Schwindel und Hörverlust vor und nach Radiochirurgie eines Vestibularisschwannoms

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Lupo
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Schwindel und Hörverlust vor und nach Radiochirurgie eines Vestibularisschwannoms

Beitrag von Lupo » 21.03.2023, 15:18

Schwindel und Hörverlust vor und nach Radiochirurgie eines Vestibularisschwannoms

Guten Tag rundum,

Mein Nickname ist Lupo, ich bin 76 Jahre alt, pensionierter Psychiater und Psychotherapeut, seit 43 Jahren in Genf (CH) wohnend.
Nach monatelanger Lektüre im Forum möchte ich meine persönliche Geschichte mit ihren Fragestellungen darstellen :

Meine Leidensgeschichte begann am 13 Mai 2021 ( Auffahrt ), wo ich nach einer kurzen Siesta bein Aufstehen von erstmaligen heftigen Schwindelattacken überfallen wurde, die während mehreren Wochen anfallsmässig verliefen.
Ein erster ORL-Arzt stellte falscherweise die Diagnose eines gutartigen paroxystischen Lagerungsschwindel. Die Lagerungsmanöver ergaben jedoch nichts.
Die Symptomatik wurde dann permanent mit Benommenheit, leichterer bis mässiger Schwanksschwindel, Gleichgewichtsstörungen. Eine Zweitabklärung ans der Uni ORL- Klinik brachte dann via ein Hirn-IRM die Diagnose eines Vestibularisschwannoms des rechten inneren Gehörgangs.
Axiale Masse 17,2 / 7 / 7 mm , Volumen 0,56 cm3, Distanz zur Cochlea 0 mm, Gehörgang ausfüllend, den ponto-cerebellären Winkel überragend bis in Berührung mit dem Hirnstamm ohne ihn einzudrücken ( Stadium Koos 3 ). In einem Zerebral-IRM vom Jahre 2016 war der Tumor ( axial 6 / 3.5 mm, Volumen 0,086 cm3 ) bereits vorhanden, wurde aber damals übersehen.
Vorbestehende leichte Presbyacousie, Hörverlust ( CPT – ADA ) 31 % links, 44 % rechts, Gleichgewichtstests pathologisch.
Nach dem ersten Schock über diesen « gutartigen » Tumor, begann eine 3 monatige intensive Informationsarbeit und Konsultationen bei Spezialisten über die hochkomplexe VS-AN Pathologie, eine enorme Grauzone, mit wenig klärenden Guidelines und grossen Ungewissheiten im Fachwissen. Das Koos- Stadium 3 erforderte so oder so eine therapeutische Intervention, entweder Neurochirurgie oder Radiochirurgie.
Das Abwägen der Vorteile, Nutzen und Nachteile, Risiken dieser beiden Optionen war enorm schwierig und komplex, und reduzierte sich letztendlich auf die Wahl der weniger schlechten Methode. Bei meinem Alter und wegen der allzu hohen vitalen Risiken der Neurochirurgie, war ich « gezwungen » die Rx-Chirurgie zu wählen, wobei der Preis für diese Wahl auch sehr hohe ( weitgehender Hörverlust re ) ausfiel.
Die Radioonkologie des Unispitals Genf besass einen Truebeam Hyperarc 2018 ( ähnlich Cyberknife), ein Elektronenbeschleuniger, der Photonen erzeugt une den Tumor weniger als mm genau bestrahlt.
Die stereotaxische Radiochirurgie des Tumors wurde am 4.11.2021 in einer einzigen Sitzung durchgeführt.
Ein Kontroll-IRM vom 8.2.2022 3 Monate postop ergab eine strahlungsbedingte endzündliche Vergrösserung des Tumors auf 8 / 18,5 / 8 mm, d.h. Eine Volumenvergrösserung von 14 % auf 583 mm3.
In der Folge progressive Verschlechterung der Gleichgewichts-und Schwindelproblematik und zunehmende prekär werdende Hörverminderung rechts.
Bilanz November 2022  ( 1 Jahr postop Rx- Chirurgie ) :
Gleichbleibende Grösse und Volumen des Tumors ( IRM vom 1.9.22 ).
Starke Hörverminderung ( Cochlea weitgehend durch Bestrahlung geschädigt, Druck des AN auf Vestibularis -und Hörnerf ) :
rechts vokales Verständnis zwischen 85-105 dB nur noch 5 – 20 % SR., links 40 – 60 % SR.
Also rechts nahe einer unilateralen Taubheit, wobei die Hörhilfe nur noch sehr beschränkt nützlich ist. Links mit Hörhilfe noch knapp genügendes Hörvermögen, bei bestehender Presbyacousie und Presbyvestibulopathie.
Gleichgewichtsstörung und Schwindel permanent ; im Kopf ständige Benommenheit, wie Trunkenheit, Schwankschwindel. Morgens bei ausgeruhtem Gehirn und geringer Aktivität weniger stark, hingegen bei benötigter Gleichgewichtsregulation ( Laufen usw. ) stark werdender Schwindel, grosse Ermüdung durch die vom Hirn geforderte Vestibulariskompensation. Spazieren ist leider nicht mehr ein Vergnügen und maximal eine Stunde möglich.
Versuche einer medikamentösen Verbesserung des Schwindels ( Betaserc, Tenormin, Brintellix ) ergaben nichts.
Vestibuläre Physiotherapie Uebungen mache ich täglich, nicht zur Verbesserung des Symptoms, aber pràventiv um meine bestehende Gleichgewichtsreglation zu erhalten.

Also global doch eine einschneidende Verschlechterung meiner Lebensqualität, vieles ist nur noch beschränkt oder nicht mehr möglich (Aufgeben einer Lehrtätigkeit, soziale Verarmung, Gespräche mit mehreren Personen problematisch, enorme Empfindlichkeit suf Umgebungslärm, Restaurantbesuche deshalb selten usw. ). Autofahren max. 20 km, keine Reisen mehr, starke Ermüdbarkeit.
Trotz all dem bin ich eher eine aktive, kämpferische Natur, mit recht guten Resilienzeigenschaften, selbst wenn dies wenig nützt undviel Energie und Ausdauer benötigt.

Meine zentrale Frage an die Forumgemeinschaft dreht sich natürlich um die Prognose und Zukunftsaussichten :
Besteht eine Hoffnung auf eine leichte Besserung des Schwindels, durch irgendwelche Mittel und Möglichkeiten ?
Ich bin bereit, alle Ideen une Anregungen zu überprüfen und eventuell auszuprobieren.
In Bezug aufs Gehör ist leider nur eine progressive Verschlechterungzu erwarten. Ich habe die Berichte über ev.weitere Massnahmen ( Bicros,Implantate ) noch wenig studiert, sind aber zunächst noch nicht aktuell.

Mit den bestmöglichen empathischen Grüssen und Wünschen an alle Mitleidenden und Dank für etwelche Echos und Anregungen zu meinem Bericht.
Tschüss rundherum
Lupo
Harald87
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Re: Schwindel und Hörverlust vor und nach Radiochirurgie eines Vestibularisschwannoms

Beitrag von Harald87 » 21.03.2023, 16:22

Aloha,
Schwindel kommt daher dass der Gwg-Nerv sich bedrängt fühlt und falsche oder keine Signale mehr leitet. Solange diese Signale sich ändern durch aktuelle Belastung des Nervs ist es schwer sich daran zu gewöhnen. Vom Gehirn aus gesehen. Falsche Signale oder plötzlich fehlende sind wie wenn man im Auto liest.... Es schwindelt einen weil ankommende information gegensätzlich sind.

Die Schwellung sollte irgendwann zurückgehen. Damit wird entweder der Gleichgewichtsnerv entlastet. Oder er nürpelt irgendwann Dank der Schwellung ab. Beides ist an sich besser als der aktuelle Zustand. Dann kann sich das Gehirn an den Zustand gewöhnen. Bei OP wird der Gwg sowieso getrennt, was zu kurzfristigem Schwindel führt, wenn er nicht eh bereits tot war. Da ist die Gewöhnung aber m.E. einfacher, weil das Signal komplett fehlt von der Seite. Bei dir verliert er wie der Hörnerv langsam an Funktion mit allem drum und dran.

Heißt ja, im Normalfall wird das besser. Hilfreich sind Gleichgewichtsübungen und z.b. eine gute Beleuchtung. Die Augen können die fehlende Seite ausgleichen. Tun sie ja auch bei Operierten. Vielleicht kann dir aber jemand der Strahlenden da mehr erzählen. Ich hat OP, mein Gwg-Nerv war da bereits tot. Hatte entsprechend nie Schwindel in dem Sinne, wobei ich im Dunkeln anfangs deutlich mehr Problem hatte als jetzt.

Mit freundlichen Grüßen
Harald
snowdog
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Re: Schwindel und Hörverlust vor und nach Radiochirurgie eines Vestibularisschwannoms

Beitrag von snowdog » 22.03.2023, 02:26

Lieber Lupo,

willkommen im Forum - schön, dass dein Beitrag nach anfänglichen Hindernissen den Weg ins Forum gefunden hat.

Dein Fall liefert das Beispiel einer "eingeschränkten" Entscheidungsfreiheit zur AN-Therapie aufgrund des Lebensalters, die Abwägung der Risiken OP vs. Bestrahlung fällt bei den gegebenen Eckdaten offenbar recht eindeutig aus.
Betroffen macht auch hier die Erfahrung einer Ratlosigkeit im Umgang mit Symptomen und Diagnostik, die jahrelang bestehende Beschwerden in ein anderes Licht stellen. Die Diagnose eines altersbedingten Hörverlusts (und Schwindelsymptomatik) relativiert sich, wenn bei bildgebenden Verfahren ein Tumor nicht erkannt wird...

Erkennbar wird, welche Unterschiede den Verlauf nach dem Eingriff prägen:
Verallgemeinernd und vereinfacht gesagt, ist es mit der Tumor-OP getan - AN entfernt, OP Risiko überstanden, AN (teil-)entfernt, Status Quo von Nerven und Gewebe und Heilungsverlauf. Die Bestrahlung setzt dem entgangenen OP-Risiko die zunächst größeren Nachwirkungen
entgegen - AN verbleibt, Schwellung mit nachfolgenden Auswirkungen auf Nerven und Tumorumgebung, Erfolg der Therapie setzt mit Verzögerung ein.

Harald87 hat es in seiner Antwort bereits beschrieben, die strahlungsbedingte Schwellung des Gewebes geht irgendwann zurück, damit einher geht die Entlastung des Nervs. Die vestibulare Kompensation gelingt i.d.R. "gründlicher", wenn das Nervensignal einseitig vollständig ausfällt - dies trifft auf die Signalverarbeitung und Lernfähigkeit des Gehirns zu, bestimmte Schwindelsymptome bleiben aber bestehen und begleitend. Als Operierter empfand ich Schwindelsymptome in der frühen Post-OP-Phase als heftig, diese besserten sich aber recht zügig und später mit marginaler werdenden Fortschritten (übrigens vermied mein Operateur vorsätzlich das Durchtrennen ("Stilllegen")
des betroffenen Vestibularis...)

Eine Vergleichbarkeit zur Bestrahlung fällt hier nicht leicht, einmal ist der Belastungsverlauf ein anderer, daneben ist der Auslöser über einen längeren Zeitraum variierend. Dafür stimmen die Erfahrungsberichte einiger Strahlentherapierter zuversichtlich, mit dem Schrumpfen des Gewebes klingen diese Auswirkungen ab.

Unbedingt positiv: recht gute Resilienzeigenschaften, bei der Bestandsaufnahme der verbliebenen Lebensqualität sich diese bewusst zu machen. Dazu gehört auch die Rücksichtnahme auf den eigenen Körper, gute Bedingungen schaffen, Stresssituationen meiden und generell auf Signale und Rückmeldungen achten. Alles Gute für die weitere Genesung.

Beste Grüße
snowdog
snowdog (Moderator seit 4.12) Jg.62,m,verh.,2 Söhne,
AN re.5x8 mm,n-c. suboccipital AN-OP in Offenbach 4.08,
postoperativ Liquorfistel,keine Fazialisparese, einseitig taub,chron.Kopfschmerzen,jährl.Kontroll-MRT f.d.ersten 5 J.
Lupo
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Re: Schwindel und Hörverlust vor und nach Radiochirurgie eines Vestibularisschwannoms

Beitrag von Lupo » 22.03.2023, 14:31

Hallo Harald und Snowdog,

Vielen dank für eure Reaktionen und den Aloha-Willkommensgruss.....ein bisschen hawaianische Aloha-Lebensweisheit hilft sicher auch bei ausgebeulter uns wackliger Gleichgewichtsregulation !
Ja, allzu gegensätzliche und diskordante Infos vom Labyrinth und Ggw-Nerf in Bezug auf die propriozeptiven und visuellen Signale überfluten das Gehirn, sodass es "seekrank" wird.
Uebrigens sind mein linkes Labyrinth und Ggw - Uebertragung auch etwas angeschlagen ( Presbyvestilupathie ), was die gesamte Ggw-Regulation noch komplexer macht, zusätzlich sind in meinem Alter die propriozeptiven und visuellen Signale unsicherer als bei jüngeren Jahrgängen.
Im Gegensatz zu meinen bisherigen Kenntnissen seid ihr zuversichtlicher in Bezug auf die progressive Abnahme der strahlungsbedingten AN-Schwellung, Entlastung des Nerfs und mögliche Besserung des Schwindels durch weniger gestörte Signale.
Tönt gut und logisch, hoffen wir, es entwickelt sich in diese Richtung !
Wobei viele Ungewissheiten fortbestehen, niemand weiss offenbar ob - neben der Cochlea - auch das Labyrinth und der Ggw-Nerv strahlengeschädigt wird ??

Mit nochmals grossem Dank für eure Stellungnahmen....mit doch eher positivem Orakel - tut gut !
Herzliche Grüsse an Euch beide
Lupo
Harald87
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Re: Schwindel und Hörverlust vor und nach Radiochirurgie eines Vestibularisschwannoms

Beitrag von Harald87 » 22.03.2023, 15:33

Stand des Wissens ist ein unbeschädigten Nerv überlebt einmal Bestrahlung erstmal. Zweimal sieht es anders aus, zusätzliche Belastung durch z.b. Schwellung auch. Da ist jeder anders.

Sehe es so: Die OP hätte dich auch mitgenommen. Die Schwellung ist an sich auch nur ein paar Jahre Wachstum. Also hätte dich auch abwarten mitgenommen. Was man macht ist falsch:)

Mit freundlichen Grüßen
Harald
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