Ratlosigkeit bei äußerst komplexem Krankheitsbild
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Ratlosigkeit bei äußerst komplexem Krankheitsbild
bevor ich meine Geschichte erzähle, möchte ich all jenen meinen Dank aussprechen, die durch ihre Beiträge mein Wissen über meine Krankheit genährt und vermehrt haben. Ich bin tief beeindruckt, mit welcher Hingabe viele, insbesondere ANFux und snowdog, sich ihrer selbst auferlegten Aufgabe widmen, den Betroffenen bestmögliche Unterstützung angedeihen zu lassen und einen auf Vertrauen und Erfahrung basierenden Austausch wichtiger - oft sogar lebenswichtiger - Informationen zu ermöglichen.
Ich war selbst zwei Jahrzehnte in der Offenen Tür Erlangen ehrenamtlich als Beraterin tätig, und weiß, wieviel Empathie vonnöten ist und wieviel Kraft es kostet, Menschen zu helfen versuchen, die sich in einer schwierigen Lebenssituation oder in einer seelischen Notlage befinden.
Mit Unterstützung meines Mannes habe ich fleißig recherchiert, konnte bis jetzt aber keinen einzigen Fall ausfindig machen, der ein gleiches oder wenigstens ähnliches Krankheitsbild aufweist.
Im Folgenden habe ich alles, was mir wichtig schien, zu "Papier" gebracht.
Wer sich meine detaillierten Ausführungen nicht zumuten möchte, könnte ja vielleicht einen Blick auf den letzten Absatz werfen.
Seit etwa 20 Jahren leide ich an Depressionen, die ich aber durch die regelmäßige Einnahme eines SSRI bis 2015 gut in den Griff bekam.
Im August 2015 zog ich mir durch einen Sturz, vermutlich bedingt durch eine plötzliche Ohnmacht, ein schweres Schädel-Hirn-Trauma mir retrograder Amnesie zu.
Im nativ durchgeführten Notfall-CCT ergab sich kein Nachweis einer intracraniellen Blutung oder Raumforderung, kein fassbares Korrelat eines frischen ischämischen Insultes, kein Anhalt für Liquorzirkulationsstörung.
Auch für eine kardiale Ursache gab es in einer wenig später erfolgten Untersuchung keinen Hinweis.
Ab Herbst 2016 hatte ich mit Symptomen zu kämpfen, die ich der Einnahme meines Antidepressivums zuschrieb, nämlich vornehmlich Gangunsicherheit und Gedächtnisstörungen.
Als sich diese Symptome nach dem Absetzen des Medikaments noch verstärkten und noch eine Blasenstörung hinzukam, wurde Anfang Dezember eine MRT am Neurocranium unter besonderer Berücksichtigung der hinteren Schädelgrube veranlasst. Diese führte im Wesentlichen zu folgendem Befund: ..... Kein Hydrozephalus. Äußere Liquorräume regelrecht geweitet. Kein Hinweis auf eine Liquorzirkulationsstörung. .... Läsionen im Marklager peri- und subventrikulär beidseits. ...1,2 x 1 x 1,2 cm große Raumforderung im Kleinhirnbrückenwinkel links angrenzend an den 8. Hirnnerven, mit einem Akustikusneurinom vereinbar; weiterhin eine 0,6 x 0,4 cm sagittal gemessene Formation frontal rechts an die Falx cerebri angrenzend mit deutlichem KM-Enhancement, mit einem Meningeom vereinbar ...
Nachdem ich die aufschlussreiche Frage des Radiologen:"Warum kommen Sie jetzt erst?" einigermaßen verdaut hatte, stellte ich mich in der Neurochirurgie der Uni-Klinik Erlangen vor und fiel dort aus allen Wolken:
Das Erscheinungsbild der Hakim-Trias (Gangunsicherheit, mentale Defizite, imperativer Harndrang) und die in der Bildgebung deutlich sichtbare Ventrikelerweiterung (bei axialen T2-gewichteten MRT-Schichten) lassen nach Ansicht der dortigen Ärzte mit 99%-iger Sicherheit auf einen Normaldruckhydrozephalus (NPH) schließen, der angeblich durch die Eiweißproduktion des AN verursacht wird.
Eine Ende Dezember unter der Leitung von Prof. Dr. Rössler, Spezialist für AN-OP, ebenda durchgeführte Lumbaldrainage (Tuohy-Drainage) über ca. 40 h erhärtete den Verdacht auf einen NPH zunächst jedoch nicht, da keine Besserung des Schwankschwindels sowie der kognitiven Fähigkeiten eintrat.
Die Untersuchung des Liquors erbrachte nach Aussage des Arztes negative Ergebnisse in Bezug auf Alzheimer, Parkinson, HIV oder Borreliose, doch mit 678 mg/l einen deutlich erhöhten Anteil von Eiweiß (bei einem Referenzbereich von 150 - 450).
Etwa ab dem 10. Tag nach dem Liquorablassversuch war jedoch eine stetig zunehmende Besserung der Beschwerdesymptomatik feststellbar: So konnte ich wieder zügig ausschreiten, die Gleichgewichtsstörungen reduzierten sich und blieben schließlich ganz aus und meine ursprünglichen geistigen Fähigkeiten stellten sich wieder ein; auch die Blasenstörung war behoben.
Das Kribbeln in den Armen und das Brennen in der Brust, welches an manchen Tagen schier unerträglich ist, scheint eher auf eine Depression und/oder die Einnahme diverser Antidepressiva oder aber eine Hyperthyreose (nach 1985 erfolgter subtotaler Strumaresektion) zurückzuführen zu sein als auf wieder zunehmenden Liquorstau. Ob dies auch für die leichte Ödembildung meiner linken Wange gilt oder ob sich hier das Schwannom "bemerkbar" macht, wer weiß das schon?
Prof. Dr. Buchfelder, Direktor der Neurochirurgie Erlangen, schlug vor, zunächst einen VP-Shunt zu legen, also einen Schlauch, der Hirnwasser in die Bauchhöhle ableitet. Alternativ könne man jedoch auch zuerst den Tumor entfernen. Doch sei es sehr unwahrscheinlich, dass es dann zu keinem Liquorstau mehr kommt.
Der Gedanke an einen unter der Haut entlang geführten und somit tastbaren, eventuell Komplikationen verursachenden, suboptimal funktionierenden und noch dazu beschränkt haltbaren Schlauch erfüllt mich mit Grausen.
Momentan tendiere ich zu folgendem Prozedere:
- Da die Wahrscheinlichkeit, dass Schwannome bei Personen meines Alters noch wachsen, wohl nicht sehr hoch ist, zunächst abwarten und ca. 6 Monate nach der ersten MRT sich einer zweiten unterziehen
- Falls sich das AN nicht vergrößert hätte und bis dahin
a) nichts auf einen weiteren Liquorstau hindeuten sollte > warten und hoffen, dass dies so bleibt.
b) sich Anzeichen einer Hakim-Trias ergeben sollten > AN-OP in der Hoffnung, dass Komplettentfernung des Tumors ohne bleibende Nervenläsionen möglich ist. Somit wäre der den Hydrozephalus verursachende Eiweißproduzent ausgeschaltet und es bestünde die Chance, dass sich nun der Liquorstau auflösen würde. Vielleicht könnte auch eine weitere Punktion zum gewünschten Ergebnis führen, so dass der Shunt überhaupt überflüssig wäre.
- Sollte sich während der AN-OP herausstellen, dass eine Exzision in toto nicht möglich ist, ohne irreparable Schäden zu verursachen, soll der Operateur die äußere Kapsel des Tumors belassen.
Ausnahme: Eine dauerhafte Schädigung des N. cochlearis und die daraus resultierende Taubheit auf einem Ohr wäre hinzunehmen.
- Sicherlich besteht die Gefahr, dass selbst nach Total-OP ein NPH nicht zu verhindern ist. Erst recht ist nach partieller Entfernung des Tumors damit zu rechnen, dass das AN wieder wächst und dann durch seine Eiweißproduktion erneut ein Liquorstau entsteht.
In diesem Fall bliebe dann als letzte Konsequenz das Legen eines (gravitationsgesteuerten?) VP-Shunts.
Wegen der Komorbidität ist es sicher schwierig, eine sichere Diagnose zu stellen, da durch die Einnahme von Antidepressiva die gleichen oder ähnliche Symptome auftreten können wie bei einem NPH, also vornehmlich Gangunsicherheit, Schwindel und demenzielles Syndrom.
Was mich hauptsächlich so umtreibt:
1) Ist das Meningeom, das von Ärzten weiter überhaupt nicht beachtet wurde, wirklich nur von zweitrangiger Bedeutung?
2) Nach der Weißen Liste wurden 2015 in Erlangen 51 und in Würzburg 95 Eingriffe wegen Hirn- und Rückenmarkstumoren vorgenommen. Wie viele AN-OP waren da wohl dabei? 10? 20? 30? Das scheint mir nicht allzu viel zu sein!
Andererseits habe ich nicht den Nerv, von Pontius bis Pilatus zu fahren, um mir weitere Meinungen einzuholen.
Hat jemand Erfahrungen mit den Neurochirurgen der Unikliniken Erlangen und Würzburg?
3) Nach Aussagen der von mir bisher kontaktierten Ärzte ist die Implantation eines VP-Shunts heutzutage Routine. Ein Shunt hat aber durchschnittlich nach fünf Jahren ausgedient, und ein neuer kann in meinem Alter angeblich nicht mehr eingesetzt werden. Was dann?
Wer hat "am eigenen Leib" Erfahrungen mit solch einem Shunt gesammelt?
4) Meine seit Wochen währende Depression macht mir zur Zeit am meisten zu schaffen und lässt meine anfängliche Aufregung über die entdeckten Tumore und den vermuteten Liquorstau in den Hintergrund treten.
Liebe Forumsmitglieder,
hat jemand von euch eine ähnliche Krankengeschichte aufzuweisen?
Viele Grüße
Annima