seit November 22 bin ich stille Mitleserin und habe ungemein von den geschilderten Erfahrungen hier im Forum profitiert.
Heute möchte ich meine Geschichte mit euch teilen. Ich bin 36 und weiblich:)
Krankheitsgeschichte:
Ich habe seit dem Eintritt in die Grundschule Probleme mit Schwindel, Gangunsicherheit und der Koordination. Wurde dann als ADS Kind diagnostiziert. Nicht zu verwechseln mit ADHS.
Seit ich 13 bin höre ich schlechter auf dem linken Ohr. Als 3-Jährige hatte ich eine schlimme Mittelohrentzündung - das war für den HNO Arzt die Erklärung. Weiter wurde nichts veranlasst. Habe dann einige Jahre nichts getan, damit gelebt, dass ich eben ein verpeilter ADS Mensch bin (kann die Gangunsicherheit und den Schwindel sehr gut kompensieren) und dachte es sei normal, dass ich links immer schlechter hören kann.
2018 wurde das Hören so schlecht, dass ich links nicht mehr angesprochen werden konnte, da ich nichts verstand.) Dazu kamen wiederkehrende Kopfschmerzattaken nachts. Zusätzlich das Gefühl von Druck im Ohr, wie als ob es verstopft wäre.
War noch bei zwei anderen HNO Ärzten - Diagnose Stress, Kinderlärm (berufsbedingt),Überlastung (ich arbeite 50 % in Festanstellung/ 50 % Selbstständig). Ich wurde dann zum Osteophaten, Physiotherapeuten usw...geschickt
2021 kam Tinnitus hinzu und starkes Rauschen im linken Ohr. Mein Gesicht kribbelte entweder links oder fühlte sich taub an. Und ich fühlte mich zunehmend verzweifelt. Ich habe mich ernsthaft gefragt ob ich vielleicht doch "einen an der Waffel" habe.
Dank der Masken die ich und meine Kolleg*innen Corona bedingt noch tragen mussten verstand ich auf der Arbeit (Psychiatrie)so gut wie nichts mehr. Ich "drohte" meinem HNO damit, mir auf Ebay ein Hörgerät zu kaufen - daraufhin wurde ich mit einem Cross Hörgerät versorgt und bekam eine Überweisung für den MRT. Auf den Termin musste ich 8 Wochen warten. Den Befund besprach mein Hausarzt mit mir, da ich auf einen Termin zur Besprechung beim HNO nochmal 8 Wochen warten sollte...
Diagnose: Akustikusneurinom links, ca. 3 auf 3 cm groß, als T4 klassifiziert.
Ich war einerseits schockiert und hatte Angst. Andererseits auch echt empört: Seit Jahren renne ich von Arzt zu Arzt... und jetzt das. Ich hatte Recht, da stimmt was nicht! Gleichzeitig auf Erleichterung: jetzt weiß ich Bescheid und kann handeln.
Dank dem Forum und der Homepage konnte ich mich und Angehörige gut informieren (DANKE dafür).
Entscheidung für Kopfklinik Heidelberg/Neurochirurgie/Oberarzt Dr. Haux
Ich wurde vom Neurochirurgen in meiner Heimat auf meinen Wunsch nach Heidelberg überwiesen. Dort bekam ich im Dezember einen "Nottermin" da das AKN so groß war und eine Hirnstammkompression von über 50 % vorlag.
In Heidelberg lernte ich Dr. Haux (Oberarzt in der Neurochirurgie) kennen. Er ist ein toller Arzt. Er nahm sich sehr viel Zeit und erklärte mir alles in verständlicher Sprache. Er hat sich die Bilder aus dem MRT mit mir angeschaut und mir sehr gut erklärt wo sich was befindet und wie meine Symptome damit zusammenhängen. Ich habe mich verstanden und mitgenommen gefühlt. Aus diesem Grund (und weil ich das Uniklinikum bzw. die Kopfklinik kenne) habe ich mich für die Operation in Heidelberg entschieden.
Interessante Vermutung aus Heidelberg: das AKN war schon sehr lange in meinem Kopf (geschätzt 25 Jahre) - ich bin übrigens 36 Jahre alt.
Operation in Heidelberg:
Ich wurde am 01.01.23 nachmittags stationär aufgenommen. Die Voruntersuchungen hatten bereits im Dezember stattgefunden.
Am 02.01.23 wurde ich in Heidelberg vom Oberarzt Dr. Haux operiert. Im Bericht steht: Osteoplastische Kraniotomie suboccipital links, mikrochirurgische Exstirpation einen großen AKN mit erheblicher Hirnstammkompression unter Monitoring der Hirnnerven.
Die Operation dauerte etwas über fünf Stunden. Angesagt wurden vorab mindestens 8 Stunden.
Der Tumor war laut OP Bericht stark an der AICA verklebt oder verhaftet. Dabei kam es beim Abtragen zu einer Blutung an einem winzigen Ast, der am wohl einem Tumorfeeder entsprach. Alle Nerven wurden erhalten und zeigten auf Stimulation eine Antwort. Aufs Ausfräsen des Felsenbeins konnte verzichtet werden.
Am Schluss wurde mein Knochendeckel wiedereingesetzt und mit Kranofix-Nieten fixiert + Pflasterverband.
Weiter steht im Bericht noch, dass ein perifokakes Ödem im Bereich vom linken Kleinhirnstils vorhanden ist.
Falls es zur OP Fragen gibt, gerne stellen - der OP Bericht ist so komplex, das ich mich eher kurz gefasst habe.
Aufenthalt in Heidelberg:
Ich wachte abends um ca. 19:00 Uhr auf der Intensivstation auf. Dr. Haux kam und fragte wie es mir gehe und erzählte ganz kurz von der OP.
Ab jetzt ist die Erinnerung sehr verschwommen. Ich weiß, dass ich mir die Zähne im Bett liegend geputzt habe. Auch habe ich kurz mit meiner Mutter telefoniert, die auf Station angerufen hatte. Der Blasenkatheter und die vielen gelegten Zugänge (Hals, Handrücken) waren mir unangenehm. Der Rest versinkt im Nebel. Im Nachgang fällt mir auf, das ich weder Übelkeit verspürte noch erbrochen habe - das blieb den ganzen Aufenthalt so)
Am nächsten Morgen wachte ich etwas klarer im Kopf auf. Der Intensivpfleger war sehr nett. Ich erinnere an Kaffee (aus der Schnabeltasse) und Joghurt zum Frühstück. Mein Gesicht fühlte sich links starr an (Fazialis Parese Grad 3, wie sich einen Tag später herausstellte), interessanterweise hörte ich links deutlich besser. Meine Unterlippe war vom Tubus krass geschwollen (das blieb bis 3 Wochen nach der OP so) Im Laufe des Tages wurde ich auf Normalstation verlegt.
Insgesamt war ich 10 Tage in der Klinik - die Erinnerungen verschwimmen ineinander. Ich weiß, dass ich so gut wie möglich selbständig gegessen habe und dass die Physiotherapeutin jeden Tag da war. Ich habe täglich Übungen gemacht (Fazialis Parese und Gleichgewicht bzw. Mobilisierung) Auch Dr. Haux kam täglich persönlich vorbei und schaute sich die Wunde an. Alle waren sehr nett und aufmerksam - ich kann die Neurochirurgie in der Kopfklinik Heidelberg empfehlen! Die meiste Zeit habe ich gedöst oder geschlafen...Lesen oder ähnliches war nicht möglich. Ich habe mir täglich selbständig auf Station Wasser oder Kaffee geholt. Gehen war sehr wackelig. Schmerzen waren ok, eher im Rücken durch die OP Position oder das schlechte Bett?) Nachts bekam ich einen Uhrglasverband, da links der Lidschluss inkomplett war.
Zu Hause:
Nach 10 Tagen Klinik ging es nach Hause. Ich war sehr froh wieder im vertrauten Umfeld zu sein. Schafen oder Ruhen war und ist weiterhin meine Hauptbeschäftigung. Ich habe mein "Pensum" an Aktivität ganz langsam gesteigert. Die ersten Tage war ich schon stolz, mit einem Hund (ich habe zwei) fünf Minuten um den Bock zu gehen.
Stand jetzt:
Ich bin sehr dankbar, diese OP relativ unbeschadet überstanden zu haben! Ich bekam und bekomme noch unglaublich viel Hilfe (Partner, Eltern/Freunde). Inzwischen laufe ich insgesamt 1,5 Stunden täglich (mit beiden Hunden gleichzeitig), kann etwas zu essen kochen, lesen, Besuch empfangen.
Ich gehe zur Logopädie und zur Physiotherapie. In meinem Gesicht bewegt sich tatsächlich jeden Tag etwas mehr - das macht mich froh. Nachts trage ich noch einen Uhrglasverband. Ca. 2-3 mm steht das Auge offen, wobei es manchmal spontan ganz schließt (Beobachtung von anderen).
Ich habe inzwischen leider ein Rauschen im Ohr. Auch höre ich wieder schlechter

Was ich mich manchmal frage, bzw. die Fragen kamen auf durch Äußerungen anderer (z.b. Krankenkasse wegen Krankengeld). Ist es normal, dass ich noch so unendlich müde bin? Ich muss nach jeder Aktivität (und sei es nur kochen) ausruhen. Die AOK fragte, wann ich denn wieder arbeiten gehe...ich kann mir nicht vorstellen im Moment zu arbeiten...
Werde ich je wieder in meinem Beruf arbeiten können (Psychiatrie)? Ich habe das Gefühl, kaum mehr ein "Standing" zu haben.
Wird es besser mir der Müdigkeit?
Kann ich irgendwann mal wieder ein halbwegs normales Leben führen? Oder braucht es einfach Zeit?
Warum höre ich wieder so schlecht? Hatte mich schon so gefreut! Bis vor 2 Wochen brauchte ich das Cros Gerät nicht zu tragen...
Damit der Abschluss nicht so traurig klingt: Die Sonne scheint und was ich gelernt habe: Ich achte auf mich, ich bin wertvoll, meine Bedürfnisse sind wichtig. Ich habe einen tollen Partner+ Familie+ Freunde
Viele Grüße,
Mimi
Habe den Beitrag nochmals überarbeitet, da manche Infos fehlten und ich im Nachgang viele Rechtschreibfehler entdeckte.