Erfahrungsbericht 5 Mon. nach erfolgreicher OP in Tübingen

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1ohrhase
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Erfahrungsbericht 5 Mon. nach erfolgreicher OP in Tübingen

Beitrag von 1ohrhase » 18.01.2013, 01:16

Liebe Forumsmitglieder,

Nachdem ich monatelang dieses Forum eifrig verfolgt habe, möchte ich Euch nun auch von den Erfahrungen mit meinem (Ex-)Mitbewohner berichten. Der Bericht wird etwas länger, daher werde ich ihn auf Empfehlung von snowdog in mehrere Beiträge aufteilen.

Hier werde ich nun erstmal über die Diagnose, Entscheidungsfindung und OP berichten.

Im Februar 2012 wurde einige Tage nach einer leichten Gehirnerschütterung ein MRT von meinem Kopf gemacht, da meine Pupillen unterschiedlich gross waren und ich mich ziemlich schwummrig gefühlt habe. Bei der Besprechung sagte mir die Radiologin dann, dass sie eine gute und eine schlechte Nachricht für mich häte. Die gute: ich habe keine Hirnblutung, die schlechte: im linken Gehörgang sitzt ein Akustikusneurinom mit ca. 6mm Durchmesser. Wäre aber eigentlich nicht so schlimm, viele würden damit ihr ganzes Leben lang leben. Ich war natürlich erst mal geschockt, da ich mit allem möglichen gerechnet hatte, aber nicht mit sowas. Ich hatte davon noch nie was gehört. Ich hatte bis dahin so gut wie keine Beschwerden, nur einmal ein paar Monate vorher ist für 1-2 Stunden mein Gehör weg gewesen, das habe ich aber auf Stress zurückgeführt.

Ich habe gleich einen Termin bei der Neurologie der Uni-Klinik Frankfurt ausgemacht. Das war aber eine Frechheit! Man hat mir ganz lapidar mitgeteilt, dass ich sowieso taub werde, ob ich mich jetzt operieren lasse oder nicht. Mehr Info gab es bei dem 5-minütigen Gespräch im Grunde nicht. Nach ausführlicher Recherche im Internet und durchforsten dieses Forums hatte ich mich dann wieder etwas beruhigt und mir gesagt, ich kann ja erstmal abwarten, da ich ja keine Beschwerden hatte.

Doch ein paar Wochen nach der Diagnose begann dann der Horror. Ich hatte 2 Monate lang einen Hörsturz nach dem anderen bzw. flukturierendes Gehör oder wie man sowas nennt. Immer wenn ich mich schlafen gelegt hatte, ging mein Gehör auf der linken Seite weg. Am nächsten Tag wurde es manchmal besser, manchmal nicht. Ich habe zwar Kortison-Infusionen und -Tabletten bekommmen, aber es wurde immer nur kurzzeitig besser. Ich wusste nicht mehr was ich machen sollte, ich hatte Angst vorm Schlafen und dann hat mich noch das Kortison total fertig gemacht. Die zwei HNO-Ärzte bei denen ich war, wussten nicht weiter, waren aber der Überzeugung, dass das nicht von dem kleinen AN kommen könnte.

Zum Glück hatte ich schon Termine in Mainz, Tübingen und Krefeld ausgemacht, wo ich mich ja eigentlich nur profilaktisch erkundigen wollte, was ich vielleicht mal in ein paar Jahren unternehmen werde. Den ersten Termin hatte ich bei Prof. Mann in Mainz, doch der hatte keine Zeit und mich hat eine dilletantische Assistenzärztin untersucht, dann kam noch Dr. Mewes dazu, der wohl auch ANs operiert. So richtig wohl habe ich mich in Mainz nicht gefühlt, aber zumindest hat er mir bestätigt, dass die Hörstürze mit großer Wahrscheinlichkeit vom AN kommen. Operieren würde aber jetzt noch nicht.

Dann war ich bei Prof. Tatagiba in Tübingen, auch da hatte ich erst mal mit einem Assistenzarzt zu tun. Prof. Tatagiba kam nach 10 Minuten dazu, das Gespräch war relativ kurz, für ihn kam das schwankende Gehör eindeutig vom AN, er meint dass sei sicher grade ein Wachstumsschub (das war die ganze Zeit auch meine Vermutung). Er riet mir, mich operieren zu lassen, wenn sich mein Gehör wieder stabilisiert hat, da hätte ich dann die besten Chancen das Gehör zu erhalten, die Chancen schätze er auf 70% zu 30%. Das klang für mich vielversprechend, da der Hörerhalt für mich sehr wichtig war. Von Bestrahlung riet er mir ab, da ich zu jung sei und es noch zu wenig Erfahrung mit den Langzeitfolgen gäbe. Außerdem hätte man danach noch Monate mit der Schwellung zu tun und mein angeschlagenes Gehör würde das sicher nicht mitmachen.

Dann war ich zu guter letzt noch im Gamma-Knife-Zentrum in Krefeld. Dr. Horstmann hat sich sehr viel Zeit genommen und mir die MRT Bilder bis ins kleinste Detail erklärt. Das fand ich super. Auch er sagte, dass der Hörerhalt bei einer Bestrahlung sehr gut wäre.

Nach den drei Terminen war ich ziemlich durcheinander, wie wahrscheinlich die meisten von Euch. Erst fand ich die Bestrahlung die beste Option, dann wieder die OP, dann wieder Abwarten. Durch Zufall hatte ich erfahren, dass ein Kollege grade eine AN-OP hinter sich hatte. Ihm konnte ich dann Löcher in den Bauch fragen. Er hat sich bei Prof. Tatagiba operieren lassen und war sehr zu frieden. Nach 4 Wochen ist er wieder arbeiten gegangen (ohne Reha!). Für mich war mein Kollege dann sozusagen mein Vorbild. Wenn es bei ihm so gut läuft, dann klappt das auch bei mir, habe ich mir gesagt. Augen zu und durch, denn auf weitere Hörstürze hatte ich keine Lust. Auch wegen den hohen Fallzahlen und den vielen positiven Berichten hier im Forum habe ich mich schließlich für die OP bei Prof. Tatagiba entschieden. Mir ging es dabei nicht um Sympathie, sondern darum dass er sein Handwerk versteht. Zum Glück hat mein Vater mir zugesagt, dass er die Kosten übernimmt (rund 5000 €), da ich ja schließlich schon den Kopf hinhalten muss. Dafür bin ich ihm sehr dankbar, ansonsten hätte ich aber sicher einen Kredit aufgenommen, das war es mir wert.

Am 2.8. war schließlich die OP in Tübingen (Zugang suboccipital, liegende Position). Es lief alles gut und ich kam direkt nach der OP wieder auf die Station, da mein Zustand sehr stabil war. Die ersten Tage waren um einiges heftiger, als ich gedacht hatte. Ich hatte sehr starke Schmerzen, mir war übel, schwindelig und hatte null Energie. Es ging aber jeden Tag besser, nach vier Tagen bin ich sogar schon ein paar Treppen hoch und runter geschwankt. Ich habe mich in der Uni-Klinik sehr gut aufgehoben gefühlt. Prof. Tatagiba hat jeden Abend nach mir geschaut. Und die Schwestern haben sich super um mich gekümmert. Mein Mann natürlich auch! Er hat sich extra frei genommen und an meinem Bett gewacht ;-)

Das schlimmste war für mich allerdings, dass ich nach der OP heftige Doppelbilder gesehen habe (linkes und rechtes Bild waren vertikal ca. 2m auseinander). Mir hatte keiner vorher gesagt, dass das passieren kann, aber keiner konnte sich auch hinterher erklären woran das liegt. Nach meiner Frage, ob sich das wieder gibt, hat einer der Stationsärzte gesagt: kann sein, muss aber nicht! Ich arbeite in einem Medienberuf und bin sehr auf meine Augen angewiesen. Als Freiberufler hatte ich außerdem keine Berufsunfähigkeitsversicherung. Mein linkes Ohr war zwar nach der OP taub (obwohl der Hörnerv erhalten wurde) aber das war für mich erst mal nicht so relevant. Ich wollte wieder richtig sehen können. Das hat mich ziemlich deprimiert.

Zum Glück sind die Doppelbilder in der Reha wieder weggegangen (mehr zur tollen Reha in der Römerwallklinik schreibe ich in einem extra Beitrag). Auch sonst geht es mir wieder sehr gut und ich arbeite seit November wieder voll. Nur mein linkes Ohr ist taub und es rauscht, komme aber ziemlich gut damit zurecht.

Viele Grüße,

1ohrhase
1970, w, 20.2.12 Zufallsbefund AN li. (6x6mm intram.), mehrere Hörstürtze März-April ´12, OP 2.8.12 Prof. Tatagiba Tübingen (suboccipital, liegend), Reha Römerwallklinik Mainz, Sehstörungen bis 4 Wochen nach OP, keine Facialisparese, li. taub, Tinnitus
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Re: Erfahrungsbericht 5 Mon. nach erfolgreicher OP in Tübing

Beitrag von an » 18.01.2013, 11:14

Hallo 1ohrhase, hallo Foris,

danke für den umfangreichen Bericht.

Ich freue mich sehr, dass Du die OP so gut überstanden hast!

Hängengeblieben bin ich an der mangelnden Aufklärung vor der OP.
Das kann ich so leider bestätigen. Ich habe zwar keine Doppelbilder aber dauerhaft Oszillopsien (Wackelbilder) und auch mich hat vor der OP keiner in einem Vorgespräch auf dieses Risiko hingewiesen.

Ich wünschte mir in diesem Punkt - Risikoaufklärung durch die Ärzte im Vorgespräch - eine deutliche Veränderung. Zur Entscheidungsfindung eines mündigen Patienten hinsichtlich OP, Bestrahlung oder wait and scan gehört numal auch das Abwägen ALLER Risiken und deren subjektive Bewertung für das eigene Leben.

Ich hatte nun schon einige Kontakte mit Patienten die dauerhaft unter Sehstörungen leiden und deren Lebensqualität dadurch massiv beeinträchtigt wird. Auch die für viele von uns bestehende erhebliche, dauerhafte Belastungseinschränkung wird m.W. nie im Vorgespräch thematisiert.
Dennoch scheint für viele Ärzte "nur" der Hörerhalt und das Thema Fazialisparese im Vordergrund zu stehen. Vom Dauerschwindel fange ich jetzt gar nicht erst an, das Thema haben wir ja schon zur Genüge diskutiert.

Wie gesagt, schön wäre es wenn die Ärzte sich da eine andere Haltung zulegen würden, aber wie wir das erreichen können bleibt für mich vorerst offen. Einzelgespräche mit dem Operateur nach der OP werden da glaube ich eher in dir Kategorie "undankbarer Patient" gesteckt.

Liebe 1ohrhase, ich freue mich auf jeden Fall, dass Deine Doppelbilder der Vergangenheit angehören und wünsche Dir auch weiterhin beste Genesung.

Liebe Grüße

an
Jahrgang 1965;weibl.AN ca.1x1x1cm. OP 01/2009 Tübingen/Prof. Tatagiba. Ein Vestibularisast erhalten. Starke Hörminderung links. Tinnitus. Hyperakusis. Facialisparese nur noch leicht. Anhaltender Schwindel u. Sehstörungen. Migräne(schon vor OP).
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