Kognitive Einschränkungen nach OP

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Zwän
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Kognitive Einschränkungen nach OP

Beitrag von Zwän » 23.08.2022, 13:55

Hier eine Publikation, die beschreibt, dass das Hirn bei bei AKN bei Einschränkungen wie einseitiger Taubheit Ressourcen für die Kompensation verbraucht und damit weniger "Arbeitsspeicher" für andere Aufgaben hat.

Cognitive decline in acoustic neuroma patients: An investigation based on resting-state functional magnetic resonance imaging and voxel-based morphometry. Front Psychiatry. 2022 Aug 1;13:968859
Objective: Acoustic neuroma (AN) is a clinically common benign tumor. There are few neuropsychological investigations for AN, especially cognitive neuropsychology. Herein, the study probed into cognitive function changes in AN patients and expounded possible mechanisms through structural and functional magnetic resonance imaging (fMRI).

Materials and methods: Neuropsychological tests were performed between 64 patients with AN and 67 healthy controls. Then, using resting-state fMRI, the possible mechanisms of cognitive decline in AN patients were further explored by calculating the amplitude of low-frequency fluctuations (ALFF) and regional homogeneity (ReHo). Furthermore, using high-resolution T1-weighted images, voxel-based morphometry (VBM) was adopted to investigate the changes in gray matter volume (GMV) and white matter volume (WMV) in AN patients.

Results: AN patients had worse cognitive performance than those in the healthy controls. Relative to the healthy individuals, the mALFF value was increased in the right caudate nucleus of the patients with left-sided AN (LAN) and the right rectus region of the patients with right-sided AN (RAN). The mReHo values of the bilateral superior frontal gyrus and middle frontal gyrus were decreased in LAN patients. Compared with healthy subjects, the GMV values were elevated in the left fusiform gyrus, parahippocampal gyrus, calcarine gyrus, and cuneus in LAN patients as well as in the right fusiform gyrus and parahippocampal gyrus in RAN patients. Meanwhile, the WMV values showed elevations in the bilateral putamen, left rectal gyrus, and thalamus in LAN patients.

Conclusion: Cognitive dysfunction occurs in AN patients. Cognitive decline in AN patients activates functional activity in some brain regions, thereby compensating for cognition decline. Additionally, the ReHo values were reduced in the frontal lobe in LAN patients, and the connectivity was decreased, affecting the functional differentiation and integration of the brain, which may be associated with the decline in cognitive function. Lateralized brain reorganization induced by unilateral hearing loss was presented in AN patients. LAN caused a more significant interference effect on the brain while RAN patients showed more stable cerebral cortices. Altogether, responding to cognition decline in AN patients, structural reorganization occurs, and compensative increases in cognitive-related brain regions, which compensates for cognitive impairment.
AN re 0,7 cm, ED 2/20 bei leichtem Schwindel, leichter Hörminderung seit 1/20. OP kurz nach D in Wü. Post OP Taubheit re und Tinnitus. Inkomplette Facialisparese mit Synkinesien, fehlendem Augenschluss und dauerhaft abgeklebtem Auge. Leichter Schwindel.
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Re: Kognitive Einschränkungen nach OP

Beitrag von Felipina » 27.08.2022, 01:41

Vielen Dank für den informativen Beitrag!

Ich frage mich, warum man keine Vorschläge für Medikamente und Therapiemaßnahmen bekommt, wenn man den Neurologen dazu befragt. Ich meine Vorschläge für die Behandlung der Müdigkeit.

Ich empfinde diese Erschöpfbarkeit als einschränkend, und, wie ich Dir zustimme, ist es vor allem der einseitigen Taubheit zu verdanken. Aber die Studie klingt ja, als ob es einfach als sichtbare Funktionsstörung (oder Sprach- und andere Verarbeitungsproblematik) im Gehirn (als Ort) festgestellt wurde (im MRT). Wo seht Ihr die Ursache für die schnelle Erschöpfung, und vor allem wie kann man dagegen angehen? Hat jemand gute Erfahrung mit Medikamenten und/oder z.B. Ergotherapie?

Danke, mit freundlichen Grüßen,

Felipina
AN 2x1,5, OP Prof. Dr. Hopf OP 8/17, an Taubheit grenzend schwerhörig, leichte Synkinesien, Nackenschmerzen, Tinnitus
Harald87
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Re: Kognitive Einschränkungen nach OP

Beitrag von Harald87 » 27.08.2022, 10:44

Huhu,
die Studie sagt an sich nur, dass das Gehirn sich anpasst. Das ist jetzt nicht neu, fehlende Reize werden kompensiert, teilweise Gehirnregionen umtrainiert.
Falls dies aktuell passiert, ist das wie das Training von neuen Fertigkeiten. Die Müdigkeit signalisiert dann, das man ruhen muss. Belastung-Erholung. Bis es besser wird.

Denke mal aber die meisten sind in einem späteren Zeitpunkt mit Erschöpfung belastet, wo man eigentlich der Meinung sein sollte, dieser Umstellprozess ist bereits fertig.
Das liegt dann, so die Denke, nicht mehr daran, das irgendetwas umlernen muss, sondern das für den Ausgleich einer Einschränkung andere und mehr Sinne benötigt werden.
Beim Ausfall eines Gleichgewichtsorgans zum Beispiel muss nun der Körper zusätzlich optische Reize verarbeiten. Macht er vorher auch schon, nun ist es aber Pflicht.
Für einohrige, dass der Körper an sich ein Richtungshören nicht mehr kann, aber vorgaukeln muss und irgendwie aus Erfahrung, Lautstärke etc. die Illusion aufrecht erhalten muss.
Das alles kostet, wobei ich persönlich der Meinung bin, das diese Mehrbelastung immer noch ein Trainingsdefizit ist. Denn klar, nun braucht es für das Gleichgewicht einen optischen Input, dafür fehlt die Verarbeitung eines zweiten gwgorgans. Richtungshören kostete vorher eine Berechnung von Laufzeitunterschieden, jetzt fehlt der Aufwand und wahrscheinlich wird wieder visuell geraten, wo gerade ein Geräusch überhaupt herkommen kann.

Unser Gehirn ist sekündlich mit Reizen überflutet die es verarbeiten muss. Aufwand merken wir nicht mehr, wobei die Rechenleistung nur für die Illusion, das wir keinen Dreck auf der Optik haben zum Beispiel dauerhaft enorm ist. Das Gehirn filtert da aber perfekt, was benötigt wird und was nicht.
Für unsere erworbenen Defizite muss das Gehirn aber aktiv filtern, es hat noch keinen mit Kindesbeinen angelernten Filter.
Weshalb uns neue oder seltene Situationen, zum Beispiel ein Meeting mit einem Ohr extrem viel Aufmerksamkeit kostet. Danach dann Erschöpfung. Normal, dann müsste man ruhen, wiederholen, bis das Gehirn das gemeistert hat. (Ruhiger Alltag geht es ja auch). Wenn der Filter vorhanden ist, cruisen wir wieder auf der normalen Welle ( auch für unaknler gibt es da Grenzen, nicht vergessen)

Viele scheuen aber genau jegliche Situation, die über das alltägliche hinausgeht, und dann ist es wie Autobahn fahren einmal im Jahr. Um jottes willen, gefährlich und hinterher tut einem alles weh.
Unterstützen kann man das denke nicht medikamentös (ausser man glaubt an sowas wie gingko). Übungen wären richtig, aber da geht es los das die nur was bringen, wenn man nicht bereits vollkommen überfrachtet ist. Meistert man gerade so den Alltag, wie soll dann irgendein Lernprozess funktionieren.

Hier ist halt die erste Zeit nach z.b. op wichtig, das man Reha einfordert und auch Dinge trainiert, die über das was man alltäglich erwartet hinaus geht.
Steckt man gerade in der Erschöpfung nach jedem Tag, müsste man es ruhiger angehen. Jeden Tag Erschöpfung funktioniert doch schon im Fitness nicht....

Mit freundlichen Grüßen
Harald
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Re: Kognitive Einschränkungen nach OP

Beitrag von Felipina » 31.08.2022, 10:01

Lieber Harald 87.

ich bin echt beeindruckt, wie ausführlich Deine Antwort ist! Danke! Es ist ermutigend, dass Du unser Gehirn für lernfähig und anpassungsfähig hältst. Eigentlich habe ich das auch immer gehört. Ja, ich kann hoffen, dass eine gesunde Mischung aus Ruhe nach der Alltagsbelastung und Trainieren sinnvoll ist und vielleicht zu weniger Erschöpfung führt. Mich würde ja Trainieren mit Spezialisten wie Neuropsychologen reizen, aber die sind in meiner Nähe nicht vorhanden. Wie Du sagtest, wäre das in der Reha vielleicht ein Therapiebereich.

Danke für Deinen gut durchdachten Beitrag!

Mit freundlichen Grüßen,

Felipina
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Re: Kognitive Einschränkungen nach OP

Beitrag von Harald87 » 31.08.2022, 13:22

Huhu,
hast du denn eine Reha gemacht bisweilen? Oder eine Kur? Vielleicht kommst du ja an sowas ran, neurologische Rehas haben auf jeden Fall solche Ärzte da. Aus dem Alltag, der einen erschöpft, rauszukommen, ist denke sonst gar nicht so einfach. Ohne die Möglichkeit der Erholung wird es ja auch schwer, irgendwie der ganzen Sache zu entrinnen, chronisch sollten solche Zustände auch nicht werden.

Mit freundlichen Grüßen
Harald
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Re: Kognitive Einschränkungen nach OP

Beitrag von Felipina » 31.08.2022, 14:04

Tach auch!

Also eine Reha habe ich nach der OP gemacht, und aktuell bin ich mit Behandeln des Rezidivs beschäftigt (Bestrahlung). Aber danach, vielleicht erkundige ich mich mal nach entweder weiterer Reha, oder evtl. passender Ergo oder sonstwas in meiner groben Nähe. Danke für den Tipp! Vor allem habe ich bei Ärzten bei dem Thema Erschöpfung eben nur Erfahrung des "war was?/müde sind wir doch alle/machen Sie Ausdauersport/der nächste bitte" gemacht. Da tut es gut, hier ernst genommen zu werden. Danke!

Spätsommerliche Grüße,
Felipina
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Re: Kognitive Einschränkungen nach OP

Beitrag von Zwän » 31.08.2022, 14:55

Danke, lieber Harald, auch von meiner Seite, für Deinen ausführlichen Kommentar.

Ja, ich denke Du hast recht, der "Arbeitsspeicher" ist einfach ausgelastet mit Kompensieren und es bleiben weniger Ressourcen für die anderen Dinge, leider auch dafür zu Lernen mit den Limitationen umzugehen, was das Ziel sein sollte.

Sich Ruhephasen zu gönnen, um dem Hirn Zeit zu geben zu lernen ist sicher ein guter Tipp. Das mit den Ruhephasen und das mit der nächtlichen Erholung funktioniert halt auch nicht so recht, wenn des Ohr pfeifft, man gegenüber jedem Geräusch irritabel ist und man wegen der Synkinesien Gesichtskrämpfe bekommt, die einen jede Nacht mehrfach mit Kopfschmerzen aufwachen lassen.

Ja, Filipina, ich erlebe es wir Du, dass meine Umgebung mir nicht glauben will, wie anstrengend und ermüdend mir viele Dinge sind. Ich mache sehr viel Sport und bin braun gebrannt und bekomme regelmäßig als Antwort, dass ich doch so gesund aussehe und wahrscheinlich nur ein bisschen depressiv bin, oder halt keine Lust auf meine Arbeit habe......

Ich habe nun Gesichtsmassagen durch eine Physiotherapeutin verschrieben bekommen. In den Nächten nach der Massage schlafe ich besser. Außerdem zeigt mir die Physiotherapeutin Möglichkeiten der Eigenmassage. Das hilft auch gegen die Gesichtskrämpfe.

Alles Gute!

Viele Grüsse aus dem schon langsam herbstlichen Hamburg

Zwän
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Re: Kognitive Einschränkungen nach OP

Beitrag von Harald87 » 01.09.2022, 09:06

Huhu Zwän,
ist es denn bei dir eine Erschöpfungserscheinung, oder ist es ein Dauerzustand einer Nervenschädigung? Explizit meinte ich Erschöpfung, wenn man seinen Alltag meistert, aber bei Stresssituationen oder z.B. bei lauteren Ereignissen zwar mithält, aber danach ausgelaugt ist. Bestehende Geräuschempfindlichkeit oder dauerhafte Kopfschmerzen würde ich nicht zu Dingen zählen, die irgendwie trainiert werden können, vor allem wenn es keinen direkten Auslöser gibt (vor allem wenn du dich belasten kannst, ohne das es einen Unterschied macht). Da müsste man sicherlich erstmal medizinisch schauen, was da Ursache ist. Volle Arbeitsspeicher ist es da ja auch nicht, denn sonst müsste es einen Grundbelastungspegel geben, wo man keine Probleme hat, will man diese Analogie ziehen. Dauergereizte Nerven sollten auch medizinisch behandelt werden. Ich brauch z.B. für geschädigte Nerven nach dem Lagerschaden Opium, würde ich das absetzen hätte ich auch Dauerkrämpfe.


Das mit der Umwelt kenne ich auch. Man sieht ja niemanden an, was derjenige für Probleme hat etc. Ich kenne es leidlich auch, ich merke z.B. meine Neuropathie vom Lagerschaden hauptsächlich nachts nach einer Belastung, wenn ich weiß es kommt eine kann ich mit mehr Schmerzmittel entgegenhalten, aber das will ich ja eigentlich nicht. Kenne da auch kein gutes Mittel dagegen, außer Kommunikation. Vor allem bei neuen Kontakten muss man dann manchmal schon erklären, warum man gewisse Dinge nicht macht. Oder jemanden ignoriert, der einem ins taube Ohr spricht. :D Das ist spaßig wenn deshalb wer beleidigt ist weil er sich ignoriert fühlt. Selektives Hören for the win.

Mit freundlichen Grüßen
Harald
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Re: Kognitive Einschränkungen nach OP

Beitrag von Zwän » 01.09.2022, 16:11

Danke, Harald,

für Deine persönliche Antwort.

Bei mir ist es auch beides. Eine dauerhafte Irritation durch Tinnitus, Facialisparese mit Synkinesien und abgeklebtem Auge, Schwindel und Übelkeit (plus Beinschwäche und Sensibilitätsstörungen nach Bandscheibenvorfall nach Schräghaltung durch einseitige Taub und quasi-Blindheit). Im Prinzip kann ich trotzdem fast alles machen, was andere Menschen in meinem Alter machen, bin aber langsamer und ungeschickter und nach kurzer Zeit erschöpft, ganz besonders bei Tätigkeiten in Umgebungen mit vielen Geräuschen. Mein besonderes Problem ist, dass ich dann keine Erholung finden kann, solange es laut ist, wie im Pausenraum unserer Arbeit oder auf der Ruhebank vor unserer Arbeit in der Nähe einer großen Straße.

Ja, die Einschränkungen zu kommunizieren und nicht den Helden zu spielen ist wichtig. Und manchmal muss man dann halt auch auf Kontakte zu Menschen verzichten, die auf die sich auf die Einschränkungen nicht einstellen können.

Zwän
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