OP 13.02.2023 Asklepios Klinik Nord Heidberg - Prof. Dr. Kremer

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keks71
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OP 13.02.2023 Asklepios Klinik Nord Heidberg - Prof. Dr. Kremer

Beitrag von keks71 » 01.03.2023, 21:21

Vorgeschichte hier: viewtopic.php?t=1693
Seit dem ersten verstärktem Auftreten ist der Tinnitus immer seltener abgeklungen, im November war kein Abklingen mehr erkennbar.
Anfang Dezember nochmal ein leichter Intensitätsschub.
Kurz vor Weihnachten fange ich mir zum ersten Mal Corona ein, mit fatalen Folgen:
Der Tinntius im AN Ohr wird nochmal lauter und erhöht seinen Radius bis zur Schädelmitte.
Ein zweiter Ton mit fast gleicher Lautstäre und Frequenz heult zusätzlich im gesamten Schädel rum.
Nachts höre ich einen dritten Ton mit niedrigerer Frequenz und Lautstärke im gesunden Ohr.
Supergau !
Corona zieht ab, das Piepkonzert bleibt.
Tagtäglich kämpfe ich damit, nicht in die Elbe zu springen und dem Elend ein Ende zu setzen.
Nach 1 1/2 Wochen hat das Gehirn die Situation wieder halbwegs unter Kontrolle.
Trotzdem habe ich momentan kein Leben mehr, es ist eher ein Überleben/dahinvegetieren.
Auf der Arbeit schaffe ich nichts mehr.
Ich gehe jeden Tag früher nach Hause, weil nach ein paar Stunden gar nichts mehr geht.
Zu Hause angekommen wird sofort Netflix für die nächsten 8 Stunden angeschmissen.
Ich entdecke meine Liebe zu koreniaschen K-Dramas, sie bringen mich jetzt durch jeden Tag.
Kurz vor der OP hat das Gehirn wieder einmal soweit kompensiert, dass ich halbwegs entspannt in die OP gehe.
Die OP wurde diverse Mal durch beide Parteiden verschoben (keine Sicherung der Versorung zu Hause nach der OP, kein Platz auf der Intensivstation, Arzt nicht da, Pflegepersonalmangel, Zahnschmerzen).
Auch diesmal sah es nicht gut aus. Bei meinem Eintreffen wird gerade eine Frau nach Hause geschickt. Man führe Montag und Dienstag nur lebenserhaltende OPs durch.
Ich darf dann trotzdem bleiben, man wolle das jetzt durchziehen, weil ich schon so lange warte.

Prognose für meinen T1
OP-Dauer 3,5 bis 4 Stunden
Keine Facialparese
Wahrscheinlichkeit aud Gehörerhalt: 75% aber Hörgerät wird notwendig werden
Zugang suboccipital hinter dem Ohr, Verschluss mit Knochenzement

OP-Beginn ca. 10:00 - Aufwachen 14:00

13.02.23 14:15 Aufwachphase Intensivstation:
Eine Frauenstimme ruft wiederholt meinen Namen.
Ein Engel der mich an der Himmelspforte empfängt ? Ein Traum ?
Ich öffne ein Auge und erkenne schemenhaft die Umrisse eines Frauengesichtes.
"Geht es Ihnen gut ?" fragt Sie.
In der Stimme erkenne ich einen leichten Dialekt, könnte Russisch sein, also kein Engel und wohl auch kein Traum.
Ein weiterer Gedanke, da war doch noch was, die OP !
Im nächsten Moment bemerke ich pochendes Klopfen im Kopf und mir wird übel.
"Kopfweh" und "schlecht" wimmer ich noch, dann muss ich mich auch schon übergeben.
Da ich zum Glück nichts im Magen habe, sabber ich nur ein wenig.
An meinem Fußende hämmert jemand fleissig in die Tasten, anscheinend wird jetzt der wild blinkende Geräteturm neben meinem Bett programmiert, der wohl Medikamente in mich pumpt, denn keine 10 Sekunden später sind Würgereiz und Kopfschmerzen verschwunden.
Wow, das ging schnell.
Anscheinend ist man jetzt erstmal zufrieden und lässt mich in Ruhe zur Besinnung kommen.
Ich ordere noch schnell einen Spucknapf und dann ist erstmal Zeit für eine Selbstanalyse.
Ich lag auf meinem gesunden Ohr, konnte aber die Krankenschwester deutlich hören.
Sollte das Gehör überlebt haben ?
Ich stecke den Finger in das gesunde Ohr und lausche der Umgebung.
Das Gehör funktioniert noch, etwas angeschlagen aber noch deutlich im gebrauchsfähigen Zustand.
Ich fange vor Freude an zu weinen, vor der Taubheit hatte ich die meiste Angst.
Der Tinnitus dagegen feuert aus allen Rohren, keinerlei Verbesserung erkennbar, eher schlimmer als vorher.
Als nächstes taste ich mein Gesicht ab und ziehe Grimassen, es scheint alles normal, keinerlei Gesichtsirritationen erkennbar.
Der nächste Griff geht hinter das Ohr. Kein Verband, nur ein langes schmales Pflaster.
Unterhalb der Narbe sind die Hals- und Nackenmuskeln hart wie ein Baumstamm aber es tut nicht weh und ich kann den Kopf problemlos in jeder Richtung drehen und neigen.
Auch sonst tut nirgendwo am Körper irgendwas weh, anscheinend bin ich halbwegs heil aus der Nummer herausgekommen, was für eine Erleichterung.
Die OP macht sich aber trotzdem deutlich bemerkbar.
Alles was ich mit den Augen im Raum anpeile, wandert sofort weg, focussieren von Gegenständen unmöglich.
Aufgewacht bin ich in der stabilen Seitenlage auf der rechten Seite, was auch meiner normalen Schlafposition entspricht und so bleibe ich auch liegen, denn es wird fast alles sofort bestraft.
Blick über die Schulter um aus dem Fenster zu gucken, Spucknapf !
Kleiner Smalltalk mit der Krankenschwester, Spucknapf !
Versuch, sich aufzusetzen, Spucknapf !
Nur ans Essen zu denken, Spucknapf !
Vorgewarnt durch einen anderen Bericht hier, lehne ich die angebotene Wasserflasche ab und lass mir wassergetränkte Schwämmchen am Stiel bringen, an denen ich nuckeln kann.
Irgendwann geht es noch zum CT, beim Wechsel auf die CT-Liege kann ich keinerlei Unterstützung bieten, der Bewegungsapparat verweigert jeglichen Befehl vom Gehirn.
Wie einen nassen Sack müssen die Pfleger mich von Bett zu CT-Tisch und zurück zerren.
Erstaunlicherweise überstehe ich alles ohne mich übergeben zu müssen.

14.02.23
Schmerzlevel: 0,0
Da ich ja anscheinend so gar nichts hab, werden die beiden Hauptzugänge an Hals und Arm entfernt und ich lande keine 24 Stunden nach der OP wieder auf der Normalstation.
Man stellt mir eine Linsensuppe vor die Nase, mein Magen knurrt aber ich habe Sorgen, ob sie wohl drinbleiben wird.
Der Hunger siegt über die Bedenken und ich schlinge alles runter ohne das mir übel wird.
Kaum fertig werde ich ohne Vorwarnung zum MRT gefahren.
MRT ? Jetzt so kurz nach der OP ?
Ich bekomme Panik, denn das Hörsystem scheint mir doch noch sehr gereizt zu sein und ich fürchte das laute MRT könnte den Hörnerv doch noch killen.
Im MRT angekommen äußere ich meine Bedenken aber meine Worte verdienen offenbar nichtmal eine Antwort.
So werde ich ein weiteres Mal wie ein lebloses Stück Fleisch auf den MRT-Tisch gezerrt, der Körper verweigert immer noch die Mitarbeit.
Schnell noch meine Ohrenstöpsel reinpressen und schon lande ich in der Röhre.
Der Wirkungsgrad meiner Wachsstöpsel ist gleich Null und so bange ich 20 Minuten um mein Gehör, zum Glück geht alles gut und ich lande wieder in meinem Zimmer ohne mich zu übergeben.

Später Visite von Dr. Kremer mit Ärzteteam.
MRT-Ergebnis: AN vollständig entfernt und der Verdacht auf AN auf der anderen Seite hat sich nicht bestätigt.
Ich berichte, dass ich keinerlei Schmerzen habe und es mir gut geht.
Das Gespräch fällt kurz aus, ich erwähne, dass mir von Gesprächen immer noch schlecht wird.
Dr Kremer ist anscheinend zufrieden und verlässt den Raum mit den Worten "Muster-OP".
Wieder laufen mir Freudentränen über das Gesicht. Ich hatte große Angst, den Mist auch im anderen Ohr zu haben.

15.02.23
Schmerzlevel weiterhin 0,0. Schmerzmittel bekomme ich auch keine mehr.
Katzenwäsche am Bett in angesagt, ich soll mich auf die Bettkante setzen.
Kaum in der senkrechten geht mein Griff auch schon zum Spucknapf.
Der Blasenkatheter wird gezogen und ich bekomme so eine Art WC-Ente ans Bett.
Da soll ich ab jetzt reinpinkeln ? Das wird doch nix.
Als sich später die Blase bemerkbar macht, wage ich die paar Schritte zur Toilette.
Ich komme dort recht problemlos an und das Frühstück bleibt auch drin.
Die Ente bleibt draußen.
Ermutigt probe ich weitere Schritte entlang des Bettes und traue mich später aus dem Zimmer und hangel mich an den Handläufen an den Wänden entlang.
Man gibt mir einen großen Rollator mit ich dem mich dann recht problemlos durch die Flure bewegen kann.
Trotzdem ist der Effekt des durchtrennten Gleichgewichtsnerv deutlich zu spüren.
Dicker Kopf, alles klingt dumpf, Tunnelblick, jeder Schritt löst eine kleine Erschütterung im Kopf aus, alles dreht und bewegt sich und nach 10 Minuten bricht die Konzentration und man macht sich besser wieder auf in Richtung Bett.
Durch den Rollator kommt man gut klar aber er verführt dazu sich einfach in ihn reinzuhängen und den Gleichgewichtsnerv gar nicht zu trainieren.

16.02.23
Schmerzlevel 0,0
Solange ich den Kopf auf dem Kissen behalte, merke ich nichtmal, dass ich eine OP hatte.
Viel passiert ab jetzt nicht mehr, der Tag besteht nur noch aus Essen, Schlafen und ab und an eine Runde über den Flur.
Nachmittags ziehe ich ohne Rollator los, geht auch irgendwie.


Am nächsten Tag erwischt mich meine Krankenschwester. Ihr sieht das noch zu kriminell aus und ich bekomme diesmal einen kleinen Rollator.
Zwei Tage später mache ich meine Runden aber dann doch ohne.
Der Gang wird jeden Tag sicherer aber jeder Schritt benötigt die volle Konzentration.
Der dicke Kopf, Schwindel und der Tunnelblick bleiben nahezu unverändert und auch weiterhin ist nach 15 Minuten die Konzentration weg.
Die nächsten Tage nimmt die Gangsicherheit weiterhin zu.
Leute die einem auf den Flur begegnen halten mich nicht mehr sofort für stockbesoffen sondern brauchen dafür jetzt fünf Sekunden länger.

Woche2
Ich kann selber entscheiden, wann ich nach Hause möchte.
Da der Gang immer noch sehr unsicher ist, einigen wir uns auf Freitag.
Mein gesetztes Ziel, in der Caffeteria auf dem Stockwerk ein Stück Kuchen zu kaufen und damit heil am Tisch anzukommen ohne mich langzulegen erreiche ich dann tatsächlich am Donnerstag.

Woche3
Als Alleinstehender bin ich bis zu Reha erstmal bei der Restverwandschaft auf dem Lande untergebracht.
Hier kann ich gefahrlos auf den Feldwegen meine Runden drehen und üben.
Erste Gehautomatismen kehren zurück, ich muss mich nicht mehr auf jeden einzelnen Schritt konzentrieren.
Gerade gehen funktioniert jetzt wieder in akzeptabler Geschwindigkeit, der Tunnelblick und der dicke Kopf scheinen langsam abzuklingen.
Ich erhöhe jetzt Schritt für Schritt den Schwierigkeitsgrad, denn beim Gehen nach oben zu gucken oder den Kopf zu drehen führt sofort zu Schlangenlinien.
Mit geschlossenen Augen gehen ist noch unmöglich, das braucht wohl alles noch seine Zeit aber solange ich Fortschritte erkenne, bin ich zufrieden.
Zwei Mal dreissig Minuten jeweils vormittags und nachmittags sind momentan das Limit.
Man merkt schon, dass ich die letzten vier Monate nur noch mit Netflix vorm TV gesessen habe, um mich von dem furchtbaren Tinnitus abzulenken.
Der Fitnesslevel ist deutlich gesunken.
Der Tinnitus scheint bisher unverändert, die Schlacht habe ich wohl verloren.
Im letzten Monat hat er mich aber auch nicht mehr so sehr gestört.
Es ist schon erstaunlich wie das Gehirn doch immer wieder nachkompensieren und den Tinnitus ausblenden kann.

Fazit:
Die OP kann man wirklich als erfolgreich betrachten, wenn man bedenkt, dass ich ausser 10 Sekunden Kopfweh nach dem Aufwachen keinerlei Schmerzen hatte.
Der Schwindel hat mich natürlich voll getroffen, da ich vorher keinen Schwindel hatte und deshalb keinerlei Teilkompensation durch die andere Seite stattgefunden hat.
Da würde ich mir natürlich wünschen, dass man es in Zukunft irgendwann hinbekommt, dass der Nerv nicht getrennt werden muss, wenn vor der OP kein Schwindel vorhanden war.
Würde ich jedem zu einer OP schon im frühen Stadium raten, weil ich so gut herausgekommen bin ?
Nein, bei der Sache ist immer noch zuviel Glück im Spiel.
Ich habe in den letzten 6 Monaten in Foren und Internet soviel zu dem Thema AN gelesen aber auch drei Tage vor dem OP bin ich noch verzweifelt durch meine Wohnung gerannt und habe mich gefragt, ob ich das richtige tue und ob es nicht Wahnsinn ist sich diese OP anzutun, obwohl ich noch keinerlei Symptome ausser dem Tinnitus habe.
Es ist irgendwie ein "All In" mit der eigenen Gesundheit.
Drei Leute gehen unter gleichen Vorbedingungen in die OP. Der erste geht nach 5 Tagen nach Hause als wenn nix gewesen wäre und der Dritte wird ein Pflegefall.
Es hängt wohl von der eigenen Risikobereitschaft und dem Leidensdruck ab.
Der hier oft erwähnte Vorteil der OP ist halt, dass man nach der OP zum größten Teil sofort weiss, was der neue Status Quo ist, während man bei der Bestrahlung noch Monate und Jahre negative Überaschungen erleben kann.
Der AN ist raus, das Gehör funktioniert auch zwei Wochen nach der OP noch, es wird jetzt kaum noch was passieren.
Die psychische Last nimmt deutlich ab, denn es wird kein weiterer Schaden durch den AN angerichtet, ab jetzt geht es nur noch aufwärts.
Es bleibt halt eine individuelle Entscheidung, ob man das Risiko eingehen will.
Wie das Leben mit dem Tinnitus jetzt weitergeht weiss ich auch noch nicht.
Im Krankenhaus konnte ich über WLAN Netflix gucken aber war aber auch nicht immer fit genug das zu tun.
Auch jetzt bin ich schon zwei Tage ohne meine "Droge" ausgekommen.
Im Kopf heult es weiterhin, ich muss wohl damit leben und momentag kann ich das auch.
Laute Geräusche mag das OP-Ohr auch noch nicht.
In der Audiometrie im KH hat man auch gesagt, dass man erstmal ein halbes Jahr abwarten soll.
Mal sehen ob und was noch kommt.
Ich danke auf jeden Fall Dr. Kremer, dass er mich so heil aus der Sache rausgebracht hat und dem Team der Station H51, die sich alle sehr nett um mich während des Aufenthaltes gekümmert haben.
Wenn sich jemand für die OP entschieden hat, kann ich diesen Ort auf jeden Fall empfehlen.
Harald87
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Wohnort: Dresden

Re: OP 13.02.2023 Asklepios Klinik Nord Heidberg - Prof. Dr. Kremer

Beitrag von Harald87 » 02.03.2023, 00:51

Klingt doch erstmal vielversprechend. Auch wenn es das übliche Theater im KH war, aber das wird denke in nächster Zeit nicht wirklich besser.

Das mit dem Gleichgewicht nach Op bzw. das Durchtrennen des Nervs ist Segen und Fluch zu gleich. Das Akn wächst ja von dem Nerv aus los, ist also innig verbunden. Weshalb er meist auch als erstes mit Schäden davon trägt, anderseits auch schwer zu trennen ist von dem Akn ohne dass er weitere Schäden nimmt.
Und ein Gleichgewichtsnerv, der schwankende Fehlmeldungen macht wie z.b. dein Hörnerv willst du nicht haben, da ein Einstellen darauf nicht wirklich möglich ist. Beim Durchtrennen kommt von der Seite zwar schlagartig nichts mehr, aber dann ist da auch Ruhe, man lernt einmal ohne die Seite zurande zu kommen. Persönlich halte ich das eher für ein Vorteil der Op.

Tinnitus hoffe ich für dich das es besser wird.
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