nachdem mir das Forum als passiver (unangemeldeter) Vertreter der jüngeren AN-Generation geholfen hat und ich die Einblicke in die Geschichte anderer AN-“Beglückter“ als sehr bereichernd empfand, habe ich mich dazu entschlossen, meine bisherigen Erfahrungen rund um mein AN ebenfalls in einem Bericht niederzuschreiben. Ich habe ein neues Thema eröffnet, da der Erfahrungsbericht über Gamma-Knife zwar sehr verwandt ist, das Cyberknife aber doch eine eigenständige Behandlungsmethode ist. Da ich bisher nichts dazu geschrieben habe, mein Verlauf aber schon etwas fortgeschritten ist, wird der Bericht etwas länger. Ich bitte das zu entschuldigen

Vorgeschichte
Ende Oktober 2011, direkt vor einer kurzen Arbeitswoche dank Feiertag (österr. Nationalfeiertag): Ich war zu Besuch bei meinem Bruder und meinen Eltern und habe eine Nacht dort verbracht. Ich wachte Samstag Morgen auf und verspürte dieses typisch dumpfe Gefühl im rechten Ohr, mit dem ich damals aber noch wenig anfangen konnte. Die Hörleistung war gefühlt etwas abgeschwächt, da ich aber nie Probleme mit dem Ohr hatte, habe ich mir nichts dabei gedacht. Dazu bildete ich mir einen extrem schwachen Tinnitus ein, was ich phasenweise (relativ selten und nur für einige Minuten) immer wieder seit ich Kind war hatte. Am Sonntag, wieder in den eigenen vier Wänden, hatte ich bereits die Überlegung in die Notfallaufnahme ins Krankenhaus zu fahren, habe die Idee jedoch verworfen und entschied mich dazu, am Montag den Hausarzt zu besuchen, da ich eher mit einer Ohrverstopfung rechnete.
Der Hausarzt führte eine Ohrspülung durch, da das rechte Ohr trotz regelmäßiger Pflege ein wenig verstopft war. So sich keine Besserung einstellt, sollte ich am Nachmittag einen Facharzt aufsuchen. Im Laufe des Tages während dem Arbeiten verschlechterte sich mein Allgemeinzustand rasant und so folgte ich der Empfehlung meines Hausarztes ohne großem Widerstand. Beim HNO-Facharzt, den ich exakt 12 Jahre nicht mehr benötigt habe, wurde mittels Hörtest eine mittlerweile gravierende Hörminderung festgestellt. Die Kurve auf dem Audiogramm hatte eine Wannenform, die Mittelfrequenztöne konnte ich nur noch im hohen Dezibelbereich (ab 70db) wahrnehmen. Der Arzt hat gegrübelt, ob er mich direkt ins Krankenhaus einweisen lassen soll, entschied sich jedoch vorerst mir hochdosiert Cortison- und Trentaltabletten zu verschreiben, die ich prompt eingenommen habe. Am nächsten Tag hatte ich nochmals einen Hörtest beim HNO-Arzt, der in etwa das gleiche Ergebnis wie am Vortag hatte. Dem HNO-Arzt wurde die Angelegenheit nun doch zu heiß und er schickte mich direkt ins Krankenhaus, worauf ich in dem Moment, sowieso schon angeschlagen, überhaupt keine Lust hatte.
Die Vernunft hat dann schnell gesiegt und bin in die Universitätsklinik Innsbruck geeilt. Dort musste ich (Mittagszeit, unangemeldet) ca. drei Stunden warten, bis ich schließlich zu einem weiteren Hörtest gebeten wurde. Innerhalb dieser drei Stunden ist die Kurve im Mittelfrequenzbereich nochmals um 20db gefallen und die Ärzte schienen sichtlich hektisch zu werden. Nach einem kurzen Allgemeincheck war ich dann schneller als ich begreifen konnte schon auf der Station einquartiert. Ich bekam daraufhin direkt die Infusion angeschlossen, die ich fortan 7 Tage bekommen sollte. Wirkstoffe waren meines Wissens die gleichen, wie schon am Vortag in Tablettenform (Cortison und Trental). Irgendwie habe ich mir die Woche anders vorgestellt. Immer noch perplex und im Dunkeln umherirrend, was überhaupt passiert war, dümpelte ich zwei Tage vor mich hin. Die Ärzte sprachen nur von einem „Hörsturz“ und quetschten mich aus, was denn passiert sei. In meinem Alter wäre es schließlich nicht ungewöhnlich, dass das Ohr starker Belastung ausgesetzt wäre, sei es Stress, Musik im Club, Konzerte, … da ich auch auf penetrantes Nachfragen seitens der Ärzte absolut keinen Grund finden konnte, weshalb ich den Hörsturz bekommen hätte können, wurde ich schließlich am Donnerstag zu einem MRT gebeten.
Beim MRT empfing mich der freundliche Radiologe mit einem breiten Grinsen und sagte mir, dass das MRT nur als Ausschlussuntersuchung geplant ist. Die Chance mittels MRT etwas zu finden sei extrem gering und ich solle mir keine Sorgen machen. Diese Information half mir in der Situation selbstredend wenig weiter. Zerfressen davon, nicht zu wissen, was überhaupt los ist, stieg ich also in die Röhre. Danach wurde ich direkt zum Hörtest gebeten, der glücklicherweise wieder die Kurve vom Montag als Ergebnis hatte, also eine vergleichsweise deutliche Verbesserung. Der Arzt, der mich schon am ersten Tag betreute, war Freitag Früh dann merkbar erleichtert und meinte die Hörminderung wäre gerade noch in den Griff bekommen worden. Hätte ich 1-2 Tage länger gewartet, hätte es möglicherweise ein anderes Endergebnis gegeben. Immer noch auf der Suche nach der Ursache des ganzen Theaters, eigentlich ging es mir gut, blieb ich innerlich zerfressen. Ich hatte keine Lust auf irgendwas, konnte die Situation nicht begreifen.
Diagnose
Am Samstag, also eine Woche nach den ersten aufgetretenen Symptomen, teilten mir die Ärzte schließlich die Diagnose aus dem MRT mit: Akustikusneurinom, 7x4x3mm, intrameatal gelegen. Wenn ich so manch andere Geschichte, um nicht zu sagen Odyssee, in diesem Forum zum Vergleich nehme, kommt mir mein Verlauf mit Diagnose nach 7 Tagen wie eine neue Weltrekordmarke vor.
Neben „gutartiger Tumor“, „sie haben Zeit, haben sie keine Sorge“ und dem subjektiven Empfinden, dass das Hörvermögen sich wieder dem Normalzustand nähert, habe ich an dem Tag kaum mehr etwas mitbekommen. Am nächsten Tag war die Welt plötzlich wieder voller Farben und lebenswert, die Ursache war benannt, die drückende Ungewissheit wie weggeblasen. Ich habe fast Luftsprünge gemacht an dem Tag, bei der Diagnose eigentlich etwas verrückt. Dass ich mit der Diagnose so gut umgehen könnte, hätte ich mir kaum vorstellen können.
Am Montag wurde ich entlassen und vom HNO-Arzt für 2 Wochen krank geschrieben. Das Gehör hatte sich vollständig erholt, geblieben ist der Tinnitus, der im Laufe der Behandlung deutlich stärker geworden ist, ein monotones Piepgeräusch. Meiner Umgebungsgeräusche beraubt (in der Klinik war ich in einem Vier-Bett-Zimmer, zwei davon hatten eine Hals-OP hinter sich...) quälte der Tinnitus in den ersten Nächten und zermürbte mich Nacht um Nacht. Nach vier Tagen war aber auch dieses Problem mehr oder weniger erledigt, da ich irgendwann kräftelos in den Schlaf gefallen bin. Nach ungefähr einer Woche, deutlich schneller als erwartet, hatte ich mich an den Tinnitus gewöhnt und konnte von dort an problemlos einschlafen, obwohl das Ohr jede Nacht beim Einschlafen ein Konzert gegeben hat und nach wie vor gibt.
Danach ging das Leben seinen normalen Lauf. Geplant war ein Kontroll-MRT im April 2012 (um den Verlauf beobachten zu können) mit anschließender Vorstellung in der Neurochirurgie. Soweit sollte es nicht kommen. Zum Jahreswechsel (zum Glück hat man da ohnehin nichts anderes vor /sarkasmus) stand der nächste Hörsturz vor der Tür. Da ich die Symptome diesmal nicht verniedlicht habe, stand ich ca. eine Stunde nach Bemerken der Symptome schon in der Klinik und nochmal eine Stunde später auf der Station. Die Kurve im Audiogramm ist aber nie so tief wie beim ersten Mal gefallen, weshalb der Aufenthalt ab dem vierten Tag nur noch nervend war, da ich mich fit gefühlt habe. MRT-Termin und Neurochirurgie-Vorstellung wurden aufgrund des nochmaligen Hörsturzes auf Februar/März 2012 vorverlegt, was mir persönlich entgegen kam. Schließlich wollte ich schnellstmöglich etwas gegen meinen Untermieter unternehmen.
Entscheidungsfindung
Mitte Februar 2012 wurde das Kontroll-MRT durchgeführt, wobei mich der Arzt schief angesehen hat, weshalb ich so früh bereits einen weiteren MRT-Termin bekommen hätte. In so kurzer Zeit würde man sowieso keine Veränderung sehen können.
Mitte März 2012 wurde ich schließlich in der Neurochirurgie bei Prof. Eisner vorstellig. Die lange Wartezeit (ca. 90 Minuten trotz Termin) brachte mich anfangs auf die Palme, Prof. Eisner nahm sich aber danach auch für mein Problem entsprechend lange Zeit, was ich als sehr angenehm empfunden habe. So ist der Ärger über die Wartezeit schnell verflogen. Das AN ist innerhalb von 4 Monaten auf 10x4x4mm (1. MRT: 7x4x3mm) angewachsen und Prof. Eisner riet möglichst rasch eine Behandlung einzuleiten. Er klärte mich umfangreich über die verschiedenen Möglichkeiten (OP, Bestrahlung mit Linearbeschleuniger einmalig oder fraktioniert, Bestrahlung mit Gamma-Knife, Bestrahlung mit Cyberknife, Abwarten) auf.
Die Entscheidung überließ Prof. Eisner dann mir selbst. Seiner Meinung nach wäre „Abwarten“ mit Abstand die schlechteste Lösung, doch wäre das Risiko aufgrund der Lage meines AN (sehr tief im inneren Gehörgang mit sehr viel Freiraum Richtung Hirnstamm) bei einer OP wohl keinesfalls gering. Die Bestrahlungsoptionen hat er alle als ungefähr gleich in Bezug auf Nutzen/Risiko eingeschätzt, wobei er mir die Einmalbestrahlung mit Linearbeschleuniger empfohlen hat (das ist eine der Behandlungen, die ich in Innsbruck machen hätte können). Auf der Suche nach weiteren Meinungen habe ich mich u.a. nochmal an dieses Forum erinnert. Rein nach Bauchgefühl kamen für mich schlussendlich vier Möglichkeiten in Frage: OP in Innsbruck, OP anderswo, Einmalbestrahlung mit Linearbeschleuniger in Innsbruck, Cyberknife in München. OP, da der Tumor nach der Behandlung auch physisch entfernt wäre, was für mich aber keine hohe Priorität eingenommen hat. Einmalbestrahlung mit Linearbeschleuniger in Innsbruck aufgrund der Empfehlung von Prof. Eisner und aufgrund eigener Bequemlichkeit (zugegeben). Cyberknife in München, da mich das Verfahren sehr angesprochen hat und das Institut sowohl von Aufmachung als auch mit Referenzen überzeugen konnte.
Nach einem sehr angenehmen Beratungsgespräch bei Prof. Wowra/Cyberknife München Anfang Mai 2012 war die Sache für mich beschlossen, auch wenn ich nochmals eine Nacht darüber schlafen wollte. Prof. Wowra teilte mir mit, dass er in meinem Fall grundsätzlich alle genannten Behandlungsarten mit Ausnahme des „Abwartens“ empfehlen könne (oder wie es so schön im Ärztedeutsch heißt: Für alle diese Behandlungsmöglichkeiten besteht eine Indikation). Eine Beschädigung des Fazialisnervs sei bei einer Behandlung mit Cyberknife zwar möglich aber praktisch ausgeschlossen. Da ohnehin schon genügend Risikofaktoren bei jeder Behandlungsform vorhanden waren, habe ich mich im Sinne der Risikominimierung und mehr noch nach Bauchgefühl für Cyberknife entschieden. Die Behandlungstermine wurden für Mitte Juni 2012 (1. Termin: Voruntersuchung, CT, Erstellung der Fixierungsmaske; 2. Termin: Behandlung) angesetzt.
Behandlung
Bei der Voruntersuchung verlief alles normal und angenehm. Während der CT-Untersuchung wurde die Fixierungsmaske (man bekommt eine warme, feuchte, gips-ähnliche Matte über den Kopf) geformt. Da der bisherige Verlauf jedoch zu schnörkellos war, bekam ich am darauffolgenden Tag, zwei Tage vor der eigentlichen Behandlung, abermals einen Hörsturz. Nachdem ich zunächst mit zwei Meinungen konfrontiert war (Die Innsbrucker Klinik wollte unabhängig vom akuten Hörsturz schnellstmöglich bestrahlen lassen, um die Ursache der Probleme aus der Welt zu schaffen. Prof. Wowra wollte die Bestrahlung keinesfalls während einem akuten Hörsturz durchführen), habe ich den Hörsturz schließlich nach Rücksprache zuhause mit Cortison & Trental auskuriert.
Anfang Juli konnte die Bestrahlung in München durchgeführt werden. Ich war seit Kenntnis der Diagnose praktisch überhaupt nicht angespannt und kann mich nur noch an die plagende, selbstzerstörende Ungewissheit in der Woche vor der Diagnose erinnern. Der Behandlungstag fühlte sich bis zur Behandlung wie ein Urlaubstag an (das glaubt mir niemand, das glaub ich mir selbst nur schwer, aber es war tatsächlich so). Kurz vor der Behandlung bin ich noch in einem traditionellen Gasthaus bayrisch essen gegangen - war lecker

Die Behandlung selbst war absolut unbeeindruckend, die Technik, vor der man im Behandlungsraum steht, war dafür umso beeindruckender. Ich lag auf einer Liege, der Kopf wurde mittels Maske auf der Liege relativ steif fixiert. Anschließend fuhr der Roboterarm des Cyberknife-Geräts Minute um Minute um meinen Kopf herum, das Zeitgefühl habe ich währenddessen völlig verloren, und durchlöcherte mich offensichtlich mit Strahlen. Mitbekommen habe ich davon (neben einer Nackenmuskelverspannung durch die Fixierung) überhaupt nichts. Der Behandlungsablauf verlief lt. Prof. Wowra ohne Komplikationen. Mit einer Tablette gegen Schwindel und der Fixierungsmaske als Erinnerung bzw. „Trophäe“ verabschiedete mich Prof. Wowra und ich konnte die Heimreise antreten. Am Bahnhof gönnte ich mir einen großen Schoko/Vanille/Eis-Drink und musste kurz darauf die Tablette einnehmen, da ich von einem Moment auf den anderen nicht mehr sicher auf den Beinen stand und der Raum im Café sich zu drehen begann.
Die Heimreise war grausam: Ich hatte Schweißausbrüche und war fix und fertig. Immerhin hatte der Schwindel sich relativ schnell verflüchtigt. Auch wenn sich die Behandlung sehr schonend anhört, sollte man keinesfalls alleine zur Behandlung fahren! Ich war froh, dass ich eine Begleitung dabei hatte. Am Tag darauf war alles wieder im Lot und ich stand bereits wieder in der Arbeit. Drei Tage nach der Bestrahlung wurde ich dann krankgeschrieben und musste den ganzen Tag im Bett bleiben, da der Schwindel wieder ziemlich heftig wurde. Ich hatte nie das Gefühl, ich könnte jeden Moment umfallen, viel gefehlt hätte aber vermutlich auch nicht. Über das Wochenende verschwand der Schwindel (ohne Medikamente) wieder.
Das Leben danach/Status Quo
Heute habe ich keine Beschwerden, maximale Hörleistung, keine Beeinträchtigung des Fazialisnervs, minimalen Schwindel (der auch nur auffällt, wenn ich mich wirklich darauf konzentriere und auch dann kaum bemerkbar ist). Der Tinnitus ist geblieben, wobei ich nicht mit einer Besserung gerechnet habe. Mir ist bewusst, dass die Schwellungen des Tumors noch mindestens sechs Monate anhalten können. Ich würde die Entscheidung jederzeit wieder treffen, auch wenn ich sie mir damals wohl etwas leicht gemacht habe und sich mein Zustand in den nächsten Monaten wieder verschlechtern könnte.
Das Leben danach/Zukunft
Ob die Behandlung Erfolg hatte, der Tumor somit ausgeschaltet wurde, erfahre ich frühestens bei einer Nachuntersuchung mit MRT Ende 2012. Ich denke, ich werde spätestens dann wieder berichten.
Ich hatte sicherlich Glück beim bisherigen Krankheitsverlauf und es gibt nach wie vor Genügend, was schief gehen könnte. Ich bin aber guter Dinge und versuche, das AN präsent zu haben, aber nicht zu nahe an mich heranzulassen.
Abschließen möchte ich mit einem nochmaligen Dank für die vielen interessanten, hoffnungsfrohen, zum Teil aber auch traurigen Geschichten in diesem Forum.
Einstweilen schöne Grüße
Tom