"Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Adehas82
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"Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von Adehas82 » 22.04.2022, 10:57

Liebe Mitbetroffene,

Seit mehreren Jahren lese ich im Forum, wenn ich nicht gerade im Verdrängungsmodus unterwegs bin. Nun steht eine Entscheidung an, da der Tumor wächst und ich wäre über einen Erfahrungsaustausch dankbar - auch um nicht wieder in den Verdrängungsmodus zurückzufallen :wink:

Bereits 2019 wurde bei mir ein AKN diagnostiziert. Ein Zufallsbefund, da ich aufgrund eines anderen Abklärung im CT und anschließend MRT gelandet bin. Damals wurde ein 13,5x23mm großer Tumor mit "großem" extrameatalen Anteil festgestellt: ich war absolut symptomfrei und habe mich bei mehreren Ärzten in aller Ruhe über meine Optionen informiert.

Meine Erfahrungen waren hierbei durchwegs positiv. Zunächst war ich bei Prof. Dr. Schichor an der LMU in München. Er erklärte, dass mir alle drei Optionen offen standen (OP, Bestrahlung und Wait-and-scan), wie hoch er das Hörverlust und Pareserisiko einschätzen würde er zum aktuellen Zeitpunkt keine Behandlungspräferenz sehe und es eine persönliche Entscheidung sei. Er vermittelte mich aber noch am gleichen Tag an das Cyberknife-Zentrum in München.

Im Cyberknifezentrum nach Anruf der LMU bei Prof. Dr. Muacevic spontan einen Termin bekommen. Ergebnis: Bestrahlung ist noch eine Option, auch wenn der Tumor schon sehr groß sei und bald nicht mehr gut bestrahlbar wäre.

Einige Wochen später zur Sicherheit eine Zweitmeinung in Tübingen bei Prof. Dr. Tatagiba eingeholt. Anders als an der LMU wurde hier für mich eine OP empfohlen, da ich noch relativ jung (geb. 1982) sei und es nicht abschätzbar, wie das Wachstumsverhalten in 20 Jahren sei. Bis dahin hatte ich die Bestrahlung aufgrund ihrer geringeren Risiken für schwere Folgen bevorzugt. Insbesondere die Facialpareserisiko bereitete mir Sorgen.

Alle drei Parteien verwiesen auf das Risiko, dass bei OP nur ein Teil des Tumors entfernt werden könne. Einer davon fand es aufgrund des Extrameatalen Anteils und daraus resultierender Form des Tumors sogar unwahrscheinlich, dass der Tumor vollständig entfernt werden könne.

Meine Hausärtzin und zwei HNO-Ärzte rieten mir übrigens zur Bestrahlung. Mein Eindruck war: alle waren eher "ängstlich" vor der OP und ob es med. wirklich bei mir Sinn macht, konnte ich nicht differenzieren.

Da ich unschlüssig blieb und im Verdrängen eine ausgesprochene Meisterschaft besaß, entschied ich mich für Wait and Scan.
Aufgrund der Pandemie konnte ich in den Folgejahren nicht direkt mit dem RAdiologen sprechen, alle 6 bis 12 Monate gab es einen Scan und der Radiologie sprach von einem nicht-signifikanten Größenzuwachs der durchaus noch in der Fehlertoleranz lag.

Sept. 2021 begannen bei mir erste Schwindelanzeichen. Nur temporär, Koordination unauffällig, war ein "schwammiges Gefühl" in meinem Kopf, dass nach einigen Wochen zurückging, bei sportlicher Betätigung und Stress wieder hervortrat. Ich schob es eher auf Stress (und "nur" vielleicht auf den Tumor)

2022 war konnte ich wieder die MRT-Ergebnisse direkt mit dem Radiologen besprechen und mir fiel auf, dass der gute Mann nicht 2019 als Referenz hinzunahm, sondern den jeweils letzten Scan. So hieß es nun nach Hinweis von mir: "geringe Progredienz", der Radiologe sprach von einem "diskreten Wachstum", nun bei 15x23mm. Ich hatte selber in den vorherigen Scans nicht genau genug geschaut und mich auf die Einschätzung des Arztes verlassen - Verdrängung ist eben nicht immer hilfreich.

Also wieder bei der LMU, diesmal aber nicht beim Oberarzt: hier wurde ich sofort auf die Bestrahlung verwiesen, mit der Größe hätte man durchwegs gute Erfahrungen mit Bestrahlung gemacht, es wäre mittlerweile die bevorzugte Option. Die Bedenken aus Tübingen wurden nicht geteilt. Mein Eindruck: Corona-bedingt sollten unnötige OPs vermieden werden (ich neige nicht zu Verschwörungstheorien, fand das Verhalten des Arztes aber sonderbar). Wait-and-scan wurde aufgrund des Wachstums abgeraten.

Cyberknife: Prof. Muacevic fand das Wachstum "gar nicht so diskret". Bestrahlung sei noch möglich, aber die obere Grenze sei bald erreicht. Mein Ärger auf den Radiologen und mich stieg signifikant deutlicher, als mein tatsächliches Tumorwachstum. OP oder Bestrahlung seien nun auch hier die Optionen, warten eher kontraproduktiv.

Mein kurzes Fazit: ich kann alle drei Anlaufstellen (Schichor/Tatagiba/Muacevic) nur empfehlen. Alle sind absolute Fachmänner auf ihrem Gebiet und nahmen sich die nötige Zeit (ich hatte viele Fragen). Wenn OP oder Bestrahlung, dann wäre man nach meinem Erleben dort jeweils gut aufgehoben. In Tübingen waren sie in der Ananmnese allerdings gründlicher als an der LMU (da wurden gleich auch Fotos geschossen, Nervenableitung durchgeführt). Die unterschiedliche Einschätzung der jeweiligen Fachärzte bzgl. Bestrahlung in meinem Alter haben mich aber verunsichert.

Meine Fragen: was sind Eure Erfahrungen bei Symptomfreiheit und "jungem" Alter: wer hat sich da bestrahlen lassen und wem wurde noch davon abgeraten und mit welcher Begründung?
Mittlerweile drückt am Meisten die Angst vor Facialparese aber auch vor bleibendem Schwindel. In Bezug auf Hörverlust scheinen OP und Bestrahlung in ihrem Risiko kaum Unterschiede aufzuweisen.
snowdog
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Re: "Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von snowdog » 22.04.2022, 18:16

Lieber Adehas82, liebe Forenmitglieder und Forenleser,

willkommen im Forum und Glückwunsch zur Entscheidung, Dich zum "Outing" durchgerungen zu haben. Es ist mir wichtig, dass dies in keinster Weise als Vorwurf gemeint ist oder als Plädoyer für eine frühe Registrierung im Forum dienen solle - entscheidend ist, zu einer Entscheidung im Umgang mit der Erkrankung und einer Konsequenz aus den gesammelten Informationen zu kommen. Ja, es ist möglich und gewollt, dass die Informationsquelle für jeden Betroffenen offen und frei zugänglich ist - anonym, unbemerkt und unregistriert ist es möglich, einen ersten Ankerpunkt zu finden. Ein passives Abgleichen mit ähnlichen Fällen und Erfahrungen, Ergebnisse eigener Recherchen, Informationen und Antworten auf die vielen Fragezeichen - mit dem ersten Beitrag im Forum wird es ein weiterer Erfahrungsfall, der zusätzlichen Input im Austausch zu Tage fördert.

Du hast das Forum bereits vor längerer Zeit entdeckt, ich darf unterstellen, dass Du mit der Diagnose AN das Forum für deinen Entscheidungsprozess hinzugezogen hast - die Erklärung "Verdrängungsmodus" trifft ein Problem, mit dem sich jeder auseinandersetzen muss. Die Tumorgröße bei Entdeckung stellt bereits die Therapiefrage, Lage und Dimension lassen keinen Spielraum, dass der Tumor auf Dauer "Ruhe gibt" oder sich irgendwie von selbst erledigt. Die zum Zeitpunkt der Entdeckung vorherrschende Symptomatik ("absolut symptomfrei") ist trügerisch und problematisch gleichermaßen - warum sich einem Therapierisiko aussetzen und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Einschränkungen aussetzen, die vorher gar nicht bestanden ? Warum nicht "wait-and-scan" bis auf den letzten Drücker ausreizen, um "gerade noch rechtzeitig" (= vor den ersten heftigen Symptomen) die Reißleine zu ziehen ? Taub durch Bestrahlung oder OP bleibt ja immer noch, bis dahin möglichst lange Lebensqualität sichern. So oder so ähnlich gaukelt der Verdrängungsmodus eine Entscheidungsoption vor, die Sache sei ja unter Beobachtung...

Trügerisch, leider nicht nur. Du lebst nun im dritten Jahr mit einem entdeckten Tumor im Kopf (sehr wahrscheinlich schon viel länger), der alles andere als geduldig und minimal wachsend gehofft linear Zeichen setzen sollte. Worauf willst Du warten ? Die Hoffnung auf eine Stagnation im Wachstum, ein Ausbleiben von Symptomen, ein "harmloser" Verlauf ? Du hast erlebt, dass das eher nicht funktioniert. Sich mit dem AN arrangieren, indem man die Therapiefrage aufschiebt, birgt keine günstige Prognose. Begleitend werden die Rahmenbedingungen (dein junges Alter, Tumorgröße, Ausgangslage) nicht besser, die vorhandene Belastung einer Therapie - unmittelbar größer bei einer OP als bei der Bestrahlung - folgt einem negativen Trend. Die Chancen auf Funktionserhalt, das Vermeiden von Folgeschäden, die Sicherung eines Status Quo, das alles verbessert sich nicht, kann aber auf ein "Go" zusteuern, welches notwendig wird.

Du hast das Pro und Contra der Spezialisten vernommen, die Favorisierung der eigenen Therapieform und die verbleibenden Vorbehalte. Ein erfahrener Operateur schätzt die benannten Risiken ein, die eine möglichst vollständige Entfernung birgt. Eine Garantie kann niemand geben, aber aufgrund der Beurteilung ein mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartbares Resultat. Bei (noch) nicht vorhandenen Einschränkungen oder Ausfällen eine eher günstige Ausgangslage auf (Rest-)Funktionserhalt. Spätfolgen einer Bestrahlung sind schwierig zu prognostizieren, auf den Tumor bezogen ist eine Inaktivierung ein angestrebtes Ergebnis, mit Blick auf spätere Symptome eine Restunsicherheit, die nicht nur im Grad des Hörvermögens zu bemessen ist.

Ich wünsche Dir viel Kraft zur Entscheidung, einen wichtigen Schritt bist Du bereits gegangen. Alles Gute für die folgenden.
Beste Grüße
snowdog
snowdog (Moderator seit 4.12) Jg.62,m,verh.,2 Söhne,
AN re.5x8 mm,n-c. suboccipital AN-OP in Offenbach 4.08,
postoperativ Liquorfistel,keine Fazialisparese, einseitig taub,chron.Kopfschmerzen,jährl.Kontroll-MRT f.d.ersten 5 J.
Harald87
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Re: "Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von Harald87 » 22.04.2022, 19:21

Hallo,
ich mit Baujahr 87 und größeren Tumor habe etwas die Entscheidung abgenommen bekommen, da für Bestrahlung an sich bereits zu groß war.
Das macht es einfach, auch einfacher mit späteren Folgen zu leben. Bei der ersten op war damals auch nicht alles rausgekratzt wurden, aber die zweite hat dann hoffentlich alles erwischt. Umso länger man dem Tumor Zeit lässt, umso größer wird er und selbst wenn er stagniert, verwächst er mit Gewebe drum herum. An sich ist abwarten, vor allem bei größeren, keine weise Entscheidung. Hier hilft nur endlich eine Entscheidung treffen. Per se heißt es Bestrahlung ist besser verkraftbar, das liegt aber daran, dass vor allem kleine akns bestrahlt werden und große akns operiert werden. Man vergleicht damit an sich Äpfel mit Birnen. Große Akns bestrahlen ist wahrscheinlich genauso mit Nebeneffekten belegt.

Zu dem Verhalten von Ärzten: das sind auch nur Menschen. Menschen neigen zur Empathie, heißt sie versetzen sich in deine Lage und sehen gerade in jüngeren Patienten mit Diagnosen, die nicht auf den Lebenstil zurück zu führen sind ihre eigene Sterblichkeit. Aus eigener Erfahrung, auch bei Verwandtschaft, fragt deshalb meist selbst wenn keine Korrelation bekannt ist jeder Arzt erstmal nach Alkohol, Gewicht, Rauchen und notfalls Stress. Das ist ein Schutzreflex. Entsprechend sollte man das nicht unbedingt übel nehmen. Ärzte haben zusätzlich ihre Präferenzen. Ich kenne welche die Bestrahlung kritisch sehen, für manche ist es das Nonplusultra. Da sind dann auch schlagende Argumente nichts bringend.

Da du genau auf der Grenze stehst die Entscheidung abgenommen zu bekommen, solltest du dir einfach klar werden, dass in einem Jahr die OP halt einfach als letztes verbliebene Mittel der Behandlung bleibt. Solltest du angst vor op haben, kümmere dich jetzt. Aufhören von alleine Probleme zu bereiten wird er nicht. Da Größere bestrahlen abgeraten wird, kannst du dir ausdenken, das ein etwaiger Vorteil der Bestrahlung bereits jetzt enorm gering gegenüber einer OP ist, übersetzt, es nimmt sich wenig im Risiko, was du am Ende entscheidest.
Corona solltest du mit beachten, natürlich ist mitten in der Plandemie Reha-Maßnahmen schwieriger etc.

Mit freundlichen Grüßen
Harald
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Re: "Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von Adehas82 » 24.04.2022, 09:31

@Snowdog: vielen Dank. Du hast es gut zusammengefasst. Aktuell ist klar, dass abwarten keine Option mehr ist, d.h. das für mich eindeutig Bestrahlung oder OP vorzuziehen sind. Trotzdem war das Abwarten aber auch ein wichtiger Schritt. Hätte ich früher gehandelt und wäre dabei was schief gegangen, wäre es -glaube ich heute zumindest- deutlich schwieriger sich mit solchen Einschränkungen abzufinden ("vielleicht hätte ich ja nicht gemusst, hätte ich nicht noch warten sollen").
Werde mir in nächster Zeit sicherlich nochmal gezielt die Erfahrungswerte der anderen anschauen, da die Entscheidung OP oder Bestrahlung mir immer noch sehr schwer fällt.

@Harald87: wenn ich Dich richtig verstanden habe, hast Du den Resttumor (ich schätze der intrameatale Teil des Tumors?) chirgurgisch entfernen lassen. Wieso den Resttumor nicht bestrahlen lassen?
Harald87
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Re: "Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von Harald87 » 24.04.2022, 14:51

Hallo,
die Option bestand, aber ich halte nichts davon. Ist vielleicht etwas Kopfsache, aber ich wollte den draußen haben. Für mich ist Bestrahlung in jungen Jahren Glücksspiel, was später wird. Man findet dazu auch nicht viele Informationen, da man eine ganze Weile nur alte Patienten bestrahlt hat. Begründung: Eh die negativen Langzeitfolgen kommen, sind se schon unter der Erde. Das ist auch alles fein so, da man damit jemanden krapampligen eine OP ersparen konnte. Du kannst gerne schauen, ob du Studien findest wo man Leute in deinem Alter oder jünger bestrahlt hat und dann nach 10 Jahren das Mal ausgewertet hat. Wirst nichts finden, zumindest nichts mit belastbaren Zahlen meinem Kenntnisstand nach.

Es gibt bei beiden Behandlungen Problemfälle, aber mich schreckte vor allem ab, dass bei Bestrahlung über lange Zeit Nebenwirkungen wie Schwindel, Hörverlust, Kopfschmerzen etc. dazutreten. Bei OP geht es danach meist bergauf, bei Bestrahlung selbst bei Erfolg bergab.
Und hier landest dann beim Alter. Kurzfristig ist die Bestrahlung wesentlich besser in den Auswirkungen. Wir reden aber am Ende nicht davon, dass es dir 10 Jahre später halbwegs geht, sondern du willst noch 30 Jahre arbeiten und dann noch 20 Jahren deine Rente in Mallorca verprassen.

Mit freundlichen Grüßen
Harald
Hubertus
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Re: "Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von Hubertus » 24.04.2022, 15:58

Hallo Adehas82,

ich war eine Zeit lang nicht mehr im Forum, wollte aktuell mal wieder etwas recherchieren wie ich meine Gleichgewichtsfähigkeiten noch etwas verbessern könnte, da bin ich auf Deinen Bericht gestoßen bzw. Deinen "intensiven" Abwägungsprozess.
Ein paar Fakten aus meiner Erfahrung bis heute (die detaillierten Berichte stehen im Forum):
- AKN 20-25mm Diagnose 12/2020 nach plötzlich aufgetretenem Schwindel, davor symptomfrei
- Abklärung Behandlungsmöglichkeiten unter Einbezug Kliniken Landshut, München MRI, Würzburg, Bamberg und Cyberknife München
- Cyberknife München lehnte ab aufgrund Tumorgröße und Lage (bereits leichte Verdrängung Hirnstamm und "Plattdrücken" Facialisnerv)
- Klare Empfehlung pro OP von allen konsultierten Kliniken - ich (Jg. 1969) sei zu jung für abwarten
- ich fand einen Spezialisten der mir eine ganz klare Zielsetzung formulierte (dabei auch die in aller Regel beherrschbaren Risiken): vollständige Resektion unter Erhalt und postoperativ mittelfristig wieder guter Funktion des Facialisnerves - eine kombinierte Behandlung OP und Bestrahlung wäre demnach nach bester Möglichkeit zu vermeiden aufgrund der unmittelbar am Tumor angrenzenden sensiblen Strukturen bzw. eines Risikos auch nach Bestrahlung verbleibender Tumorreste und eines dadurch erhöhten Rezidivrisikos bei dann schwierigen Nachbehandlungsmöglichkeiten (bei bereits erfolgter Bestrahlung).
- Meine Wahrnehmung: es gibt Ärzte die das können und gleichzeitig auch bereit sind den dafür erforderlichen, hohen Aufwand zum maximalen Profit für den Patienten zu betreiben - eine vollständige Resektion in diesen sensiblen Arealen ist eine zeitaufwendige "Fiselarbeit" auch für Spezialisten und fordert allerhöchste Konzentration.
- Die angesagte Zielsetzung wurde vollständig umgesetzt
- Die Nachwirkungen waren natürlich spürbar: die körperliche Belastbarkeit war relativ schnell wieder da. Die zunächst relativ starke Facialisparese ging bis Stand heute auf ein absolut annehmbares Maß zurück, von einem Außenstehenden ist das kaum zu bemerken und für mich selbst ist das kaum mehr präsent und es wird kontinuierlich noch besser (man kann viel dazu tun - der eigene Wille spielt natürlich eine Rolle). Das seit der OP einseitige Gleichgewichtssystem mit den Balanceeinschränkungen ist auf konstant hohem Funktionsniveau gut zu handeln. Bei hohen Anforderungen (Tennis, Mountainbike etc.) sind Einschränkungen da, aber auch das geht relativ gut. Der bei mir weitestgehend einseitige Hörverlust mit dadurch eingeschränkter Richtungshörfähigkeit ist gut zu verkraften, bei großer Geräuschkulisse (Bsp. laute Musik) wird es natürlich schwierig sich da noch zu unterhalten.
Das für mich weit überwiegende Positive: kein Tumor mehr (nachweislich), keine Unsicherheit, keine immer wiederkehrenden "Verdrängungsgedanken", kein "in sich reinhorchen" bzgl. der Symptome, und ich ging sogar gestärkt aus dieser Krise hervor ...
Meine Empfehlung (natürlich basierend auf meiner persönlichen Erfahrung!): Geh Deine Entscheidung für die Behandlungswahl aktiv an und bereite sie gut vor - lieber ein Spezialistengespräch mehr um zur vollen eigenen Überzeugung zu kommen. Bis jetzt hast Du definitiv nichts falsch gemacht, denn eine Nichtentscheidung ist in solchen Fällen sicher besser als eine Entscheidung ohne Überzeugung. Die Corona-Situation sollte die Entscheidung nicht beeinflussen, gute Kliniken müssen das im Griff haben, auswirken könnte sich das u. U. terminlich wg. ggf. verschobenen Operationen. Meinem Verständnis nach schließt sich meine Empfehlung derer von Snowdog und Harald an.

Alles Gute, Hubertus
Diagnose 12/2020 AKN links T3 20x20x25mm, OP 01/2021 in Bamberg, vollst. Resektion, postop. minimales Hörvermögen links, Facialisparese aktuell HB III, leichter Tinnitus.
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Re: "Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von annanna » 26.04.2022, 14:14

Hallo Adehas82,
Ich stand vor ein paar Wochen ebenfalls vor der Entscheidung OP ja oder nein. Mir wurde wie dir von einer Bestrahlung wegen meines jungen Alters (Jahrgang 96) abgeraten. Ungewisse Erfolgsaussichten und ungewisse Spätfolgen. Für mich kam die Bestrahlung damit nicht in Betracht. Die Sorge war zu groß, dass die vermeintlich bequemere Lösung mir hinterher auf die Füße fällt. Aber ich fange vielleicht mal vorne an...
Bei mir begann es im Dezember 2021 mit Schwindel/ einem benommenen Gefühl im Kopf, später kam noch ein leichter Rechtsdrall dazu.
Ich habe daraufhin alle möglichen Ärzte abgeklappert, bis ich endlich eine Überweisung für ein MRT bekommen habe. Dort wurde dann ein AKN rechts diagnostiziert, 0,75 x 1 cm. Also noch recht klein. Der Radiologe (der zufälligerweise in jungen Jahren selbst ein AKN Betroffener war - bei ihm wurde es damals operativ entfernt) klärte mich über die 3 Möglichkeiten (OP, wait and scan und Bestrahlung) auf.
Mein Neurologe hat mich dann an Herrn Prof. Ebner (Neurochirurg) in Essen verwiesen. Bei diesem hatte ich schon eine Woche später ein Beratungsgespräch. Er riet mir primär zum abwarten, bot mir aber auch an, mich zu operieren. Von der Bestrahlung riet er mir ausdrücklich ab, aus oben benannten Gründen. Vor allem über die Langzeitfolgen und Erfolgsaussichten (also 20-30 Jahre nach der Bestrahlung) ist hier noch nicht so viel bekannt. Bei älteren Patienten, die ohnehin nur noch eine geringere Restlebenserwartung haben, ist das nicht so schlimm, zumal die OP Risiken bei älteren Patienten gravierender sind, als bei jüngeren. Für mich klang das alles einleuchtend - ich muss jedoch dazu sagen, dass einer Bestrahlung schon vorher sehr skeptisch gegenüberstand.
Abwarten kam für mich Persönlich ebenfalls nicht in Betracht, da ich früher oder später wohl um eine OP nicht drum herum gekommen wäre und ich die OP dann lieber sofort angehen wollte, auch um mein noch intaktes Gehör durch den Tumor nicht zu gefährden. Ich hätte leichter damit leben können, wenn der Hörnerv bei der OP geschädigt worden wäre, als durch meine eigene Untätigkeit.
Da ich bei Prof. Ebner ein gutes Gefühl hatte (gerade weil er mir die OP nicht aufgedrängt, sondern primär wait and Scan empfohlen hat), habe ich mich entschlossen gar keine zweitmeinungen mehr einzuholen - entgegen dem Rat meiner Hausärztin, die die OP eher skeptisch gesehen hat. Ich habe allerdings noch Kontakt zu einer anderen Betroffenen aufgenommen, die einige Monate zuvor ebenfalls bei Prof. Ebner in Essen operiert worden ist und sehr zufrieden dort war, was mich zusätzlich in meiner Entscheidung bestärkt hat.
Schon 1 Monat nach dem MRT wurde ich dann operiert. Keine Fascialisparese, das Gehör wurde vollständig erhalten, die Wunde ist super verheilt. Leider musste ein Teil des Tumors drin bleiben, wie damit weiter verfahren wird, werden die nächsten Kontrolluntersuchungen zeigen. Die erste Zeit nach der OP hatte ich mit dem Gleichgewicht ganz schön zu kämpfen, doch das hat sich inzwischen fast vollständig gelegt. Jetzt knapp 6 Wochen nach der OP geht es mir wieder richtig gut, sowohl körperlich, als auch emotional. Ein bisschen steckt mir die OP zwar noch in den Knochen, aber ich hätte es mir wirklich schlimmer vorgestellt! Ich würde mich jederzeit wieder für die OP entscheiden, trotz der Risiken.
Letztlich muss dass aber jeder für sich entscheiden und mit sich selbst ausmachen. Bei einer OP kann natürlich immer etwas schief gehen, genau wie bei der Bestrahlung. Mir Persönlich hat die Frage "was wäre wenn" bei der Entscheidungsfindung sehr geholfen. Was wäre wenn ich den Tumor drin lasse? Besser wird es von allein nicht - mit 25 und anhaltenden Symptomen für mich keine Option. Was wäre wenn ich den Tumor bestrahlen lasse? Vielleicht erstmal ein geringeres Risiko aber mit vielen Unwägbarkeiten verbunden - für mich vor allem aus psychischer Sicht keine Option. Also: OP.
Diese Fragen muss aber jeder für sich selbst beantworten, da solltest du auch nicht auf andere, sondern nur auf dich selbst hören. Versuch einfach trotz allem optimistisch zu bleiben, dass hat mir sehr geholfen. Informiere dich gründlich, lass dich von negativen Erfahrungsberichten aber auch nicht bekloppt machen ;)
Ich drücke dir die Daumen, dass wie auch immer du dich entscheidest, alles gut geht.
Liebe Grüße, Anna (= annanna)
Hubertus
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Re: "Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von Hubertus » 26.04.2022, 19:05

Hallo,
ich habe die Einträge von annanna erst jetzt gelesen - ich sehe da viele Parallelen zu meinen Erfahrungen betreffend Symptome, Entscheidungsmotivation etc. Bei mir stellte sich die Frage der Wahl OP oder Bestrahlung nicht aufgrund der Tumorgröße, sofern die Wahl besteht stelle ich sie mir wirklich schwierig vor. Obwohl die Möglichkeit einer Bestrahlung natürlich aufgrund der zunächst kaum spürbaren Nebenwirkungen verlockend ist, kann ich alle verstehen die sich operieren lassen, auch aus psychologischen Gründen. Bei OP ist es dann m. E. die große Kunst die richtige Abwägung zu treffen wie weit der Operateur geht um möglichst alles zu entfernen und gleichzeitig die Nervenfunktionen erhalten bleiben sollen. Hierbei denke ich muss der Patient unbedingt mit einbezogen werden da Alter, Persönlichkeit, vielleicht auch ob Mann oder Frau, eine Rolle spielen. Ich denke ein wirklich kompetenter Arzt, nicht nur fachlich sondern auch menschlich, sollte das richtig bewerten können, das ist ein ganz wichtiger Teil der Aufklärung. Ich möchte meinen Beitrag von gestern dahin gehend ergänzen, dass ich gut nachvollziehen kann, wenn bei einer 25-jährigen Frau die postoperative Funktionsfähigkeit des Gesichtsnerves höher priorisiert wird und deshalb auch im Grenzbereich ein Tumorrest belassen wird, zumal die Möglichkeit einer Totalresektion u. U. auch von der Lage und Beschaffenheit des Tumorgewebes abhängt. Die grundsätzliche Funktionsfähigkeit des Gesichtsnerves war auch mir wichtig, die postoperative Facialisparese habe ich aber quasi mit Ansage in Kauf genommen, das hatte ich mit meinem Operateur ausführlich besprochen. Gut, das Ding ist vollständig raus, aber mit richtig Lachen war da erst einmal nichts mehr, auch das Auge war zunächst problematisch, in Minischritten hat sich das innerhalb nunmehr fast eineinhalb Jahren zu dem nun guten Zustand entwickelt, sicher auch durch großen persönlichen Einsatz, aber auch mit zwischenzeitlichen Zweifeln, Hadern mit der Situation etc.
Alles Gute auch an annanna.
Diagnose 12/2020 AKN links T3 20x20x25mm, OP 01/2021 in Bamberg, vollst. Resektion, postop. minimales Hörvermögen links, Facialisparese aktuell HB III, leichter Tinnitus.
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Re: "Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von Zwän » 22.06.2022, 12:56

Lieber Adahas82,

es ist ein Grundprinzip in der Medizin: "Jeder macht das was er kann". Wenn Du zu einer/m Chirurgen gehst, wird er/sie am ehesten eine OP empfehlen. Wenn Du zu einer/m Radiologen gehst, wir er/sie am ehesten Bestrahlung empfehlen. Das gilt doppelt, wenn an der entsprechenden Klinik nur eine der beiden Methoden angeboten wird. Für eine Entscheidungsfindung wäre es wichtig Deinen Fall in einem interdisziplinären Tumorboard vorzustellen, wo Äerzte/innen unterschiedlicher Fachrichtungen (HNO, Neurologie, Radiologie) den Fall diskutieren und eine Empfehlung abgeben. Die Existenz eines solchen Tumorboardes ist auch ein Qualitätsmerkmal für eine Klinik. In diesem Board sollte auch die Option einer chirurgischen Teilresektion mit der Option der späteren Bestrahlung bei möglichem Wachstum des Resttumors diskutiert werden.

Alles Gute

Viele Grüsse vom schrägen Zwän
(der das Ding rasch raus haben wollte und ohne Nachdenken dem ersten Chirurgen geglaubt hat und sich wenige Tage nach Diagnose hat operieren lassen)
AN re 0,7 cm, ED 2/20 bei leichtem Schwindel, leichter Hörminderung seit 1/20. OP kurz nach D in Wü. Post OP Taubheit re und Tinnitus. Inkomplette Facialisparese mit Synkinesien, fehlendem Augenschluss und dauerhaft abgeklebtem Auge. Leichter Schwindel.
Zwän
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Re: "Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von Zwän » 09.08.2022, 14:04

Hier eine neue Studie, die die Entscheidung nicht einfacher macht:

Otol Neurotol
. 2022 Aug 6. doi: 10.1097/MAO.0000000000003618. Online ahead of print.
Hearing Preservation After Intervention in Vestibular Schwannoma
Kristen L Yancey 1, Samuel L Barnett 2, Walter Kutz 1, Brandon Isaacson 1, Zabi Wardak 3, Bruce Mickey 2, Jacob B Hunter 1
Affiliations expand
PMID: 35941601 DOI: 10.1097/MAO.0000000000003618
Abstract
Objective: This study aimed to assess the durability of audiological outcomes after radiation and surgery in the management of vestibular schwannoma.

Study design: Retrospective review.

Setting: Tertiary academic center.

Patients: Adults with sporadic vestibular schwannoma and serviceable hearing at the time of intervention.

Interventions: Gamma Knife, middle cranial fossa, or retrosigmoid approaches.

Main outcome measures: Pure-tone audiometry and speech discrimination scores.

Results: Postintervention serviceable hearing (class A/B) was preserved in 70.4% (n = 130; mean follow-up, 3.31 yr; range, 0-15.25 yr). Of the 49 patients treated with radiation, 19 (39.6%) had serviceable hearing at last follow-up, compared with 38 (46.9% of 81) who underwent retrosigmoid (n = 36 [44.4%]) and middle cranial fossa (n = 45 [55.6%]) approaches (odds ratio [OR], 1.40; 95% confidence interval [CI], 0.67-2.82; p = 0.47). A matched analysis by age, tumor volume, and preintervention hearing (n = 38) also found no difference in hearing preservation (HP) likelihood between surgery and radiation (OR, 2.33; 95% CI, 0.24-35.91; p = 0.59). After initial HP, 4 (9.5%) surgical versus 10 (37.0%) radiated patients subsequently lost residual serviceable (A/B) hearing (OR, 0.18; 95% CI, 0.06-0.69; p = 0.01) at a mean 3.74 ± 3.58 and 4.73 ± 3.83 years after surgery and radiation, respectively. Overall, 5- and 10-year HP rates (A/B) after initially successful HP surgery were 84.4 and 63.0%, respectively. However, survival estimates declined to 48.9% at 5 years and 32.7% at 10 years when patients with immediate postoperative serviceable hearing loss were also included, which were comparable to radiation-HP rates at 5 and 10 years of 28.0 and 14.2%, respectively (p = 0.75).

Conclusions: After vestibular schwannoma intervention, overall HP was similar between radiated and surgical cohorts. However, when successful, surgical approaches offered more durable hearing outcomes at long-term follow-up.

Copyright © 2022, Otology & Neurotology, Inc.

References
Marinelli JP, Lohse CM, Grossardt BR, Lane JI, Carlson ML. Rising incidence of sporadic vestibular schwannoma: True biological shift versus simply greater detection. Otol Neurotol 2020;41:813–47.
Marinelli JP, Beeler CJ, Carlson ML, et al. Global incidence of sporadic vestibular schwannoma: A systematic review. Otolaryngol Head Neck Surg 2021;1945998211042006.
Chan SA, Marinelli JP, Hahs-Vaughn DL, et al. Evolution in management trends of sporadic vestibular schwannoma in the United States over the last half-century. Otol Neurotol 2021;42:300–5.
Ryzenman JM, Pensak ML, Tew JM. Patient perception of comorbid conditions after acoustic neuroma management: Survey results from the acoustic neuroma association. Laryngoscope 2004;114:814–20.
La Monte OA, Tawfik KO, Khan U, Schwartz M, Friedman R. Analysis of hearing preservation in middle cranial fossa resection of vestibular schwannoma. Otol Neurotol 2022;43:395–9.
AN re 0,7 cm, ED 2/20 bei leichtem Schwindel, leichter Hörminderung seit 1/20. OP kurz nach D in Wü. Post OP Taubheit re und Tinnitus. Inkomplette Facialisparese mit Synkinesien, fehlendem Augenschluss und dauerhaft abgeklebtem Auge. Leichter Schwindel.
Harald87
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Re: "Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von Harald87 » 10.08.2022, 08:11

Huhu,
der Hörerhalt nach der Bestrahlung ist wohl eine Illusion, die sich innerhalb kurzer Zeit verzieht und am Ende eher schlechter aussieht.
Wobei ich ehrlich sein muss. Hörerhalt ist so das Letzte, was einen bei einem AKN bei der Entscheidung durch den Kopf gehen sollte.
Auch wenn Ärzte heckmeck drumherum betreiben, wie die Statistik da auch schön zeigt ist es Glücksspiel und wahrscheinlich wird die Historie und pers. Eigenschicksal mehr Einfluss haben wie Tumorgröße, wann erkannt, wie schnell behandelt, wer behandelt, die Tagesform des Operateurs, die Erfahrung der Radiochirurgie, die Auflösung des MRTs etc.
Schon da wäre ich sehr vorsichtig bzgl. irgendwelchen drüber gestülpten Studien.

Perse ist es momentan ja wohl so, das die kleineren bestrahlt werden, nur wie werden die schon im Kleinen erkannt? Zufallsfunde sind wohl die Ausnahme, also sind sie andersweitig störend geworden, also meist durch Druck auf Nerven. Große dagegen werden operiert, wie konnten die groß werden, bzw. werden viele mit großem Tumor bereits aus der Studie herausfallen weil vorher schon kein Hören mehr da ist. Gerade letzteres würde ich als Grund für hohen Hörerhalt bei Ops, wenn ich die vorher Tauben rausgerechnet werden, nicht unterschätzen. Diejenigen, die bereits schwache Nerven hatten sind da bereits rausgefallen, während sie bei Kleinen noch fast alle dabei sind. Auch wenn laut Studie da es auch bei gleichen Größen kaum Unterschied gab.

Mit freundlichen Grüßen.
Adehas82
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Re: "Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von Adehas82 » 20.12.2022, 12:34

Vielen Dank für die weiteren vielen Rückmeldungen. War weiterhin fleißig am Lesen, würde heute aber gerne ein Update geben.
Tatsächlich habe ich mich im Juni 22 nach wiederholter Konsultationen schlussendlich für eine Chirgurgische Entfernung entschieden. In Tübingen, bei Prof. Dr. Tatagiba. War Bauchgefühl, auch wenn München für mich praktischer gewesen wäre.

Erster Termin war erst Oktober möglich, da musste ich schon bissal schlucken: da ich lange mit der Entscheidung gerungen habe, wollte ich es schnell hinter mich bringen, aber natürlich war ich kein Akutfall. Leider erkrankte ich an Covid, so dass der Termin wieder verschoben werden musste (falls jemand wie ich darüber nicht informiert sein sollte: es müssen 7 Wochen Abstand zur Genesung von Covid und der Anästhesie vorliegen). Meine OP hatte ich nun am 14.12.22, in Tübingen und bei Dr. Tatagiba.

Noch liegt mir nicht der volle Bericht vor, aber ich wollte Euch gerne nochmal meine Eindrücke frisch von der Klinik schildern.
Vornweg: die OP lief ohne weitere Komplikationen, ein Resttumor musste verbleiben, da ansonsten kompletter Hörverlust gedroht hätte. Sobald ich den vollständigen Bericht in Händen habe, würde ich ergänzen. Linksseitig liegt nun eine Hörminderung und Tinnitus vor (das ist komplett neu, vor der OP symptomfrei). Audiometrie wurde gemacht, konnte ich aber noch mit keinem Arzt besprechen. Leichte Facialparese, die mir subjektiv bisher (abgesehen von einem leichten Geschmacksverlust auf der operierten Seite) nicht auffällt.

Ablauf. Aufnahmetag 13.12 ging reibungslos, war den ganzen Tag beschäftigt von Station zu Station zu hoppsen (Aufnahme, Anästhesie, Audiometrie an der HNO-Klinik, mehrere ausführliche Aufklärungsgespräche bzgl. OP und deren Folgen, Schwindelabklärung/Erfassung der Beschwerden, Studienteilnahme etc.). Eigentlich war noch ein CT angekündigt, wurde aber nicht mehr benötigt. Ab 17Uhr: warten auf den OP-Tag. Interesssant: die OP wurde mit 2,5 - 3 Stunden angesetzt. Bisher hörte ich immer von eher 4 - 5 Std., der Operateur ist aber sehr routiniert. Das machte Mut :)

OP-Tag 14.12.: war gleich 7 Uhr dran, wie auch am Tag zuvor: alle sehr nett, alles lief reibungslos. Jede Menge Zugänge wurden gelegt. Anästhesie eingeleitet und weg war ich. Es ging weitestgehend schmerz- und angstfrei ab - auch wenn ich unter ziemlicher Anspannung stand. Wann genau ich wieder richtig zu Bewusstsein kam, kann ich nicht ganz einordnen. So gegen 13 Uhr war ich aber kognitiv wieder weitestgehend zeitlich und räumlich orientiert auf der Aufwachstation :) Keine Schmerzen, was mir aber als erstes Auffiel war die Hörminderung auf der operierten Seite. Klang als würde man mir ein Kissen aufs Ohr drücken bzw. als wäre viel Wasser im Ohr. Den Tinnitus konnte ich noch gar nicht richtig einordnen. Natürlich massiver Schwindel bei kleinsten Bewegungen, Übelkeit. So lange ich den Kopf sehr ruhig hielt und die Augen geschlossen oder auf einen Punkt fixiert hielt aber aushaltbar.
Schmerzen völlig im Rahmen und gut händelbar. Tipp: ich dachte ich sollte besser trinken, damit ich nicht weiter dehydriere ... aber natürlich war ich längst mit Kochsalzinfusionen bestens versorgt. Und bereits die kleinen Mengen Wasser die ich zu mir nahm, führten dazu, dass ich mich innerhalb der nächsten 12 Stunden 3 x krampfartig übergab.
Was bissal blöd ist bei einer frischen OP und Nachblutungsgefahr, aber es ist Gott sei Dank nichts passiert. Besser nur an den angebotenen Wattesticks mit Lemonrirgendwas lutschen. Die vertrug ich problemlos. Das Einzige was mir an dem Tag besonders negativ auffiel: es dauerte Stunden bis man mit einem Arzt sprechen konnte (ja, leider dreht sich die Welt auch nach so einer OP nicht alleine um einen, auch wenn man sich das wünschen würde ;) ).

15.12.: erste Visite gleich in der Früh (keine große Erkenntnisse), ab ca. 13 Uhr Verlegung nach einem CT zur Kontrolle auf die Pflegestation. Zustand leicht verbessert, aber weitestgehend ans Bett gefesselt. Am Nachmittag Erstkontakt mit Operateur (leichte Facialparese konnte festgestellt werden). Noch zu früh für eine Prognose bzgl. Hörminderung, müsse man alles mal abschwellen lassen und dann schauen, wie sich die Symptomatik manifestiert - eine Nachkontrolle nach 3 Monaten wurde vereinbart. Auf Essen und trinken komplett verzichtet. Katheter sei Dank konnte ich den Tag im Liegen mit Podcasts (meine neuen besten Freunde) verbringen und ruhen. Schmerzmittel und Mittel gegen Übelkeit stabilisierten weitestgehend. Kurze Physiotherapiesitzung mit Atemanleitung, Muskelpumpe und Massage gegen Verspannung und Aktivierung der Lungen.

16.12.: erste "Gehversuche". Schon an einer Semmel zu kauen war anstrengend, aber die ersten Bisse feste Nahrung seit der OP taten auch gut. Jedes Mal nachdem ich in einer aufrechten Position war und ich mich glücklich in mein Bett zurückfallen lassen konnte, Erleichterung. Durch Katheter (der zunehmend belastete) nud Zugänge zusätzlich behindert. Was aber alles die nächsten 24 Std. Stück für Stück entfernt werden konnte. Das lange liegen belastete meine Lungen und Atmung, die ersten Tage hatte man direkt Sauerstoffschläuche zur Nase, aber ohne diese schwollen meine Atemwege schnell zu. Daher regelmäßig Aufrecht im Bett "durchatmen", was es besser machte. Was erstaunlich war. Schon bereits nach kurzen "Stehversuchen" spürte ich eine Verbesserung des Lagerschwindels. Nachdem der KAtheter endlich raus war erster "Spaziergang" 5 Meter aus dem Zimmer, Hinsetzen und Ausruhen, 5 Meter zurück zum Bett - alles in Begleitung aber ohne Rollator. Erfolg!! :D Dann Ausruhen. Das Ganze 2 weitere Male an dem Tag wiederholt. Olympia ich komme.

17.12.-19.12. "Deutliche Verbesserung". Die Läufe gestern zeigten bereits Steigerung des Wohlbefindens, konnte ich ausbauen und merkte, dass Aufrechte Positionen und Spazieränge mich sehr schnell nicht mehr an den Rand der Belastung brachten. War natürlich sehr vorsichtig und wollte nichts übertreiben. Immerhin vor 72 Stunden opriert worden. Lesen und Video war auch schnell zu viel. Aber mit entsprechender Geduld und Erholungsphasen ging alles recht gut. Essen immer noch wenig, aber seit dem OP-Tag hatte ich mich nicht mehr übergeben. Ab da merkte ich fast halbtäglich wieder stärker und ausdauernder zu werden. Schnelle Kopfbewegungen und unnötige Lagerveränderungen vermeidete ich aber weiterhin instinktiv. Meine Entlassung war am 19.12. geplant. Bis dahin regelmäßig meine "Übungen gemacht". Ab dem 18.12. fühlte ich mich weitestgehend wieder "wohl".

19.12. Entlasstag: Nachbesprechung, Wundversorgung (7cm hinter dem Ohr), eine Audiometrie in der HNO-Klinik und die Entlasspapiere. Autofahrt 3 Stunden auch überstanden (natürlich Beifahrer, keine Übelkeit, war aber viel Autobahn. Kleine Erschütterung und viel Abbiegen war aber anstrengend) und in den eigenen vier Wänden tief durchgeatmet.

Nettes Detail: erst im schriftlichen Entlassbericht, erfuhr ich, dass ich 3 Monate keine Kraftfahrzeuge bedienen durfte. Danke. Das ist doch ein alltagsrelaventes Detail, das man gerne schon etwas früher erfahren hätte, aber es ist wie es ist.

Fazit: natürlich habe ich eine signifikante Funktionseinschränkung durch den Eingriff erhalten, mit der aber zu rechnen war. Stand heute bin ich mit dem Eingriff und dem Ergebnis zufrieden. Mit der Klinik und Operationsteam war ich sehr zufrieden. Tinnitus und Hörminderung sind neue Phänomene mit denen ich nun zurecht kommen muss. Besonders Tinnitus ist unschön, aber ich hoffe, da evtl. die nächsten Wochen noch Verbesserungen zu erzielen.

Warum ich mich letztlich für OP entschieden habe: die Größe des Tumors und das Gefühl, es raus zu haben und damit aufgrund der Größe entstandenen Druck auf das gesunde Gewebe zu reduzieren (mein Tumor hatte bereits leicht auf das Stammhirn gedrückt). Auch die Auswirkungen gleich zu haben und nicht Monate zu warten, wo dann evtl. alles mehr und mehr den Bach runter geht, sprachen für mich für OP. Ausserdem erschient es mir logischer, da OP und dann evtl. Bestrahlung einfacher als Bestrahlung und dann OP. Die Studie von Zwän (Danke!) ist da auch eine Besträrkung, dass die Tendenz für langfristigen Erfolg und Erhalt noch eher bei OP zu finden ist - der Einsatz (=Risiko) ist natürlich ungleich höher.
Die Hochspezialisierten Kliniken in München und Tübingen machten da Mut, dass auch Facialparesen in ihrer inversiblen Form relativ selten auftraten. Da brauchte es aber wirklich die Gespräche mit den eigentlichen Operateuren. Leider kam es immer wieder vor, dass man in den Sprechstunden einen Assistenzarzt vorgesetzt bekommen hat und die helfen einem über die grundlegende Information kaum weiter. In Tübingen musste ich das als AOK Patient als Selbtzahler finanzieren (wie die OP auch), in München musste ich einmal um einen neuen Termin bitten, da der Chefarzt nicht dazukommen konnte. Ich rate aber allen Betroffenen sich an dem Punkt nicht abspeisen zu lassen bzw. lieber das Geld -soweit vorhanden- in die Hände zu nehmen.

Euch allen eine gute Zeit, vielen Dank nochmals an Forum - ich werde mich jetzt auf die Suche nach guten Tinnitusbeiträgen machen :D
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Re: "Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von Harald87 » 20.12.2022, 16:22

Ja das leidliche Thema Führerschein.
Eigentlich sind die drei Monate nicht ganz korrekt. Wenn es deutliche Einschränkungen gibt muss das eigentlich wieder frei gegeben werden, was in der Reha meist mit Tests unterfüttert wird. Vor allem wenn's in den Arztbericht gepackt wird.

Ich hab es aber bei manchen schon gesehen das dies vergessen wurde oder nicht nötig war. Das ist ne Arztsache.
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Re: "Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von snowdog » 20.12.2022, 18:36

Lieber Adehas82, liebe Forenleser,

herzlichen Glückwunsch zur überstandenen OP und danke für diesen detaillierten Bericht !
Nimmt man die Ausführlichkeit als Maßstab, so könnte man meinen, die Belastbarkeit ist bereits wieder hergestellt - der obligatorische Hinweis an dieser Stelle, bitte langsam angehen lassen.

Man kann die fünf Tage zwischen OP und Klinikentlassung gut nachvollziehen, die ersten Fortschritte und die Veränderungen in der Symptomatik sind wichtige Rückmeldungen für die persönliche Standortbestimmung. Gerade deshalb gilt:
die OP ist nicht mal eine Woche her, Schonung und Ruhe sind die Verordnungen, die der Körper erhalten hat.

Der einseitige Hörverlust und Tinnitusbeschwerden werden in der Wahrnehmung variieren, Gewöhnung und Heilungsverlauf wirken hierauf ein.
Ich wünsche Dir einen guten Verlauf und rasche Verbesserungen, das Schlimmste hast Du überstanden.

Herzliche Grüße
snowdog
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Re: "Symptomfrei&Jung" OP vs. Bestrahlung

Beitrag von Zwän » 21.12.2022, 03:19

Wie gut, dass der Operateur sich darauf eingelassen hat, einen Resttumor zu belassen. Mein Operateur in Würzburg, Prof Hagen, ist noch ein alter Haudegen und hat trotz meiner Bitte im Zweifelfalle etwas stehen zu lasssen, alles rausgerissen, mit der kompletter einseitiger Taubheit und anfangs kompletter Facialisparese und danit Quasi Blindheit. Er meinte dazu alles gut, Tumor ist draussen.....

Glückwunsch zu Deiner Entscheidung. Weiter gute Besserung.
AN re 0,7 cm, ED 2/20 bei leichtem Schwindel, leichter Hörminderung seit 1/20. OP kurz nach D in Wü. Post OP Taubheit re und Tinnitus. Inkomplette Facialisparese mit Synkinesien, fehlendem Augenschluss und dauerhaft abgeklebtem Auge. Leichter Schwindel.
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