Meine vollständige AN-Krankheitsgeschichte (erw. Apr 2013)

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Bumo
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Meine vollständige AN-Krankheitsgeschichte (erw. Apr 2013)

Beitrag von Bumo » 10.04.2012, 17:45

Hallo an alle Forumsleser,

Im Jahr 2011 wurde bei mir ein AN diagnostiziert und operativ entfernt. In dieser Zeit war ich regelmäßiger Leser der Homepage der IGAN. Die wesentlichen Informationen zum AN wurden mir durch die IGAN vermittelt. Sie waren mir eine große Hilfe und haben all meine Entscheidungen stark beeinflusst. Mein besonderer Dank geht an die von Fachwissen geprägte, ausgewogene Moderation des AN-Forums durch ANFux.
Dies alles hat mich bewogen, meine persönliche Anamnese im Forum der IGAN öffentlich zu machen, um Betroffenen eventuell Orientierungshilfen anzubieten.


Meine persönliche Anamnese

Mitte Okt. 2010 habe ich mir beim Hausarzt eine Überweisung für eine HNO-Facharzt ausstellen lassen, weil sich eine Veränderung beim Hören bemerkbar machte. Bevor ich diese in Anspruch nahm, hatte ich am 20. Okt einen Hörsturz. Beim Arbeiten an der Kreissäge stellte sich eine schlagartige Hörveränderung des rechten Ohres ein – deutlich schlechteres Hören, starker Halleffekt, beginnendes, gleichmäßig zischendes Ohrgeräusch.
Am 21. Okt konsultierte ich einen HNO Arzt. Er verordnete mir Cortison-Tabletten (10 Tage je eine Tabl.)

Am 09. Nov Hörtest; ca. 30% Hörverlust im rechten Ohr.
Am 20. Dez Dopplersonographie der Halsgefäße – kein Befund.
Im 1. Vierteljahr 2011 verbesserten sich die vorgenannten Symptome nicht; im Gegenteil, es manifestierte sich ein diffuses Schwindelgefühl – kein Drehschwindel.
Ich akzeptierte meine Beeinträchtigungen und arrangierte mich irgendwie mit Ihnen.
Psychisch ging es mir recht gut. Das deutlich zischende Dauergeräusch empfand ich nur in absoluten Ruhephasen störend - schlafen konnte ich gut.
Ich bin nach wie vor sportlich aktiv; Radfahren, Gymnastik, Volleyball u.a. Eigenartigerweise ist beim Radfahren der Schwindel nicht so präsent wie beim Gehen oder Laufen. Bei gymnastischen Gleichgewichtsübungen ist eine deutliche Verschlechterung eingetreten.
Die Lärmempfindlichkeit ist deutlich angestiegen z.B. ein Handballspiel mußte ich als Zuschauer verlassen, da mir der Einsatz von Lärminstrumenten physische Schmerzen bereitete.
Da mein Hörvermögen sich verschlechterte und meinen Alltag beeinträchtigte, kontaktierte ich Mitte April meinen HNO Arzt.
Am 05. Mai wurde ein Sprachschallpegeltest durchgeführt. Daraus resultierend wurde mir eine Hörhilfe verordnet.
Um alle Eventualitäten auszuschließen, vereinbarte er einen Termin für eine Kopf-MRT.

Am 11. Mai 2011 MRT - Diagnose: Es wurde ein relativ großes AN im rechten KHBW festgestellt. Am 12. Mai Ergebnis meinem HNO übergeben – er beriet sich kurz mit seinem Praxiskollegen und meinte wegen der Größe des AN müßte es operativ von einem Neurochirurgen entfernt werden. Er empfahl mir es vor Ort in der UK Gießen machen zu lassen.
Umgehend wandte ich mich an die UK Gießen und bekam einen Termin zum 20.06.2011.

Nach intensiver Beschäftigung mit dem AN, besonders auf der Homepage der IGAN, Gesprächen mit Ärzten und dem Besuch einer Selbsthilfegruppe in Gießen am 17.05., bemühte ich mich um einen Termin in der 290 km von meinem Wohnort entfernt liegenden UKT Tübingen. Nachdem ich dort eine Zusage für Dienstag den 19.07.2011 – 11:00 Uhr erhielt, stornierte ich den Termin in der UK Gießen.

Am 19. Juli 11:00 Uhr ambulante Erstvorstellung in der Neurochirurgie Tübingen. Nach einem ca. 20-minütigen Gespräch mit Prof. Dr. med. F. Roser, bei dem ausführlich die therapeutischen Möglichkeiten besprochen wurden, entschied ich mich für eine Operation in Tübingen.

Anfang August erhielt ich einen Termin für die stationäre Aufnahme am 29.09.2011 –
OP Termin – Freitag den 30.09.2011.
Ab dem 05.09.2011 verstärkte sich mein Schwindel deutlich. Ich fühlte mich wie ein Betrunkener – seit 10.09. verbesserte sich mein Zustand auf ein von mir empfundenes, besseres Niveau als vorher.

Am Donnerstag, den 29.09. stationäre Aufnahme und Durchführung aller voroperativen Untersuchungen (EKG, Kopf MRT, Blutabnahme, Herzschalltest, AEP Test [akustisch evozietes Potenzial] Anästhesie- und Arztgespräch).
Am Freitagmorgen definitiv Absage der OP (war organisatorisch nicht möglich, wegen eines nicht vorhersehbaren Notfalls).
Anfang Oktober Neufestsetzung des OP-Termins.
Stationäre Aufnahme am Dienstag, den 01.11., 15:00 Uhr; OP-Termin 02.11.2011.

Veränderungen meines seitherigen Befindens sind folgende: Taubheitsgefühl hinter dem rechten Ohr, am rechten Auge Druckbeschwerden, Ziehen in der rechten Nackenseite, zunehmendes Ohrgeräusch, wechselndes Schwindelgefühl.

AN-OP Tübingen
Anreise am Dienstag (Feiertag, Allerheiligen) den 01. Nov. 2011 15:00 Uhr.
Neurochirurgie – 5. Stock – Station 42 – Zimmer 114.
Am 02. Nov 9:00 Uhr Abholung zur OP. - Vorbereitung in der Anästhesie - 9:20 Uhr – Narkose.

Erste Wahrnehmung nach der OP: 17:00 Uhr – Ansprache – Frau und Sohn waren da.
Probleme mit dem Blasenkatheder - Undichtigkeit bei falschem Verhalten - starkes Unwohlsein - mehrmaliges Erbrechen - eine unruhige, lange Nacht – von mir gefühlte 2 Stunden war eine Viertelstunde – sehr gute, fürsorgliche Betreuung. Nach der Kontroll-MRT wurde ich gegen 11:30 Uhr des 03. Nov auf Normalstation gebracht.
Bei der Visite testeten die Ärzte meine Mimik – waren sehr zufrieden und teilten mir als Ergebnis der MRT eine 100%ige Entfernung des AKN mit – an diesem Tag phasenweise Unwohlsein mit Erbrechen und eine lange Nacht.

Am Freitag, den 04. Nov erste Nahrungsaufnahme – Brötchen mit Marmelade und Kaffee.
Entfernung des Blasenkatheders und intravenösen Zugangs am Hals – Erneuerung des Verbandes ohne Kopfbinde.
Besuch der Physiotherapeutin – leichte Gymnastik im Bett – erstes Aufstehen und unsicherer Gang durchs Zimmer – gegen Mittag letztes Erbrechen. Am Nachmittag nochmals Bewegungstherapie (Seiltänzergang).
Mein Operateur – Prof. Dr. Roser und der Stationsarzt besuchten mich. Sie waren mit dem Verlauf der OP und der postoperativen Phase sehr zufrieden. Die Entfernung des Tumors am geöffneten Schädel dauerte 95 min. Es handelte sich um einen den Hirnstamm bedrängenden T4a (siehe Dateianhang).
hirnstammUndEinteilungTumorstadien.JPG
Schema des Gehirnstamms sowie tabellarische Einteilung der Tumorstadien mittels Hannover-Klassifikation
(56.94 KiB) Noch nie heruntergeladen
Sie prophezeiten mir für jeden Tag eine deutliche Verbesserung meines Befindens – was sich bewahrheitete.
Das Wochenende habe ich mit viel Schlaf und Bewegung verbracht.
Bei der Visite am Montag, den 07.11. bekam ich mitgeteilt, dass ich am Mittwoch, den 09.11. entlassen werde.
Am Abend um 18°° Uhr erneuter AEP-Test - er fiel geringfügig schlechter aus, als vor der OP, was ein nur noch minimales Hören rechtsseitig bedeutet. Die durchführende Ärztin war bei der OP für das Neuromonitoring der gefährdeten Hirnnerven zuständig und sagte mir, der Hörnerv konnte erhalten werden, gab aber so gut wie keine Impulse weiter – Das Ohrgeräusch ist unverändert präsent. Der Schwindel hat sich verstärkt, aber das Ziehen im Nacken ist weg. Mir wurden präoperativ auch keinerlei Hoffnung auf eine Verbesserung des Hörens und des Ohrgeräuschs gemacht.
Warten wir die weitere Entwicklung ab.
Am Mittwoch, den 09.11. vormittags wurde ich entlassen mit der Maßgabe, in ca. 3 Monaten mit aktuellem MRT und Hörtest in der Schädelbasis-Spezialsprechstunde zu erscheinen. Termin 8 Wochen vorher anmelden – OP-Bericht mit anfordern! Die Heimfahrt im PKW verlief problemlos.
Die Sozialberatung der UKT vereinbarte eine Anschlussheilbehandlung (AHB) mit dem von mir vorgeschlagenen
MediClin-Reha-Zentrum Bad Orb ab Montag den 14.11.2011.

Die AHB in dem MediClin-Reha-Zentrum Bad Orb vom Montag 14.11. bis Di, 06.12. war rückblickend für die Mobilisation meiner Kräfte und dem Ausgleich von Defiziten (Gleichgewicht) äußerst wichtig und erfolgreich. Am Ankunftstag wurden die Fäden gezogen. Besonders Einzelphysiotherapie, funktionelle Gymnastik, Gleichgewichtsschule und Terraintraining im Gelände (7 Mal 5 km schnelles Gehen) sind hervorzuheben. Ab dem 22.11. war ich für Wassergymnastik und freies Schwimmen zugelassen. Die Abende nutzte ich oft für sportliche Aktivitäten wie Tischtennis, Badminton und Schwimmen. Zudem blieb mir genug Muße für Lesen u.a. Resümee am Ende der AHB: Meine körperliche Fitness und Ausdauer haben sich mehr als stabilisiert. Mein Gleichgewichtsgefühl ist besser als vor der Operation.
Leichte Sehstörungen sind vorüber. Eine minimale Geschmacksveränderung rechtsseitig hat sich manifestiert.

Am Donnerstag, den 08.03.2012 habe ich mich ambulant in Tübingen vorgestellt, worauf ich am 16.03. folgende Nachricht erhielt:

„Anamnese:
Bei der heutigen ambulanten Erstvorstellung postoperativ beschreibt der Patient einen sehr erfreulichen Verlauf durchlebt zu haben. Er ist mittlerweile im Alltag wieder voll belastbar, macht Sport, fährt Fahrrad. Der Tinnitus ist unverändert, ein Resthörvermögen rechts ist vorhanden. Ein aktuelles Audiogramm vom 11.01.2012 zeigt einen Frequenzabfall im Sprachtonbereich von 40 – 70 dB bei schlechter Sprachdiskrimination. Eine Fazialisparese hat nie vorgelegen…, keine Synkinesien. Die Schwindelsymptomatik tritt lediglich beim Dunkeln oder schnellen Bewegungen unter Verlust des Horizonts auf, ist insgesamt aber besser als präoperativ.
Die uns vorgelegte Kernspintomographie des Kraniums vom 06.03.2012 zeigt regelrechte postoperative Verhältnisse ohne Hinweise auf Rest- oder Rezidivtumor.
Wir besprachen mit dem Patienten ausführlich das weitere Vorgehen. Eine Hörverbesserung mit entsprechender angepasster Hörunterstützung ist möglich, gegebenenfalls ist eine Stimulation erfolgreich. Eine kernspintomographische Kontrolle in 2 Jahren ist ausreichend. Eine Einschränkung im Alltag ist nicht erforderlich, der Patient führt schon jetzt intensive sportliche Rehabilitationen selbstständig durch.
Ein insgesamt sehr erfreulicher Verlauf…
Gez. Prof. Dr. med. F. Roser
Oberarzt”



Weiterer Verlauf meiner Krankheitsgeschichte bis zum 01. April 2013

Da sich das von mir empfundene stark eingeschränke Hören rechtsseitig im Verlauf des Frühjahrs 2012 nicht verbesserte, konsultierte ich meinen HNO-Arzt. Ein erneuter Hörtest ergab jedoch ein relativ gutes Resthörvermögen und man empfahl mir, die Defizite mit einem Hörgerät auszugleichen.
Am 30. Mai 2012 hatte ich einen Termin bei einem Akustiker. Der dortige Hörtest fiel wesentlich schlechter aus. Beim Test wurde das Mithören des gesunden linken Ohres durch Geräusche unterdrückt, um die tatsächliche Hörleistung des rechten Ohres zu ermitteln, mit dem Ergebnis, dass das Sprachverständnis des kranken rechten Ohres gleich null war. Es wunderte mich sehr, dass dies beim HNO-Arzt nicht erkannt wurde oder wegen Fehlens technischer Ausstattung nicht möglich war. Ich erhielt ein Hörgerät zum Testen. Es handelte sich um ein Phonak "Audéo S Mini", ein sehr kleines Gerät mit einem Lautsprecher, der mit dem Ohrpassstück "Slim-Tip" im Gehörgang fixiert wurde. Es sollte erprobt werden, ob mit diesem Gerät eine Hörstimulation erreicht werden kann. Resümee am 4. Juni:
Ich kam gut mit dem Gerät zurecht. Leider war eine Verbesserung des Hörens, wenn überhaupt, sehr gering.
Der Test wurde bis zum 20. Juni verlängert mit dem Ergebnis, dass keine Verbesserung des rechtsseitigen Hörens erreicht wurde. Wir vereinbarten, es Ende des Jahres erneut mit einer CROS-Versorgung auszutesten.
Ende Oktober nahm ich einen kostenlosen Hörtest bei einem anderen Akustiker in Anspruch, mit dem Ergebnis, dass das sprachliche Hören und Verstehen rechtsseitig kaum vorhanden war und nur mit einer CROS-Versorgung auszugleichen wäre. Vom 5. bis 20. November 2012 habe ich folgendes CROS-Gerät getestet:
- rechts Hörgerät Phonak HdO CROS,
- links Hörgerät Phonak HdO Audéo S Smart III.
Der Test ergab Folgendes:
Meine Gesamthörsituation verbesserte sich eindeutig, besonders die Lokalisierung von Geräuschen und Ansprache von rechts waren wieder möglich und erleichterten somit die Teilnahme am sozialen Leben. Auch empfand ich meinen nach wie vor starken Tinnitus als weniger störend. Der Preis von 2626 Euro, von dem ich nach Abzug des Krankenkassenanteils von 717 Euro noch einen Eigenanteil von 1909 Euro zu zahlen hätte, schreckte mich ab, eine Entscheidung pro CROS-Versorgung zu treffen. Nach Rücksprache mit meiner Krankenkasse AOK Frankfurt und umfassender Darstellung meiner Situation wurde eine Erhöhung des Krankenkassenanteils abgelehnt. Im Frühjahr 2013 testete ich noch die technisch anspruchsvollere, 400 Euro teurere Version "Audéo S Smart V", die jedoch keine weitere Verbesserung brachte. Nach eindringlichem Zureden meiner Familie - sie wiesen mich immer wieder darauf hin, dass auch ihr Umgang mit mir mit CROS-Versorgung erleichtert würde und ich auch deutlich leiser spräche - entschied ich mich Ende März für eine CROS-Versorgung.
Nach wie vor habe ich diffusen Schwindel, mit dem ich mich jedoch arrangiert habe.
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