OP in Tübingen statt in Wien - Erfahrungsbericht

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Aviva
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OP in Tübingen statt in Wien - Erfahrungsbericht

Beitrag von Aviva » 29.09.2010, 14:40

Ich möchte heute meine Geschichte erzählen.

Ich bin 24 Jahre alt, also noch sehr jung für ein AN. Als ich 17 war hab ich langsam bemerkt, dass ich rechtsseitig schlecht höre, also bin ich zu meiner ersten HNO Ärztin gegangen, der mir sagte, dass der Gehörtest ergeben hat, dass ich schlecht höre (ach wirklich!) aber sie weiß nicht warum. Ich musste erst mal um eine Überweisung zu einem MRT kämpfen, weil sie so blöd herumgedruckst hat, von wegen "naja das muss man extra von der Krankenkasse bewilligen lassen, und die zahlen das so ungern" usw. Also ich hab das MRT gemacht und man konnte tatsächlich ein winziges AN entdecken (etwa 4mm DM), die HNO Ärztin hat mich natürlich nie wieder gesehen.

Ich habe mich dann 2004 entschlossen, mich in Salzburg in der HNO Abteilung operieren zu lassen, weil es zu dieser Zeit dort eine sog. Akustikusneurinom Ambulanz gab und ich mir dachte, dass sie dort darauf spezialisiert seien. Naja. Das Ergebnis dieser OP war, dass sie das AN nicht entfernt haben, weil sie es nicht gefunden haben. Stattdessen ist ihnen beim Aufmachen eine Gefäßschlinge ins Auge gesprungen, die von einer Gehirnarterie gebildet wird. Da haben sie sich nicht rangetraut, die anzutasten also haben sie mich - im Grunde ohne irgendetwas verändert zu haben - wieder zugemacht und mir die Diagnose gestellt, dass ich doch kein AN habe, sondern eben diese Gefäßschlinge und dass man das vorher auf den Bildern nicht genauer erkennen hätte können, aber jetzt wo man es weiß, ist es klar. Also das gute daran wäre, dass eine Schlinge nicht wachsen kann und dass man mit soetwas locker 100 Jahre alt werden kann, aber man kann es halt nicht entfernen, also ich müsste halt jetzt mit dieser Schlinge leben.

Soweit so gut, bis ich im Juni diesen Jahres ein neues MRT gemacht habe und siehe da - die Diagnose lautet wiederum Akustikusneurinum mit einem DM von mittlerweile 1 cm! Bumm, das war natürlich ein harter Schlag. Daraufhin war ich bei einem persönlichen Gespräch beim Chefarzt der Neurochirurgie in der Wiener Rudolfstiftung, weil ich von vielen Seiten gehört habe, dass hier die besten Ärzte für AN seien. Von den 3 Möglichkeiten warten, Bestrahlung oder OP hat mir Dr. Kleinpeter ganz eindeutig zu einer OP geraten, denn da ich mittlerweile rechts ganz ertaubt sei und das ja das größte Risiko bei einer OP sei, das Gehör ganz zu verlieren, habe ich ja in diesem Sinne nichts mehr zu verlieren und bei einer Bestrahlung meinte er, kann man sich nie sicher sein, was von dem guten Gewebe nicht noch alles weggestrahlt wird, also vielleicht kriegt auch der Fazialis was ab, also auf jeden Fall: OP. Das klang für mich einleuchtend, also hab ich mir sogar schon einen OP Termin ausgemacht, wollte dann aber doch auf Nummer sicher gehen und mir eine 2. Meinung einholen, also bin ich zu Dr. Knosp vom Wiener AKH gegangen. Der wiederum hat mir gesagt, dass für ihn der Fall ganz eindeutig liegt: Bestrahlung mit dem Gamma Knife, weil der Fazilis sicherlich nicht beeinträchtigt wird und die ganzen Restrisiken einer OP wegfallen. So, da war ich nun mit 2 komplett gegensätzlichen Meinungen und einem anstehenden OP Termin in nunmehr 4 Tagen. Also hab ich mich mal vors Internet gesetzt und zu recherchieren angefangen und bin Gott sei dank auf die IGAN und auf dieses tolle Forum gestoßen! Ich hab mich mal durch alles durchgelesen, durchgekämpft und bin immer wieder über Dr. Tatagiba in Tübingen gestoßen, also hab ich mir gedacht, naja ich schreib ihm einfach mal kurz eine Mail und vielleicht kann er mir anhand meiner Fakten sagen, ob er mir zu einer OP oder Bestrahlung raten würde. Leider war er zu dem Zeitpunkt auf Urlaub, aber seine Sekretärin Frau. Noetzelmann war sehr sehr nett und hat mir angeboten, dass ich ihnen doch die Bilder schicken soll, damit sich das ein andere Arzt anschauen kann, um mir einen Rat zu geben. Und dann dachte ich mir, jetzt habe ich zwangsweise 6 Jahre zugewartet, das AN ist gewachsen, jetzt kann ich den bevorstehenden OP Termin auch noch um kurze Zeit verschieben. Ich war so durcheinander, dass ich mit dieser unsicheren Einstellung keine Kopf – OP machen wollte, also hab ich den Termin in der Rudolfstiftung abgesagt und mir einen Sprechstunden- Termin bei Dr. Tatagiba in Tübingen ausgemacht. Eine gute Entscheidung.

Dr. Tatagiba ist wirklich ein sehr guter, kompetenter, netter Arzt. Er riet mir in meinem Fall auch zu einer OP und er war auch der erste, der sich über die Geschichte mit der Gefäßschlinge nicht wunderte, sondern diese Schlinge sehr wohl kannte, benennen konnte und sogar auf den MRT Bildern gesehen hat, was vorher noch kein anderer Arzt konnte! Er sagte, dass diese Schlinge durchaus üblich sei, und dass sie wissen, wie man damit umgeht, wenn sie einem in den Weg gerät. Dazu muss man sagen, dass der OP Zugang der Neurochirurgie ja ein anderer ist als der HNO Ärzte, und über diesen Zugang wie er bei meiner ersten OP in Salzburg gewählt wurde liegt die Schlinge einfach eher im Weg und man kann nicht effizient operieren. Dr. Tatagiba hat mir auch wirklich das Gefühl gegeben, bei ihm in guten Händen zu sein, man hört nicht mal stundenlang was alles passieren kann bei einer OP und wie gefährlich das nicht alles ist (das hört man eh noch früh genug), sondern er sagte einfach er kann das und „Sie setzen sich ja auch nur in ein Flugzeug, wenn sie wissen, dass der Pilot fliegen kann.“ Also habe ich mich entschlossen, mich von ihm operieren zu lassen, das war dann am 2. September soweit.

Bis dahin musste ich noch mit der Krankenkasse kämpfen, das ist ja eigentlich ein eigenes Kapitel wert... Die österreichische Krankenkasse zahlt nämlich nur eine OP im Ausland, wenn von einer Uniklinik aus Österreich bestätigt wird, dass so eine OP in Österreich nicht durchgeführt werden KANN. Naja, und jetzt überlegen wir mal, welcher Chefarzt der Neurochirurgie einer Uniklinik mir einen Wisch unterschreiben würde, auf dem steht, er könne so eine Operation nicht durchführen – natürlich keiner! Denn würde somit nicht jeder Arzt seine eigenen Fähigkeiten untergraben und sich selbst als schlechten Arzt hinstellen? Eben. Und man muss sich vorstellen, ich habe sogar einen neurochirurgischen Chefarzt einer Klinik kennengelernt (ich möchte hier keine Namen nennen), der mir auch empfohlen hat, zu Dr. Tatagiba zu gehen, weil er weiß, dass er ein sehr guter Arzt und ein Spezialist auf diesem Gebiet ist, aber er kann mir leider keine Empfehlung oder etwas Ähnliches für die Krankenkasse schreiben, weil er dies schon mal gemacht hat und daraufhin von der Krankenkasse eine Rüge bekommen hat, dass er sowas in Zukunft nicht mehr ausstellen soll! Also auf der einen Seite verlangt die Krankenkasse so ein Schreiben, aber auf der anderen Seite kriegt jeder Arzt, der eine Empfehlung schreibt sofort mal eine auf den Deckel, damit das Geld ja nicht ins Ausland geht. Wobei wir reden hier von Deutschland, man könnte meinen, dass es Sinn des Sozialsystems sein sollte innerhalb der EU die beste medizinische Versorgung gewährleistet zu bekommen! Gut, also ohne diesen Wisch keine Chance, die Krankenkasse interessiert es auch nicht, dass ich schon mal in Ö operiert wurde mit einer totalen Fehldiagnose, deren einzige Antwort war mehr oder weniger „sie brauchen nicht nach Deutschland gehen, in Österreich gibt es auch gute Ärtze“ - also mussten wir alle Kosten für Tübingen selbst übernehmen. Gottseidank hab ich wenigstens eine Privatversicherung, die mir einen Anteil der Kosten abnehmen wird, aber die normalen Krankenhauskosten... naja darüber werd ich wohl noch streiten müssen.

Zur OP. Die ist sehr gut verlaufen, obwohl sie schwierig war, weil Dr. Tatagiba sagte, dass der Tumor bei mir außergewöhnlich hart war, aber er hat 99% des Tumors entfernt. Das letzte Resterl hat er drin gelassen, weil es schon ganz stark mit dem Gesichtsnerv verwachsen war und ich vor der OP sagte, er solle im Zweifelsfall den Fazialis zu erhalten versuchen und nicht auf Biegen und Brechen alles entfernen. Der Gesichtsnerv hat während der OP auch ca 25 Minuten lang ganz stark gezuckt und reagiert (wird ja alles genauestens überwacht), sodass er sich schon Sorgen gemacht hat, aber ich bin aufgewacht und mein Gesicht war wie eh und je- überhaupt keine Beeinträchtigung und ich war der glücklichste Mensch auf der Welt!

Leider ist es dann nachher doch noch zu einer Komplikation gekommen, weil mir Nervenwasser durch die Nase ausgetreten ist, aber ganz wenig nur. Das ist an sich nichts Schlimmes, das Problem ist nur, wenn das Nervenwasser sich einen Weg durch das Gehirn sucht und wo anders austritt dann heißt das auch, dass Bakterien sich ihren Weg ins Gehirn reinsuchen können und dann könnte es zu Gehirnhautentzündung oder anderen schwerwiegenden Problemen kommen. Und solange das Nervenwasser im Kopf dort herumspült, wo es nicht hingehört, können die Gehirnhäute nicht wieder zusammenwachsen und das heilt dann nicht. Daher wurde mir eine Drainage in den Rücken gesetzt und ich wurde an einen sog. LiquoGuard angeschlossen, der mir innerhalb einer Woche langsam aber stetig das Nervenwasser „absaugt“ und somit die Gehirnpartien trocken legt, damit die Gehirnhäute zusammenwachsen und heilen können. Das ist die häufigste Komplikation nach so einer OP und bei mir angeblich deswegen aufgetreten, weil ich ein „gut belüftetes Gehirn“ hab, also von der Anatomie meines Gehirnknochens waren da scheinbar die Chancen höher, dass sich das Nervenwasser da irgendwo verschanzt. Alles in allem war die ganze Geschichte wirklich halb so wild, es war nur am ersten Tag unangenehm und ungewohnt, und dann wars halt nur mühsam, weil sich der Krankenhausaufenthalt um eine Woche verlängert hat.
Hinzugekommen ist, dass ich etwa 1 Woche nach meiner OP zum ersten Mal einen Tinnitus auf meinem tauben Ohr bekommen habe, deswegen haben sie mir eine Tablettenkur verschrieben, und seit ein paar Tagen ist der Tinnitus jetzt gottseidank auch weg.

Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass es für mich sicherlich die richtige Entscheidung war, nach Tübingen zur Operation zu gehen, da Prof. Tatagiba wirklich der Mann für AKNs ist! Klar, vielleicht sind sie in Wien auch gut, aber die Erfahrung, die sie in Tübingen haben, die hat man hier einfach nicht, sie haben hier selbst gesagt, dass sie das etwa 1x in der Woche operieren in Wien und in Tübingen jeden Tag! Das ist schon ein Unterschied. Jetzt muss ich nur mehr mit der Krankenkasse streiten, dass sie mir wenigstens einen Anteil zurückzahlen... wir werden sehen.
w, 32, AKN rechts 2003 entdeckt, Ertaubung innerhalb weniger Monate, OP 2004 in Salzburg mit Fehldiagnose Gefäßschlinge, AKN wächst auf etwa 1cm DM an, OP in Tübingen am 2.9.2010, keine Fazialisparese
marmott
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Re: OP in Tübingen statt in Wien - Erfahrungsbericht

Beitrag von marmott » 18.10.2010, 22:17

Liebe Aviva

ich möchte dies gerne bestätigen, weil ich dich im Spitalzimmer ja gesehen habe: "aber ich bin aufgewacht und mein Gesicht war wie eh und je- überhaupt keine Beeinträchtigung und ich war der glücklichste Mensch auf der Welt!"

Herzliche Grüsse :lol:
Marmott
w, 1971, 2007 AN r., 4.2 x 3 x 4cm, 2x OP in Bern in 2007, 1.8x1.9x1.1cm in 2009. Fazialisparese, taub r., Rezidiv 2.2x1.3x2.4cm am 25.2.10, OP am 14.9.2010 in Tübingen, Prof. Tatagiba. Gefühlsstörungen, Lähmungserscheinungen, Lärmempfindlich,glücklich:-)
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