ZAP-X-Bestrahlung: die Zeit danach

[Tim69]

Moin,

vor exakt zwei Wochen wurde ich in Lingen mit dem ZAP-X bestrahlt, wie im Bereich "Kliniken/Operateure" nachzulesen ist.

Ich war, die Bestrahlung war am Dienstagmorgen, den Rest der Woche krankgeschrieben, einfach prophylaktisch. Ich hätte arbeiten können, fühlte mich nur ein wenig schlapp.

Habe mich viel bewegt, bin viel spazieren gegangen, was bei mir immer schon in heftiges Walking ausartet, weil ich einfach die Bewegung brauche. Gehschwindel, mit dem alles anfing, habe ich kaum noch. Man könnte fast schon sagen, dass das jetzt eigentlich nur noch eine psychosomatische Geschichte ist. Irgendwelches Taumeln oder notwendige Ausfallschritte habe ich nicht. Auch Autofahren und die Nutzung von ÖPNV gehen problemlos.

Zweimal in den ersten Tagen danach habe ich Kopfschmerzen im Stirnbereich bekommen, die aber mit einer 400er Ibu direkt wieder verschwanden.

In der nächsten Woche habe ich wieder normal gearbeitet, aber vom HO aus. Habe einen Kreativjob. Wo ein Mac steht, kann ich arbeiten.

Einschränkungen habe ich kaum. Laute Umgebungen sind stressig, das war aber vor der Bestrahlung auch schon so. Wenn's mir zu viel wird, kommen Ohrenstöpsel rein. Damit kann ich mich dann auch in lauten Umgebungen unterhalten. Wenn viele Leute durcheinander quatschen wird es etwas schwerer zu folgen, aber ich kämpfe mich da durch.

Ich habe nachwievor einen sehr hochfrequenten Tinnitus, der lauter wird, wenn es laut wird. Dann merke ich aber eher die Hörverlust in den hohen Frequenzen, als den Tinnitus selbst. Überhaupt höre ich links nicht wirklich leiser, aber halt etwas schlechter und eben von den Frequenzen eingeschränkt. Nachts kann ich trotz Tinnitus gut schlafen. Hintergrundgeräusche aus der Alexa wirken Wunder.

Vor zwei Tagen war ich mal wieder beim Bouldern, da fehlte mir etwas die Kraft, aber Gleichgewichtsprobleme, auch bei Top-Out-Routen, hatte ich nicht.

Mein Neurochirurg Dr. Velazquez meinte, oft fangen die Nachwirkungen vom ZAP-X auch erst zwei Wochen nach dem Bestrahlungstermin an. Das wäre dann heute. Bisher merke ich nix. Hoffentlich bleibt das so.

Die allermeisten seiner Patienten hätten aber überhaupt keine Probleme. Und: 4 von 5 im ZAP-X bestrahlte Tumoren zeigen beim ersten Kontroll-MRT keine Schwellung.

Ich halte euch hier auf dem Laufenden! Kontroll-MRT habe ich erst wieder im März.

Grüße,

Tim69

[Fedia]

Hallo Tim69,
Jetzt ist deine Bestrahlung schon mehr als 4 Wochen her.
Spürst du immernoch garkeine Nebenwirkung?
Garnichts? Ich wünsche es dir. Bitte nicht falsch verstehen.
Es interessiert mich nur da mir die Bestrahlung noch bevor steht.
Wird es nochmal kontrolliert?

Viele Grüße
Fedia

[Tim69]

Moin,

inzwischen sind fast 5 Wochen vergangen. Zeit, mal wieder den weiteren Verlauf zu beschreiben.

Der so sehr gefürchtete "Strahlenkater" ist bei mir bisher komplett ausgeblieben, bis jetzt. Mein Neurochirurg Dr. Velazquez meinte, die Reaktionen könnten bis zu acht Wochen nach der Bestrahlung auftreten, am öftesten treten sie zwei Wochen nach der Bestrahlung auf, dann nimmt die Wahrscheinlichkeit, dass es Reaktionen gibt, sukzessive ab. Ich gehe bei mir nicht davon aus, dass da noch was kommt.

Der Gehschwindel, der bei mir eh nie besonders ausgeprägt war, ist komplett verschwunden. So, als wäre er nie da gewesen. Ich fahre Fahrrad und E-Scooter, ohne Probleme. Ich bin aber eher "Team Dysakusis", Lautstärke und viel Durcheinandergequatsche kann ich nicht mehr so gut ab, wie vor dem AKN.

Als einschneidendes Erlebnis durfte ich vor 10 Tagen meine erste Weihnachtsfeier mit AKN erleben. Das heißt: 3 Tage Hardcore-Beschallung am Stück. Lauter Bahnhof in Düsseldorf, lauter Zug, lauter Bahnhof in München mit Umsteige-Stress, lauter Bahnhof in Innsbruck. Dann die Rollkoffer-Karawane ins Hotel - bei Manowar direkt vor den Boxen stehen ist nix dagegen! Weiter ging es mit Weihnachtsmarkt, superlauter Pizzeria mit gackerndem Tirolerinnen-Tisch nebendran. Am nächsten Tag habe ich mich dann etwas rausgezogen und bin in der mir zur Verfügung stehenden freien Zeit in die Natur gefahren. Das war angenehm, denn am Abend kamen dann noch 70 durcheinander redende Werber in übervollen Agenturräumen, auf dem Weihnachtsmarkt und auf einer Berghütte auf mich zu. Hart, aber mit einer Umplatzierung auf der Hütte gelöst. Mich stresst es, wenn das "schlechte" Ohr viel Reflektionsschall abbekommt. Also, die drei Tage waren eine echte Prüfung.

Direkt danach hatte ich einen Dreh, wo es ja auch gerne mal laut und hektisch werden kann, wenn Regisseur, Aufnahmeleiter und Autor (also ich) durcheinander reden bzw. brüllen. Komplett problemlos. Einfach die Loops rein, alles easy.

Eine Woche später hatte ich dann ein einschneidendes Erlebnis: Am Freitagabend war ich erst im Baumarkt, dann bei Action, dann bei Globus, dann noch bei Netto. Alles ohne meinen Gehörschutz (Loop Switch), der sonst mein fester Begleiter ist. Im Baumarkt hatte ich schlicht vergessen, die rein zu machen, dann dachte ich mir, probier mal, ob das geht. Und es ging! Ich hätte fast geweint vor Glück!

Am Samstag dann morgens der Anruf: "Hey Tim, kommst du heute Abend mit in die Flachau-Alm?" Das ist eine "Berghütte" auf dem Weihnachtsmarkt in Oberhausen, und ich hatte das schon abgesagt, weil ich die Lautstärke fürchtete. Jetzt war jemand abgesprungen (wegen Migräne, will man auch nicht haben, aber das nur am Rande ...), und es war wieder ein Platz an dem reservierten 10er-Tisch frei. Euphorisiert von meinem erfolgreichen Einkaufserlebnis vom Vorabend dachte ich mir "ach, fuck it, ich pack das". Und so war es dann auch. Vier Stunden! Natürlich mit meinen geliebten Loop Switch auf "Engage" eingstellt (nein, die sponsorn mich nicht, die sind einfach gut), aber es war ein total geiler Abend, (fast) wie früher. Sogar die Horror-laute Band habe ich abgefeiert! Das wäre vor ein paar Wochen noch undenkbar gewesen.

Ach ja, Seilklettern war ich auch mal wieder. Ohne Probleme. Zwar nur Toprope und kein Vorstieg (wer sich auskennt, kennt den Unterschied), aber immerhin.

Auch schön: Ich konnte meinen Lieblings-Podcast "Baywatch Berlin" wieder ein Stück lauter machen, obwohl Jakob Lundt ja immer so asozial herumbrüllt da. Die Lautstärke in meinem Auto, früher immer so auf 15, 16 war bei mir die letzten Monate einzementiert auf 12. Jetzt bin ich wieder bei 14. Klingt lächerlich, aber ich finde das toll!

Tinnitus auf der AKN-Seite habe ich immer noch, mal mehr, mal weniger. Ich habe mich dran gewöhnt. Wenn er bleibt, bleibt, er, wenn er weggeht, halte ich ihn nicht auf. Ich habe neulich mal ein Interview mit Dr. Susanne Fichte vom Cyberknife-Zentrum Mitteldeutschland gehört, wo sie meinte, dass es da eine gute Chance gibt, dass der weniger wird oder ganz verschwindet, wenn sich das AKN nach der Bestrahlung im Volumen verringert. Mal gucken. Das zeigt nur die Zeit.

That's my story. Ich werde euch hier auf dem Laufenden halten.

Das große Problem mit solchen Communities ist nämlich, dass ja nur die Härtefälle etwas zu erzählen haben. Wenn bei dir selbst alles super mild verläuft, ist es dir ja schon fast unangenehm, darüber zu berichten, auch, weil du diejenigen, die leider nicht so viel Glück haben, nicht noch weiter runter ziehen willst. So entsteht natürlich ein total verzerrtes Bild. Ähnlich "funktionieren" Trip-Advisor oder Google Reviews. Wer ein mieses Erlebnis hat, schreibt eine Bewertung. Wer ein gutes Erlebnis hat, eher nicht. Man muss ja schließlich auch niemanden warnen. Das ist kein Vorwurf an die Administration, dagegen kann man nichts tun. Man sollte nur wissen, dass es halt so ist und das entsprechend einordnen.

Liebe Grüße an alle! Keep the Spirit!

Tim69