Erfahrungsbericht: Therapiewechsel von Bestrahlung zu OP

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André
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Erfahrungsbericht: Therapiewechsel von Bestrahlung zu OP

Beitrag von André » 20.05.2009, 16:59

Liebe Gemeinschaft

Anbei schildere ich Euch gerne meine Erfahrungen, die Euch vielleicht einen Nutzen geben können.

2000 Tinnitus, 2004 Glaskörperablösung rechtes Auge, 2006 Hörsturz, 2008 mehrere Hörstürze, Kopfschmerzen, extremer Druck im Kopf, leichte Gangunsicherheiten und geringes Taubheitsgefühl rechte Gesichtshälfte.

Vom Hausarzt wurde ich 2008 als Hypochonder bezeichnet, es sei total gegen seine Überzeugung, ein MRI zu machen. Sei Stressbedingt. Dabei hatte ich doch nach meinem Hörsturz von 2006 meine Einstellung und mein Verhalten stark angepasst um den Stress zu reduzieren, was ist denn nun los? Der HNO Arzt wies mich dann am 11.9. in ein Kontroll-MRI, nur zum Ausschluss eines Krankheitsbildes, dass jedoch sehr gering sei (nur jeder 10'000 Hörsturzpatient, habe er nur alle 2-3 Jahre). Die Bilder konnte ich am Abend mit nach Hause nehmen, der Befund ging direkt an den HNO. Über das AN Forum machte ich die Diagnose inkl. Grösse dieser inhomogenen Raumforderung mit Verdrängung des Pons von 27mm auf 19 mm auf 13 mm am Abend gleich selber und tastete mich erstmals an weitere Begriffe wie Vestibularisschwannom und Kleinhirnbrückenwinkeltumor ran. Puuh, es handelt sich um einen gutartigen Tumor und...endlich haben sie etwas gefunden, ich habe eine Ursache. Bin halt doch belastbar und das diffuse Krankheitsbild des Stresses trifft nicht zu. Verrückt, aber diese Gedanken gingen unter anderen durch den Kopf.

Das Forum war extrem wertvoll. Ich wusste mehr darüber als mein HNO, den ich am Folgetag besuchte und der mir immerhin 20 Minuten seiner Zeit schenkte. Zum Glück war ich emotional vorbereitet, wie hätte ich mich sonst wieder fangen können?

Bestrahlen oder Operation? Mir war rasch klar, dass ich die Bestrahlung vorziehe, zumal ich zu viel Respekt vor der OP habe und die Erfolgschancen als gut beurteilte. Gemäss Bestrahlungsexperte kein Problem. Wir vereinbarten einen Termin für das Gamma Knife. Einen Monat später, kurz vor dem Termin, kriegte der Bestrahlungsexperte kalte Füsse, er wollte nochmals ein MRI in seiner Klinik, damit diese Daten in ein Volumenberechnungsprogramm einfliessen können. Wenn der Tumor nicht grösser als 6 ccm sei, sei alles ok. Ich schwitzte, als ich an diesem Abend all meine Geometriekenntnisse hervornahm und das Volumen berechnete, maximal 5 ccm, war mein sophistizierter Befund. So gross war er denn auch, aber der Bestrahlungsexperte kriegte kalte Füsse und sagte den Termin ab. Es komme nur die Operation in Frage. Diese musste bald erfolgen, ich war vor einem Zusammenbruch.

Ich hatte einen Schock und musste nun den schon auf die Seite gelegten Plan B durchführen. Nocheinmal Excel Checkliste mit Nutzwertanalyse der qualitativen Faktoren und dass bei diesem gesundheitlichen Druck.

Der Entscheid fiel aufgrund der Grösse und Lokalisation meines Tumors, der Erfahrungswerte, der Technik, der positiven Referenzen und der Persönlichkeit von Prof. Tatagiba auf Tübingen. Kostenvoranschlag Normaler Spital 50'000, Privatspital 90'000 (dort wurde mir gesagt, dass der Hörnerv durchtrennt werden müsse, der sei nicht zu retten bei einer OP und dass man sinnvollerweise noch etwas Resttumor an den Nerven lasse um diese zu schonen). Kosten Tübingen schlussendlich 29'000 CHF.

Mental machte ich mich so fit wie möglich. Ich sah immer wieder, wie meine Nerven bei der Operation stark sind, so stark wie ein Fischernetz, wie sie halten... Ich konnte mich sehr gut einstimmen auf die OP, brauchte keine Beruhigungsmittel.

Hervorragende schwierige Operation im Dez. 2008 (Teil Prof. Tatagiba bei 2h, er operiert in der Regel zwischen 20 Minuten und 1h), Nerven vollständig auf den Tumor gespannt, Tumor sehr hart. Resultat: Tumor vollständig entfernt, leichte 2 monatige Fazialisparese (Lidschluss, Mimik), keinerlei Komplikationen, Gleichgewichtsnerv war schon vorher zerdrückt, Hörnerv intakt, Hörvermögen rechts gering (was zu erwarten war bei dieser Tumorgrösse). Meine Empfehlung: bei grösseren Tumoren mit 20mm Durchmesser würde ich eine Operation in Tübingen als Alternative prüfen. Hervorragende Betreuung, Prof. Tatagiba kam täglich auf Visite, die Betreuung hat mich so richtig rasch wieder auf die Beine gestellt. Nach einer Woche verliess ich Tübingen wieder.

Wie glücklich darf ich sein, dass mein Arbeitgeber so professionell reagierte. Die Teamleitung durfte ich behalten, wir haben alles gut organisiert und nun bin ich wieder in der angestammten Funktion. Schon bald bin ich wieder voll einsatzfähig.

Gelernt habe ich daraus, nicht alles so wichtig zu nehmen, das Leben mehr zu geniessen, dankbar zu sein.

Nach 5 emotionalen Briefwechseln hat meine CH Krankenkasse ohne Präjudiz und nur auf meinen Fall bezogen zugesichert, rund 80% der Kosten zu übernehmen.

Das Forum hat mir sehr weitergeholfen. Einen grossen Dank an Guido Fluri, welcher mir Licht gegeben hat in dieser schwierigen Situation und mich nicht nur fachlich, sondern auch emotional so wertvoll unterstützt hat. Keine Selbstverständlichkeit. Schön, dass wir gemeinsam auf dem Weg sein dürfen. Danke, ein ganz herzliches DANKESCHOEN.

Euch allen alles Liebe und Gute und vor allem gute Gesundheit,

André
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