Mein AN - mein Weg

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Scotsman
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Mein AN - mein Weg

Beitrag von Scotsman » 20.03.2019, 08:40

Es drängt mich, meine Erlebnisse hier am AN Portal zu teilen, obwohl ich mich nicht zu den passionierten Foren-Schreibern zähle. - Aber von Anfang an: Herbst 2018. Einseitige Ohrgeräusche im Sinne von Rauschen und Zischen hatte ich schon länger, aber immer unter der gewissen Schwelle, die mich vielleicht hätte früher aktiv werden lassen. Meine Frau hat mich letzten Sommer dezent motiviert, einen HNO Arzt aufzusuchen. Zunächst dachte ich, die Sache sei mit einer kurzen Ausspülaktion erledigt, doch der Arzt misstraute meinem Ohr und schickte mich zum MRT.

Das MRT in Kombination mit dem Kontrastmittel offenbarte ganz schnell das wahre Ausmaß des Akustikusneurinoms: Ca 20mm, rund gekapselt, und schon signifikant in die Schädelgrube in Richtung Kleinhirn gewachsen. Diesen Tumor hätte ich mindestens 10 Jahre schon in mir.

Analyse. Ok dachte ich mir, das ist also meine aktuelle Herausforderung - wie kann ich damit umgehen? Welche Möglichkeiten gibt es, welche Vorteile und Nachteile, sowohl kurz- als auch längerfristig, welche Chancen und Risiken ergeben sich jeweils aus den Behandlungsvarianten? Mir wurde Prof. Dr. Arnoldner empfohlen, ein HNO Arzt mit eigener Praxis, aber auch am AKH in Wien tätig. Er präsentierte mir einen Entscheidungsbaum, der alle meine Fragen beantwortete. Ich war sehr froh, ein vertrauensvolles und inhaltsreiches Gespräch zu führen, das mir sofort die subjektive Sicherheit gegeben hat: Ja, es gibt ein Team an Spezialisten die das können, und ja: Das Team ist hier in Wien.

Entschluss: Gamma Knife scheidet für mich aus: Risiko eines Ödems nach der Bestrahlung sowie Rezidiv Bildung, das zudem später wegen der strhlungsbedingten Vernarbungen umso schwieriger operativ zu entfernen wäre. Die erste Wahl ist damit die operative Entfernung auf der Neurochirurgie am AKH in Wien. Ausgerüstet mit meinen MRT Bildern ging ich auf die Ambulanz der Neurochirurgie und lernte dort Prof. Matula kennen. Es war ein sehr persönliches vertrauensvolles Gespräch und ich fühlte mich innerlich sofort wohl mit dem Gedanken, das er mich operieren würde.

Zeitsprung - Jänner 2019. Ein Anruf am Handy. Sofort ins AKH kommen, meine OP wäre am nächsten Tag. Ich war vorbereitet: OP Freigabe, Bluttests, EKG etc. alles war bereit positiv erledigt. Die Spannung stieg. Schnell packte ich alles zusammen, für tiefgründige Gedanken blieb kaum Zeit. Neurochirurgie am AKH – eine Universitätsklinik. Schon auf den Gängen waren die Poster der wissenschaftlichen Veröffentlichungen ausgestellt. Dann ging es los: Blutabname, ein weiteres MRT und ein CT, und dann: Noch einmal schlafen vor der großen OP.

Es geht los. Am folgenden Tag ging es zeitig in der Früh los. Ich wurde in einen futuristisch anmutenden OP geschoben. Ich war innerlich angespannt, und gleichzeitig neugierig, all die High-Tech Geräte zu sehen. Hinter mir stand das Herzstück des OPs, das Mikroskop. Unglaublich, am liebsten würde ich bei meiner eigenen OP zusehen. Die Neugierde überlagerte das Angstgefühl total. Das Team wurde mir vorgestellt und ich wechselte mit einigen noch ein paar Worte. Die Konversation endete ziemlich schnell mit der Narkosemaske, die mir die Anästhesistin aufsetze. Rund 7 Stunden später wachte ich auf. Der Professor beugte sich über mich und meinte: Ich habe Ihr AN restlos entfernt, der Gesichtsnerv ist ok, und wir haben sogar das Gehör retten können! Das war eine fantastische Nachricht, und ich fiel in einen tiefen Schlaf bis zum nächsten Morgen.

Nach einer sehr angenehmen Woche auf der Station wurde ich nach Hause entlassen. Ich konnte mein Glück gar nicht fassen: Das Gesicht funktionierte einwandfrei! Mein linkes Ohr fühlte sich noch ziemlich taub an – was ich aber in den folgenden Wochen stark bessern würde, mittlerweile telefoniere ich auf dem Ohr auch wieder. Dann war noch der Schwindel. Direkt nach der OP konnte ich nur mit Hilfe aufstehen. Der Schwindel war sehr stark. Insbesondere bei Kopfbewegungen links/rechts verlor ich zunächst komplett das Gleichgewicht.

Zum weiteren Verlauf: Es folgten 5 Wochen Krankenstand zu Hause. 2 Wochen nach der OP: Kurze Erledigungen wie Supermarkt und Apotheke, danach erschöpft. Hören und Sehen waren irgendwie noch unsynchron. Ich fühlte mich als zu Fuß gehender Verkehrssteilnehmer noch unsicher. 3 Wochen nach der OP: Etwas längere Spaziergange, zum ersten Mal wieder ins Cafe! Ausruhen erst am Nachmittag. 4 Wochen nach der OP: Wanderung im Wienerwald. Nach dieser Wanderung verbesserte sich mein Gleichgewichtsgefühl signifikant. Mittlerweile spürte ich den Schwindel nur noch Abends, wenn ich müde wurde. 6 Wochen nach der OP: Wiedereinstieg in meinen Job – inzwischen ist die OP rund 2 Monate her und ich habe meine normale Verfassung wieder erlangt, und nicht nur das: Es kommt eine innerliche Entspannung dazu, es geschafft zu haben. Mittlerweile sieht man selbst die Narbe, die sich parallel zum linken Ohr am hinteren Schädel erstreckt, kaum noch. Nur noch leises gleichmäßiges Ohrenrauschen, das bei Vorhandensein eines Hintergrundgeräusches, etwa einer Büro-Klimaanlage, subjektiv nicht mehr wahrnehmbar ist.

Mein Fazit. Meine subjektiven, sicher nicht verallgemeinerbaren Learnings: Keine Panik. Überlegen. Entscheidungsbaum recherchieren. Chancen und Risiken, auch die längerfristigen, verstehen lernen. Wer sind die echten Spezialisten? Fragen stellen. Wem vertraue ich? Nach der OP sich selber herausfordern und jeden Tag ein wenig steigern. Trotzdem: Kein Stress, viel Schlaf regeneriert den Körper.

Nachsatz. Professor Arnoldner verdanke ich, rasch die für mich richtige Entscheidung gefunden zu haben. Professor Matula verdanke ich mein zurückerlangtes beschwerdefreies Leben durch seine geniale OP. Last not least: Ohne die sanfte Motivation meiner Frau wäre ich gar nicht zum Arzt gegangen. Ein großes Danke an alle!

https://www.akhwien.at/default.aspx?pid=194
https://www.hno-arnoldner.at/
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