ANGST nehmen und verarbeiten

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Coa307
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ANGST nehmen und verarbeiten

Beitrag von Coa307 » 07.08.2020, 23:42

Liebes Forum,

ich habe auch bislang still mitgelesen und melde mich jetzt mal zu Wort.
Kurz zu meiner Person; w / 35/ verh./ 2 Jungs (6 und 2) und auch ich gehöre zu den AN Besitzern. Erfahren habe ich es vor 3 Wochen.

Warum ich beim Neurologen war; ich hatte im Nov 19 starke Kopfschmerzen und eine Übelkeit. Im Februar und April Kopfschmerzen und eine Art „Benommenheit“. Mein Hausarzt hat mich (nach mehrmaligem Aufsuchen) letztendlich zum Neurologen/Orthopäden und zur Kontrolle meiner Schilddrüse geschickt. Hörstürze hatte ich 2017 während meiner Schwangerschaft, es wurde auf Stress auf der Arbeit zurückgeführt.

Mein Neurologe hat ein MRT angeordnet, um alles auszuschließen…naja, hat nicht geklappt.

Folgendes steht in meinem Befund;
..nach KM Gabe zeigt sich eine längliche , 10x8 mm starke KM aufnehmende Raumforderung im linken Meatus Accusticus Internus z.B. einem Akkustineurinom…

Mein Neurologe hat mich beruhigt, dass wir es „relativ“ früh entdeckt haben und ich jetzt schon mal Termine mit der HNO/ Neurochirurg, Ambulanz machen soll.

Ich habe bereits drei Termine ausgemacht; Essen, Hannover und Braunschweig. Dies alles bzgl. Neurochirurgen. Die Bestrahlungsoption werde ich ebenso betrachten.

Natürlich bin ich sehr durcheinander, hab jetzt sogar wieder Ohrenschmerzen links evtl. einen leichten Hörsturz. ABER ich versuche positiv zu denken, und der GRUND dafür ist natürlich neben meiner Familie/Freunde dieses FORUM. Ich finde es so gut, dass sich hier viele Betroffene einfach austauschen können, negative Erfahrungen aber auch positive und dass es immer einen Weg in die Zukunft gibt. Meine größte Angst ist es tatsächlich die OP nicht zu überleben, einfach eine Angst, die ich nicht ganz in den Griff bekomme, aber durch eure Berichte werde ich immer sicherer und weiß, dass ich den richtigen Weg gehe.

Fakt ist aber auch; dass es mir derzeit sehr gut geht. Habe keinerlei Probleme, außer mein linkes Ohr, was ein wenig schmerzt. Auf das danach, mich nicht um unsere Kinder kümmern zu können und einfach zu sehr mit mir selbst beschäftigt zu sein, das zerrt sehr an mir.

Habt ihr im Vorfeld bereits psychologische Unterstützung in Betracht gezogen oder erst danach? Wie habt ihr euch für die OP „stark“ gemacht?

Ich werde hier meine Erfahrungen schildern und freue mich, weiter von euch zu lesen.

LG Coa
Harald87
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Re: ANGST nehmen und verarbeiten

Beitrag von Harald87 » 11.08.2020, 21:47

Hallo, bei der Größe kann man Bestrahlung in Betracht ziehen. Wichtig ist meiner Meinung nach sich vorher klar zu informieren, unter Berücksichtigung dessen das du "früh", also bei kleiner Größe davon Kenntnis genommen hast. Beide Optionen stehen dir offen. Persönlich halte ich es für wichtig sich für etwas zu entscheiden und dazu, egal wie gut oder schlecht es auch ausgeht, dazu zu stehen. Viele machen sich nachher fertig mit der Argumentation das wenn man etwas anderes oder gar nichts getan hätte, es einen vlt. besser ergangen wäre. Das Problem dieser Betrachtungsweise ist das an sich das jeder in jede Richtung tun könnte. Vorher Hilfe kann man sich holen, denke dazu muss man den Wunsch nach Hilfe bei den Ärzten oder anderen auch ansprechen. Es gibt auch Vereine und Gruppierungen die weiterhelfen. VdK zum Beispiel. Hier zu stöbern ist bestimmt auch nicht schlecht, wenn auch die Community hier momentan nicht besonders aktiv ist. Bei passenden Rückmeldungen hilft aber auch eine PN an die betreffende Person.


Mit freundlichen Grüßen
Harald
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Re: ANGST nehmen und verarbeiten

Beitrag von Da59 » 23.09.2020, 13:05

Hallo Coa307,

ich hatte es schon länger vorgehabt, Dir auf Deinen Beitrag zu antworten, aber es kam immer etwas dazwischen.
Deine Angst kann ich gut verstehen. Mir erging es ähnlich.
Meine Diagnose AN erhielt ich Ende April. Gott sei Dank hatte ich einen guten Hausarzt, der mich an die Uni Tübingen verwies und auf dieses Forum. Ich konnte mich über das Forum auf das Arztgespräch gut vorbereiten und hatte im Mai mein erstes Gespräch mit Professor Tatagiba und er schlug mir erstmal die Therapie vor, abwarten und schauen wie das Wachstum des AN verläuft da ich nur wenige Beschwerden hatte, die mich beeinträchtigten. Für mich ist die Vorstellung, dass jemand in meinem Kopf herumwühlt, furchtbar gewesen. ( Ist es heute auch noch) Das Kopfkino auszuschalten, war mir zu diesem Zeitpunkt des Arztgespräches nicht möglich und das hat Professor Tatagiba gespürt und mir diesen Therapievorschlag gemacht. Er sagte zu mir noch, " leben Sie Ihr Leben". Wir sehen uns in 6 Monaten wieder.
So habe ich Zeit bekommen, mich an die Tatsache, zu gewöhnen, einen Tumor zu haben. Ende Oktober habe ich wieder Termin und ich habe allerdings das Gefühl, dass mein Tumor in der Wachstumsphase ist. Angst vor der Diagnose habe ich schon, aber ich habe ein gutes Gefühl, dass ich bei Professor Tatagiba in guten Händen bin und mich danach richten werde, was er für mich richtig hält.
Das Gute an dem AN ist, dass man nicht sofort zum Handeln gezwungen ist und man sich gut vorbereiten kann auf die Dinge, die noch zu regeln sind.
Ganz am Anfang, dachte ich noch, dass ich psychologische Hilfe in Anspruch nehmen sollte, aber ich habe für mich entschieden, dass ich das nicht brauche, wenn ich offen mit meiner Erkrankung umgehe und sie akzeptiere und nicht permanent hadere, "warum muss ausgerechnet ich so was bekommen". Bislang hat es gut funktioniert und ich genieße die guten beschwerdefreien Tage, die Gott sei Dank noch überwiegen.
Angst vor einer OP habe ich schon, aber ich mache mir mehr Gedanken über das Danach, da ich schon etwas älter bin. Überleben werde ich das schon alles, da mache ich mir keine Sorgen, aber ob ich taub, eine bleibende Gesichtslähmung oder permanente Kopfschmerzen bekommen werde, das beschäftigt mich schon sehr.
Gott sei Dank habe ich einen verständnisvollen Ehemann, mit dem ich über meine Ängste auch gut reden kann und mir Kraft gibt.

Vielleicht geben Dir meine Zeilen ein bisschen Mut und Zuversicht.

LG Da59

Professionelle Hilfe anzunehmen, ist kein Zeichen von Schwäche sondern von Stärke
62 Jahre, verh ; AN 19mm x 13mm x 12mm, links, T3a; Diagnose seit April 2020. OP Januar 2021 Uni Tübingen, Prof. Dr. med. Tatagiba. Vollständige Entfernung, kein Hörvermögen links, leichter Schwindel, Augenprobleme links.
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Re: ANGST nehmen und verarbeiten

Beitrag von speedy » 23.09.2020, 21:45

Hallo Da59

Ich schaue hier nur noch sehr sporadisch vorbei, da für mich die ganze Thematik nicht mehr die höchste Priorität hat im Sinne von ich habe mich damit arrangiert und ist doch schon ganz lange her.

Trotzdem verstehe ich die Ängste vor einer Operation nur zu gut. Es gibt/gab ja verschiedene Vorstellungen vom Sitz der Seele und wenn man sie im Hirn vorordnet ist es eben schon viel näher gehend als eine OP an der Hüfte. Dementsprechend unangenehm ist die Vorstellung bezüglich im Kopf rumfummeln zu lassen. Aber wenn schon, dann würdest Du mit Prof. Tatagiba meiner subjektiven Meinung nach die kompetenteste Fummlerei erfahren.

Ich weiss nicht, wie gross der AN bei Dir ist, aber gut finde, dass Du die nötige Zeit hast bis es unausweichlich wird mit einer Gegenmassnahme. Weil sich dafür mental fit zu machen ist ein anspruchsvoller, schwieriger Job und braucht Zeit

Übrigens sind eher nur sehr hohes Alter und Übergewicht bei Operationen ein Risikofaktor. Ich hatte damals Prof. Tatagiba nach dem letzen letalen OP Resultat befragt. Er wusste es nicht mehr und ich glaube ihm das so und war wohl keine Zweckaussage. Daher kann man der OP etwas gelassener entgegen sehen.

Bezüglich Ängste wegen postoperativen Problemen. Die gibt es alle und Garantien gibt es nicht.
Positives Denken ist (siehe oben, mentale Vorbereitung) alternativlos.
Falls sich dann halt doch etwas einstellt, ist das gegebenfalls das kleinere Übel als wenn man den AN Verlauf zu Ende denkt (und es keine so fortgeschrittene Medizin gäbe)

Langer Rede, kurzer Sinn.... es gibt ein Leben auf der anderen Seite der Operation. Dieses ist individuell anders, aber definitv bewältigbar und meistens gut.

Gruss, speedy
m, 1963, Diagnose Akustikusneurinom links (ca.3*3cm) Ende Oktober 2007 / operiert in Tübingen 5. Februar 2008 von Hr. Prof. Tatagiba
Kleine Gesichtslähmung ;-) links taub mit starkem Tinnitus
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Re: ANGST nehmen und verarbeiten

Beitrag von chess » 28.09.2020, 15:47

Hallo Coa307,

ich bin im Juni 2016 operiert worden und deshalb schon ein bisschen raus aus dem Thema. Ich kann deine Angst verstehen, kann dich jedoch beruhigen. Du wirst die OP sicherlich überleben, das ist keine Frage. Ich bin in der Uniklinik Halle/Saale von Prof. Strauß operiert worden. Ich habe ihn damals im Vorfeld der OP u.a. gefragt, wie hoch denn die Wahrscheinlichkeit sei, bei der OP zu sterben. Ich wuste allerdings im Vorfeld bereits, dass die Mortalitätsrate heutzutage unterhalb von 1 Prozent liegt. Prof. Strauß sagte mir damals, dass es sehr, sehr unwahrscheinlich sei, dabei zu sterben.

Ich denke, wenn überhaupt in dieser Hinsicht ein Risiko besteht, dann ist es dann, wenn schwerwiegende Vorerkrankungen bestehen. Ich denke auch, dass es wichtig ist, sich vor einer OP fit zu halten, Sport zu treiben ist also keine schlechte Idee. Das erhöht deine Widerstandskraft und du wirst nach der OP schneller wieder fit. Solch eine OP ist schon ein schwerwiegender Eingriff in den menschlichen Körper.

Es geht aber nicht nur um das Überleben der OP, sondern auch um das beste Outcome. Deshalb ist die wichtigste Entscheidung meiner Meinung nach die, dass du zu einem erfahrenen AKN-Operateur gehst. Dabei darf die Entfernung zum Wohnort keine Rolle spielen. Es gibt Operateure, die bereits einige hundert Operationen durchgeführt haben. Diese sind mit »allen Wassern gewaschen«. Ein AKN ist in gewisser Hinsicht wie eine Wundertüte. Im Vorfeld kann der Operateur nicht genau erkennen, was ihn erwartet. Ein erfahrener Operateur kann aber aufgrund seiner Erfahrung und seines Wissens viel besser reagieren, wenn Unvorhergesehenes passiert oder Probleme auftreten sollten. Er weiß eben, was er tut.

Lass dich nicht täuschen: Jede Uni-Klinik möchte gerne solch eine OP durchführen (weil sie Geld bringt) und jeder Operateur ist daran interessiert, diese OP durchzuführen (weil sie interessant und gut für die persönliche Statistik ist). Deshalb wird auch der unerfahrene Operateur seine Expertise schönreden. In dieser Hinsicht solltest du kritisch sein und wirklich nur zu einem erfahrenen AKN-Experten gehen. Dann ist die Chance auf eine erfolgreiche OP wirklich gut. Ziel muss immer die Total-Resektion des Tumors sein.

Viele Grüße und alles Gute!
chess
59 Jahre, Diagnose 04/2016: AKN rechts, 14 x 14 x 9 mm; OP am 17. 6. 2016 durch Prof. Strauß/Uni-Klinik Halle; Tumor komplett entfernt; postoperativ Facialisparese Grad 4 House/Brackmann; FP geht langsam, aber stetig zurück; rechts taub
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