Neuvorstellung: Radiochirurgie oder Abwarten

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Schaba
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Neuvorstellung: Radiochirurgie oder Abwarten

Beitrag von Schaba » 13.10.2024, 09:42

Ich bin 63 Jahre alt, weibl. verh., 2 erwachs. Kinder, arbeite noch (sehr gerne) in Altersteilzeit (Bürojob), wohne in Bielefeld. Bewegung und Aktivität sind mir wichtig.

2018 wurde in einem Zufallsbefund ein VS (2mm) links bei mir entdeckt. Der Diagnosearzt meinte, das wäre ein gutartiger Tumor, man müsse das nur regelmäßig kontrollieren. Ich habe das nicht weiter ernst genommen und nichts gemacht.
2022 als plötzlich ein anhaltender Drehschwindel bei mir auftrat, habe ich mich an die Diagnose erinnert.
Nun ergab das MRT eine Größe von 6mm.
Der HNO-Arzt überwies mich an die MHH in Hannover. Die stellten ein perfektes Gehör fest und empfahlen eine OP.
Zweitmeinung holte ich im städt. Klinikum Bielefeld (Prof. Sudhoff) ein. Dort wurden sehr umfangreiche Tests gemacht und u.a. festgestellt, dass der Schwindel, der mittlerweile nicht mehr vorhanden war, nicht vom VS kommen konnte. Prof. Sudhoff empfahl ‚wait and scan‘, da ich bisher keinerlei Beschwerden hatte und jeglicher Eingriff meine Situation verschlechtern würde.
MRT Kontrollen ergaben dann 2023 einen Wachstumsstillstand bei 8mm, aktuell in 7/24 allerdings erneutes Wachstum auf 11mm und erstmals eine Hörminderung, die mir auch im Alltag auffällt.
Prof Sudhoff, der mittlerweile nicht mehr im Klinikum arbeitet, sondern sich mit einer Privatpraxis selbstständig gemacht hat, empfiehlt weiterhin ‚wait and scan‘.
Eine OP habe ich bereits seit 2022 für mich ausgeschlossen, tendiere aber aktuell zur Radiochirurgie. Ich habe in der kommenden Woche zwei Vorstellungstermine in München und Lingen bezüglich ZAP-X.
(ZAP-X wird mittlerweile von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.)
Mir sind die Unterschiede zwischen Gammaknife, Cyberknife und ZAP-X bezüglich Effektivität und Nebenwirkungen noch nicht klar, erhoffe mir von den Gesprächen etwas mehr Infos.
Aber grundsätzlich geht es für mich um die Frage, ob ich jetzt etwas unternehme oder später. Auch wenn meine Beschwerden noch gering sind, möchte ich nicht abwarten, bis etwas Irreversibles (weiterer Hörverlust, Tinnitus, Gesichtslähmung) eingetreten ist.
So wie ich es verstanden habe, hängt das Risiko der Ertaubung durch eine radiochir. Behandlung von der Größe des VS, der bereits bestehenden Hörminderung und meinem Alter ab. Das heißt für mich, je eher ich mich behandeln lasse, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass mein Gehör erhalten bleibt.
Ich würde mich über Meinungen freuen.
Zuletzt geändert von Schaba am 13.10.2024, 13:17, insgesamt 3-mal geändert.
snowdog
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Re: Neuvorstellung: Radiochirurgie oder Abwarten

Beitrag von snowdog » 13.10.2024, 12:50

Liebe Schaba,

willkommen im Forum. Da deine Anmeldung im Forum schon einige Zeit zurück liegt, hoffe ich, dass Du hier bereits hilfreiche Informationen und Ansatzpunkte für deine Ausgangssituation gefunden hast. Weil es aber so bedeutsam ist, weise ich in regelmäßigen Abständen immer wieder darauf hin: zum grundsätzlichen Verständnis der Therapieformen helfen die Darstellungen und Erklärungen auf den IGAN-Seiten, ergänzend dient hier im Forum die Suchfunktion bei der Recherche nach Erfahrungsberichten.
Die Frage der Therapie stellt sich im Zusammenhang mit der bestätigten Diagnose. In deinem Fall der Zufallsdiagnose war dieser frühestmögliche Zeitpunkt vor sechs Jahren. Minimale Größe, keine Symptome und Einschränkungen - ein "Wait and Scan" ist in diesem Stadium unter den gegebenen Voraussetzungen naheliegend.

Bis zum Auftreten des ersten signifikanten Symptoms (anhaltender Drehschwindel) vergingen vier Jahre, in denen der Tumor gewachsen ist. Und hier wird die Frage akut - welche Therapie ist die richtige bei einem bestätigt wachsenden Akustikusneurinom ? Häufig ist (schleichender) Hörverlust das initiale Indiz, Schwindelsymptome treten meist erst später auf. Bei Dir war aber gerade das Hörvermögen ohne Einschränkungen verblieben, der Schwindel offenbar kompensiert und das Allgemeinbefinden durch das AN kaum beeinträchtigt. Außer der Gewissheit, dass Du es mit einem wachsenden Tumor zu tun hast (MRT-Aufnahmen), stand das "Warten auf Einschränkungen" im Fokus - in der Abwägung mit einem nur begrenzt prognostizierbaren Therapieerfolg.

Welcher Erkenntnisgewinn lässt sich daraus ziehen ?
Rückwirkend betrachtet ist das bloße Beobachten mit Blick auf die Lebensqualität eine "gute" Entscheidung gewesen, da jegliches OP- und Bestrahlungsrisiko umgangen wurde. Eine OP hätte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Einschränkung des Hörvermögens bedeutet und das Risiko von (überschaubaren) Folgeschäden in sich getragen, den Tumor aber entfernt bzw. dessen Wachstum unterbunden.

Der Blick nach vorn (und nur der zählt nun) hält eine veränderte Ausgangslage bereit - der Tumor ist gewachsen, bildet Symptome, entwickelt ein zunehmendes Störpotenzial. Es bleiben Dir immer noch die Therapieformen OP oder Bestrahlung, die Prognosen hinsichtlich Funktionserhalt sind indessen nicht günstiger geworden. Aber ein weiteres Abwarten ersetzt nicht mehr die Entscheidung zur Therapie, allenfalls bestimmt es die Wahl des passenden Zeitpunkts. Wenn Du "nicht abwarten willst, bis etwas Irreversibles eingetreten ist", solltest Du zeitnah handeln. Wenn Du eine OP für dich bereits ausgeschlossen hast, sind die angesetzten Beratungstermine in München und Lingen eine gute Wahl.

Grundsätzlich gilt, dass nur erhalten werden kann, was noch nicht verloren gegangen ist. Die Frage nach dem "schonendsten" Behandlungsweg hat immer auch den Funktionserhalt der Sinnesnerven im Blick - im Falle der Strahlentherapie ist mit (im günstigen Fall temporären) Folgewirkungen durch Reaktion zu rechnen, d.h. ein Anschwellen des Gewebes kann zu einem weiteren Verlust des Hörvermögens bzw. zu einer Verstärkung von Schwindelsymptomen führen. Bei bestehend gutem Hörvermögen bestehen also Chancen, das Gehör nicht vollständig zu verlieren - eine Garantie gibt es allerdings keine.

Bleibt am Ende die Frage: worauf warten ? Dass dein wachsendes AN früher oder später zu den befürchteten Beeinträchtigungen führt, ist sehr wahrscheinlich. Die Prognosen werden mit Blick auf die zu erhaltende Lebensqualität leider nicht günstiger.
Ich wünsche Dir Kraft und Zuversicht für die anstehende Entscheidung und einen positiven Verlauf.

Beste Grüße
snowdog
snowdog (Moderator seit 4.12) Jg.62,m,verh.,2 Söhne,
AN re.5x8 mm,n-c. suboccipital AN-OP in Offenbach 4.08,
postoperativ Liquorfistel,keine Fazialisparese, einseitig taub,chron.Kopfschmerzen,jährl.Kontroll-MRT f.d.ersten 5 J.
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