart - ein Erfahrungsbericht

Beitrag von kessyber » 12.06.2013, 10:37

Liebes Forum,

nun möchte ich euch meine Erfahrungen nach der OP im KH Stuttgart gerne mitteilen.
Nach einem sehr positiven Vorgespräch mit Prof. Hopf (siehe Beiträge meiner Vorgänger) entschloss ich mich ohne Zweitvorstellung an der Uniklinik in Tübingen (wie urspünglich geplant) für eine OP - Termin 23.5.2013.
Mein AN war etwa 10x10 mm groß , T2 und befand sich auch schon in Richtung Gehörgang.
Bei der OP wurde der Tumor vollständig entfernt ohne Beeinträchtigung des Hörnervs und des Gesichtsnervs.
Vorausschicken muss ich, dass bei mir vor der OP Schwindel (anfallsartig, jedoch immer nur vorübergehend - meist verbunden mit Übelkeit) aufgetreten ist. Die letztendliche Abklärung durch MRT
brachte den Tumor zutage.
Nach der OP ging es mir die ersten 3 Tage ziemlich mies - ich war total verkabelt und wurde mit zig
Medikamenten versorgt (Schmerzmittel, Mittel gegen Übelkeit, Flüssigkeit, Cortison).
Schmerzen hatte ich zu keiner Zeit, aber dieser extreme Schwindel - schon beim Liegen, wenn ich dem Finger des Arztes mit den Augen folgen sollte. Hinzu kam die dauernde Übelkeit, die nur sehr langsam zurückging.
Ich machte nur langsam Fortschritte und wurde nach gut 2 Wochen aus der Klinik entlassen. Seit 5 Tagen bin ich nun zu Hause und habe einen Dauerschwindel und kann nicht richtig laufen (Seemannsgang). Ich schaue, dass ich mich immer schnell festhalten kann. Nach draußen gehe ich nicht ohne Begleitung.
Natürlich bin ich geschockt, dass der Schwindel derartig intensiv ist (und sich auch nicht abmildert)und ich diese Gangstörungen habe. Vor der OP waren diese nicht vorhanden.
Leider komme ich erst am 20.5.2013 - also in gut 1 Woche- in die Reha Schmieder Konstanz. Davon
verspreche ich mir durch die Therapien deutliche Verbesserungen. In meinem derzeitigen Zustand ist leider an Dienstaufnahme nicht zu denken.

Ich werde euch wieder berichten, wie es mir in der Reha erging.

P.S. Ich kann das Katharinenhospital nur empfehlen - fühlte mich dort sehr gut aufgehoben und ernst genommen. Prof. Hopf ist ein exzellenter Operateur und auch sonst sehr angenehm.

HG kessyber
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Re: AN-OP in Stuttgart - ein Erfahrungsbericht

Beitrag von snowdog » 12.06.2013, 13:08

Liebe kessyber,

Glückwunsch zur erfolgreich verlaufenen OP - dein Bauchgefühl sollte also Recht behalten ;)

Das Ergebnis "vollständige Tumorentfernung ohne Beeinträchtigung von Hör- und
Gesichtsnerv" ist sehr gut, haben sich deine Beeinträchtigungen des Hörvermögens
verändert ?
Vielleicht kannst Du dem OP-Bericht entnehmen oder in Erfahrung bringen, ob
der Vestibularis bei der OP durchtrennt wurde - möglicherweise rühren die
heftigen Schwindelbeschwerden daher. Die Kompensation dauert ihre Zeit,
die Therapien im Rahmen der REHA helfen aber sicherlich.
Auch wenn der Schwindel sehr unangenehm ist, Du kannst die Woche bis dahin,
wenn möglich, ganz im Zeichen der Schonung verlaufen lassen -
leichte Bewegungen, frische Luft, viel Ruhe - damit unterstützt Du deinen Körper
bei der Heilung schon sehr gut.

Zur Schmieder Klinik finden sich ja bereits ein paar Berichte im Forum (über die
Suchfunktion REHA Konstanz Schmiederklinik), die durchweg positiv klingen,
Allgemeines zum Ablauf einer REHA/AHB findest Du im Forenbereich
"Rehabilitation / Rehakliniken". Hier ist das Stöbern ebenfalls eine Empfehlung wert.

Viel Erfolg und gute Besserung !

Herzliche Grüße
snowdog
snowdog (Moderator seit 4.12) Jg.62,m,verh.,2 Söhne,
AN re.5x8 mm,n-c. suboccipital AN-OP in Offenbach 4.08,
postoperativ Liquorfistel,keine Fazialisparese, einseitig taub,chron.Kopfschmerzen,jährl.Kontroll-MRT f.d.ersten 5 J.
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