8 Wochen nach Op in Bielefeld

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tmhan
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8 Wochen nach Op in Bielefeld

Beitrag von tmhan » 28.10.2013, 22:26

Knapp acht Wochen nach meiner Op in Bielefeld durch Professor Sepehernia am 4.9. möchte ich dem Forum wieder kurz berichten. Ich habe nach sieben Wochen wieder angefangen zu arbeiten (als Kinderarzt in einer Klinik) - nach dem „Hamburger Modell“: Zwei Wochen lang arbeite ich 2 Stunden am Tag, dann 2 Wochen 4 Stunden pro Tag, so lange bin ich auch arbeitsrechtlich noch krank geschrieben. Dann will ich wieder mit voller Stundenzahl arbeiten. Bisher halte ich mich überwiegend am Schreibtisch auf, das geht, aber wenn ich mich danach nicht ausruhe, treten Kopfschmerzen, Schwindel und Druckgefühl/Rauschen im Innenohr verstärkt in Erscheinung.

Das sind die drei wesentlichen Symptome, die mich beschäftigen. Ich nehme keine Schmerzmittel, aber die Kopfschmerzen sind doch jetzt manchmal ein echtes Problem, z.B. beim Bücken. Der Schwindel (besonders bei schnellen Kopfbewegungen habe ich das Gefühl, mein Gehirn „schwappt hin und her“) hat mich bisher noch davon abgehalten, Fahrrad oder Auto zu fahren. Etwas weniger problematisch empfinde ich den Hörverlust (ich höre weiter praktisch nichts auf der operierten Seite) und das Druckgefühl, verbunden mit mäßigem Rauschen im Innenohr.

Zunehmend kommt mir aber die Überzeugung, dass ich mit diesen Einschränkungen werde leben müssen. Das war mir schon seit einigen Wochen klar, was das Hören betrifft, aber jetzt nehme ich auch an, dass ich bis zu einem gewissen Grad lernen muss, zeitlebens mit dem Schwindel umzugehen (hier ist noch eine langsame Besserungstendenz). Das hatte ich nicht erwartet. Deshalb ist es auch gut, dass ich in der letzten Woche noch eine Reha (ab 6.1.2014) in Bad Segeberg genehmigt bekommen habe. Ich erwarte davon neben einer gezielten Beratung und Hilfe bezüglich Schwindel, Hören und Kopfschmerzen auch, daß ich lerne, mit diesem neuen Leben und seinen Einschränkungen zurecht zu kommen.

In den ersten Wochen nach der Op waren meine Gefühle und Gedanken vor allem bestimmt von der Angst von einem anhaltenden Liquorleck. Ich hatte ja nach der Op (vermutlich) eins und habe bis ca. sechs Wochen nach der Op noch ständig eine feuchte Nase gehabt, und es sammelte sich immer wieder Flüssigkeit dort. Ich habe dann noch einmal einen „Betatrace“-Test gemacht, eine recht spezifische Untersuchung, ob sich in der Nasenflüssigkeit Liquor befindet, und der fiel negativ aus. Das mit der Flüssigkeit ist in den letzten zwei Wochen viel besser geworden. Ich nehme nunmehr an, dass die feuchte Nase auf eine Reizung des Nervus intermedius durch die Operation zurückzuführen war. Dieser Nerv, ein Ast des Nervus facialis, liegt im inneren Gehörgang zwischen dem Facialisnerv und dem Gleichgewichts-/Hörnerven und stimuliert u.a. die Sekretdrüsen in der Nasenschleimhaut. Den Hinweis darauf hatte auch Professor Sepehernia mir schon vor vielen Wochen gegeben, aber meine Angst vor dem Liquorleck hatte mich das lange verdrängen lassen. Ich schreibe das so ausführlich, weil andere sich damit vielleicht Sorgen ersparen können. Wenn die Feuchtigkeit eher einen „Film“ bildet und nicht in großen Tropfen fliesst, wenn sie eher in Phasen der Entspannung und ängstlicher Selbstbeobachtung und weniger in Phasen der Ablenkung, Aktion und Anstrengung auftritt, sollte man an den Nervus intermedius denken (die Nasenfasern sind nämlich „parasympathisch“).

tmhan
tmhan: m, *1954, gesch., 2 Kd. (*1994 und 2000). Seit 2009 Hörminderung re., 10/2012 Diagnose: intrameatales AN re. 5/2013: 12 mm. Op bei Prof. Sepehernia 9/2013: AN entfernt, Fazialis erhalten, Hörverlust rechts. Liquorleck, Drainage.
snowdog
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Re: 8 Wochen nach Op in Bielefeld

Beitrag von snowdog » 29.10.2013, 01:49

Hallo tmhan,

wenn das Allgemeinbefinden es zulässt, ist die stufenweise
Wiedereingliederung aus mehreren Gründen ein zu favorisierender Weg.

Im Gegensatz zu festgelegt abgegrenzten Zeiträumen (KH-Aufenthalt
nach OP, REHA/AHB, Wiederaufnahme der Berufstätigkeit) ist ein
"Herantasten" möglich - behutsame Steigerung der Alltagsbelastung mit
Rückkopplung, während parallel der Heilungsprozess weiter fortschreitet.
Bei aufmerksamer Beobachtung und ggf. gegebener Korrektur-
möglichkeit (Pausen, Schonung/Ruhephasen) ist damit auch ein guter
Umgang mit Ängsten, Befürchtungen und Unsicherheiten möglich.

Vorhersagen über künftige Einschränkungen 8 Wochen nach einer AN-OP
sollten allerdings kaum Endgültigkeit besitzen - die meisten Symptome
verändern sich im fortgesetzten Heilungsprozess bzw. entwickeln sich
unterschiedlich.

Kopfschmerzen, Schwindel, Druckgefühl/Rauschen - dies sind Anzeichen,
die mit Belastungen einhergehen. Völlig normal, dass diese bei Rückkehr
in den Arbeitsalltag zu beobachten sind. Du tust gut daran, diesen
"Warnmeldungen" Aufmerksamkeit zu schenken - es sind Signale, die
auch auf eine eingeschränkte Belastbarkeit hinweisen. Wenn Pausen und
sich ausruhen bereits genügen, um Symptome zu mildern oder ganz zu
vermeiden, hast Du bereits eine komfortable Ausgangsposition. ;)

"Keine Schmerzmittel" darf man dazu zählen - wenn Du so über den Tag
kommst, sind sporadische Kopfschmerzen, die bei bestimmten Anlässen
auftreten (Bücken, schnelle Bewegung, Kraftaufbau) im Zusammenhang
mit dem Heilungsprozess zu sehen. Das ist alles noch zu frisch, um als
dauerhaft beurteilt zu werden. Dies gilt auch für das "Gefühl des
hin- und herschwappenden Gehirns" - als unangenehm empfunden und
ungewohnt ist es vordringlich ein Phänomen, das dem frühen postoperativen
Stadium zuzurechnen ist (wird besser bzw. lässt nach).

Schwindel ist ein "spezielles" Phänomen und noch schwerer allgemeingültig
zu erklären - einige Besserung ist durch die Kompensation zu erwarten
(sollte der Vestibularis beschädigt/durchtrennt worden sein), ein Teil
geht mit Gewöhnung einher, manches bleibt dauerhaft eingeschränkt und
man muss sich im Lauf der Zeit damit arrangieren (...wobei auch hier ein
Grad der Gewöhnung eintritt).

Problematisch können selbstgesetzte Parameter werden, die sich
in Sätzen wie "Dann will ich wieder mit voller Stundenzahl arbeiten" oder
"Zunehmend kommt mir aber die Überzeugung, dass ich mit diesen
Einschränkungen werde leben müssen...Das hatte ich nicht erwartet."
widerspiegeln. Auch wenn die konkrete Situation nach einer OP erstmal
erfahren werden muss, sie wird im Zweifel keine Rücksicht auf persönliche
Zielsetzungen oder gar Erwartungen nehmen.

"Ergebnisoffen" würden es Politiker nennen - die Situation gilt es zu
bewerten und aufmerksam zu beobachten. Und bestimmte Erwartungen
u.U. als Maximalforderung zurechtzurücken. Dabei kann helfen zu
akzeptieren, dass eine erfolgreiche AN-OP quasi immer eine Zäsur
im Leben darstellt.

Sehr hilfreich empfinde ich den Hinweis im Zusammenhang mit der
Liquorproblematik und dass hier eine andere Ursache als ein Leck
dahinterstecken kann. Da Liquoraustritt nach OP-Verschluss eine
bekannte Symptomatik ist, mit der sich einige Operierte hier im Forum
konfrontiert sahen, ist die Unterscheidung wichtig: Tropfen, die einfach
aus der Nase laufen, deuten auf Liquor hin. Feuchtigkeit kann
eine Begleiterscheinung sein (Nervenstimulation, aktivierter Sekretfluss
z.B. bei Kopfschmerzen). Die Untersuchung auf Zuckergehalt gibt
hier Aufschluss.

Gute Besserung weiterhin und alles Gute.

Beste Grüße
snowdog
snowdog (Moderator seit 4.12) Jg.62,m,verh.,2 Söhne,
AN re.5x8 mm,n-c. suboccipital AN-OP in Offenbach 4.08,
postoperativ Liquorfistel,keine Fazialisparese, einseitig taub,chron.Kopfschmerzen,jährl.Kontroll-MRT f.d.ersten 5 J.
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Re: 8 Wochen nach Op in Bielefeld

Beitrag von Alinah » 29.10.2013, 17:40

Hallo und guten Abend
VIelen lieben Dank für Deine ausführliche Erklärung betr. Nasenflüssigkeit.
Ich wurde am 6.6. von Prof. Sepehrnia operiert und es geht mir sehr gut
aber hatte genau die gleichen Probleme wie Du mit Schwindel und Druck
und Rauschen im Kopf aber das verging wirklich bei mir von Tag zu Tag mehr
und jetzt nach bald 5 Mte habe ich gar nichts mehr. Auch beim schnellen
drehen vom Kopf nach links und rechts. Nur meine Nase läuft immer sobald
ich etwas esse, nach dem ersten Biss oder hinunterschlucken läuft die Nase
und laut dem Chirurgen sei dies normal und werde sich erholen. Du hast
das wunderbar erklärt und es beruhigt mich sehr. Vielen lieben Dank dafür.
Alles Liebe für Dich und weiterhin gute Genesung Du wirst sehen der Schwindel
und das Rauschen wird auch bei Dir vergehen.
Herzliche Grüsse
45 J. alt, männlich, AN 25 mm, links, diagnost. 18.12.2012,Hörsturz, Jan./April 2012, OP 06.06.2013 durch Prof. Dr. A. Sepehrnia, Klinik St. Anna in Luzern/Schweiz,Gehör erhalten,leichter Tinnitus,leichter Schwindel,leichte Facialisparese,trocknes Auge
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Re: 8 Wochen nach Op in Bielefeld

Beitrag von tmhan » 29.10.2013, 22:32

Hallo Alinah!

Genau: Essen ist auch ein Reiz für parasympathische Nerven und kann den Nervus intermedius stimulieren!

Vielen Dank für Deinen beruhigenden Kommentar zu Schwindel, Druckgefühl etc..

tmhan
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Re: 8 Wochen nach Op in Bielefeld

Beitrag von Dezi » 30.10.2013, 11:54

Hallo tmhan,

8 Wochen nach meiner OP sah es auch so aus wie bei Dir. Ich erinnere mich daran, dass ich mich auf einer Fahrradtour nach meiner hinter mir fahrenden Tochter umsah und sofort "in die Büsche" fuhr - heute fahre ich völlig sicher Fahrrad. Mit dem "Gehirnschwappen" (ich hatte es immer so beschrieben, dass man den Kopf wendet, aber der Blick "hinterher zog") ist es genau so - alles wieder i.O.. Bei scharfem Essen brauche ich immer noch ein Taschentuch - das wird sich wohl bei mir nie ändern....

Es ist ein langsamer Heilungsprozess, aber Du darfst Dir berechtigte Hoffnungen machen, dass innerhalb von 3 Jahren fast alles so, wie es vor der OP funktionierte, wiederhergestellt wird.

Gruß und gute Besserung weiterhin
Dezi
Jg.63,m.,verh.,1 Kd.,ANre 19mm x 21mm x 8mm, OP15.02.11 AK Heidberg (Hamburg) Prof. Dr. Kremer, Gehör re minimal verblieben,Postop. Meningitis, Krankenhausaufenth. 5 Wochen,nach 3 1/2 Jahren nur noch sehr geringe Gangunsicherheiten
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