Angst ist ein schlechter Ratgeber

Antworten
ANFux
Beiträge: 1052
Registriert: 14.08.2007, 19:35
Land: D
Geschlecht: m
Geburtsjahr: 1939
Wohnort: Leipzig - D

Angst ist ein schlechter Ratgeber

Beitrag von ANFux » 30.10.2007, 16:47

Liebe Forumsteilnehmer,

nach zweiwöchigem Urlaub melde ich mich wieder. Es tut mir Leid, dass ich auf einige konkrete Anreden nicht schon geantwortet habe, aber ich bin im Urlaub immer ohne PC.

(Ich habe mittlerweile einige Tippfehler beseitigt, die sich leider in die Erstfassung geschlichen hatten. Pardon, Marmott.)

Ich möchte auf die jüngsten Beiträge von Marmott, Heino und Leo eingehen, die sich mit der Angst vor der OP beschäftigten. Jeder Fall, jede Situation ist anders. Deshalb gibt es kein Patentrezept. Aber einige Hinweise sind doch angebracht.

Marmott zeigt eine bewundernswerte Einstellung. Dabei ist ihr Krankheitsverlauf nicht einmal problemlos. Aber sie hat eine Entscheidung getroffen, ist damit natürlich auch ein Risiko eingegangen, hat aber aus der Überwindung von Schwierigkeiten bei der ersten OP neue Kraft getankt, ist jetzt stärker, als wenn sie die Entscheidung nicht getroffen hätte. Ein monatelanges Zweifeln, Zögern, Umhören hätte die Situation verschlimmert. Das ist vor allem dann der Fall, wenn dazu keine Hilfestellung erfolgt, wenn keine Vertrauensperson da ist, wenn keine Frage ausreichend und glaubhaft beantwortet wird. Dann blüht der Zweifel geradezu, und alle negativen Informationen gewinnen die Überhand.

Deshalb ist es ganz wichtig, so ein Forum zu haben. Und mindestens genauso wichtig ist, einen Arzt des Vertrauens zu haben, der mitdenkt und mitfühlt und ehrlich ist – ehrlich, was den Krankheitsverlauf betrifft und ehrlich, was die Chancen der verschiedenen Therapien betrifft. Ohne so einen Arzt sollte man sich nicht auf die Therapie „Warten und Beobachten“ einlassen, denn es heißt ja zu Recht „Warten unter Beobachtung“ und nicht einfach „Abwarten“.

Betrachtet man einmal allein den „Akt“ der Operation, so sollte man davor eigentlich gar keine Angst haben. Man spürt doch nichts. Die Narkosetechnik ist heute so perfekt, man bleibt im Koma, um das Aufwachen so beschwerdefrei zu machen, wie es erforderlich ist. Im Tropf, an den man eine Zeit lang hängt, sind Antibiotika und Schmerzmittel, man wird intensivst während der OP und danach bewacht....
Die größten Gefahren liegen heute auf dem Gebiet der Infektionen während und nach der OP. Garantiert ist allerdings gar nichts!!! Denn auch bei bzw. nach einer Blinddarm-OP kann man infiziert werden. Doch hier kann man mit einer guten Klinikrecherche gut vorbeugen (siehe auch Qualitätsberichte). Viele Kliniken stellen die Vermeidung von Infektionen mittlerweile in den Mittelpunkt Ihrer Bemühungen.

Ich hatte nach der OP weder Schmerzen im Kopf noch Schmerzen an der Narbe. Der Drainageschlauch wurde nach einigen Tagen problem- und schmerzlos entfernt. Nach zwei Tagen stand ich vor dem Bett und begann mit dem Physiotherapeuten zu arbeiten, besser gesagt: er mit mir.

Die Chancen (man wird bemerkt haben, dass ich nur davon spreche, aber ich weiß wohl, dass jede Chance auch ein Risiko hat), nach der OP ein beschwerdefreies Leben zu führen, hängen natürlich auch davon ab, inwieweit das AN schon schwerwiegende Veränderungen bewirkt hat. Ein verlorengegangenes Gehör z.B. lässt sich auch durch eine noch so gut gelungene OP nicht wiederbringen. Aber man muß auch Realist sein: Die Chance, das Gehör auf dem betroffenen Ohr mit 50 % Wahrscheinlichkeit zu erhalten, bedeutet doch schon sehr viel. Es geht um EIN Ohr, das andere hört doch noch! Das sieht natürlich der Musiker anders als der Handwerker, aber es ist eine 50-prozentige Chance, nicht nur ein 50-prozentiges Risiko! Es ist aber auf jeden Fall ein Risiko, den Tumor noch sehr lange im Kopf zu lassen, weil sich dann das Gehör irgendwann verschlechtern wird und der Hörerhalt bei einer OP bei einem bereits stark geschädigten Hörnerv nicht wahrscheinlicher wird.

Zu anderen Problemen nach einer OP schreibe ich bald in der Rubrik Lebensqualität ... Dort werde ich auch meine persönlichen Erfahrungen darlegen.

Ich wünsche allen Forumsteilnehmern alles Gute und eine Portion Mut und Entscheidungsfreude.
ANFux
1939, m. '94 transtemp. OP (15 mm) in Magdeburg/Prof. Freigang, einseitig taub, kein Tinnitus, keine Fazialispar. Rehakur in Bad Gögging. '96-'04 im Vorstand d. VAN in D, seitdem Beratungen zum AN. Ab '07 Moderator, ab '08 Homepage-Verantwortl.(bis 2012)
Antworten