Leistungsfähigkeit und Kommunikation in Alltag und Beruf

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neni
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Leistungsfähigkeit und Kommunikation in Alltag und Beruf

Beitrag von neni » 25.04.2010, 21:35

Einseitiges Hören strengt sehr an

Hallo *

Mich würden Eure Alltagserfahrungen bezüglich Kommunikation und Leistungsfähigkeit interessieren ...

... bin in den letzten Wochen und Monaten draufgekommen, dass ich seit der OP in Gruppengesprächen ruhiger geworden bin, weil es mich sehr anstrengt, diesen Gesprächen zu folgen. Ich muss mich enorm konzentrieren um meinen Gesprächspartnern folgen zu können und bekomme teilweise gar nicht mal mit worum es so geht ... vor allem wenn Hintergrundgeräusche vorhanden sind...

Mich scheinen diese Situationen derartig anzustrengen - dass sich meine Kopfschmerzen deshalb extrem häufen und ich komplett überfordet bin am Ende des Tages... und uuunendlich müde.....

Habe jetzt festgestellt, dass es mir besser geht, wenn ich die diese Situationen eingrenze ... und überlege mir nun sogar meine Arbeit zu wechseln aus diesem Grund ...

Hab die letzten Monate sehr mit mir gekämpft und normal gearbeitete und meine Probleme immer versucht zu kompensieren aber es is doch einfach extrem anstrengend irgendwie... mhh....

Wie sind da Eure Erfahrungen?

Viele liebe Grüße *
neni
AKN re -Diagnose 11/05 - OP 08/09 bei Prof. Tatagiba/Tübingen; Lumbaldrainage nach OP, keine FP, kein Schwindel, kein Tinnitus, Hörerhalt aber mit Hörminderung nach OP;
ChrisG
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Re: Alltag/Beruf - Leistungsfähigkeit & Kommunikation?

Beitrag von ChrisG » 26.04.2010, 00:35

Tips zum Leben mit einseitigem Gehör

Hi neni,

meine OP ist bereits 10 Jahre her und bin seitdem einseitig taub.

Klar, sich in einer geräuschvollen Umgebung oder gar in einer Kneipe auf ein Gespräch zu konzentrieren, ist anstrengender. Man kann sich nicht mehr so gut auf eine Stimme konzentrieren, bzw, hört bedingt durch die einseitige Taubheit/Hörminderung viele Feinheiten nicht mehr. Nur in ruhiger Umgebung macht das keine Probleme.

Wenn du also z.B. beruflich viel zuhören musst, so sage den Gesprächspartner immer klar, dass du auf einen Ohr schlecht hörst, und z.B. in lauten/geräuschvollen Umgebungen bittest, an einen ruhigeren Ort zu gehen.
Auch bitte ich z.B. wenn ich mit mehreren Leuten am Tisch sitze, darum, dass ich immer so sitzen kann,dass ich mit dem hörenden Ohr richtig sitze.
Es ist wichtig, dass deine Gesprächspartner wissen, dass du auf einem Ohr schlecht hörst, man kann das ja nicht sehen.

Wenn man merkt, man ist wegen des Zuhörens überanstrengt, so am besten das Gespräch vertagen oder eine Pause einlegen oder ruhigeren Ort suchen.

Das Gehirn passt sich durchaus an das "neue" Hören nach der OP an. Das kann aber dauern und das Lernen des "neuen" Hörens kann sicher anstrengend sein und wird mit der Zeit besser werden. Bei mir hat das über 1 Jahr gedauert. Je nachdem wie stark deine Hörminderung ist und wie gut dein Gehörn vorher ausgeprängt oder geschult war dauert das eben, und das ist wohl bei jedem anders.

Ich war ca. 2 Wochen nach meiner OP in einem Cafe, in dem vielleicht 4 Leute waren und recht ruhig. Nach einer halben Stunde war es mir völlig schlecht und ich wurde ganz bleich im Gesicht. Durch das plötzliche taubsein auf einem Ohr ein komplett ungewohnter Höreindruck entstand, was das Gehirn einfach noch nicht gewohnt war, und nicht damit umgehen konnte. Das war nach 1 Jahr alles kein Problem mehr.

Ich denke, Überanstrengungen - vor allem lange - sollte man vermeiden.

Hast du dich mal beim HNO Arzt wegen einen Hörgerätes erkundigt? Was meint der? Ich würde erst mal ein Jahr ohne probieren, und so dem Gehirn Zeit zum Anpassen geben.
Hörgeräte können zwar den Frequenzgang ausgleichen, also z.B. hohe Töne verstärken, wenn da eine Hörminderung besteht, aber das Richtungshören, was z.B. bei Gesprächen in Kneipen sehr wichtig ist, wird mit Hörgeräten eher schlechter (wenn da jemand anderes Wissen/Erfahrungen hat, bitte melden).

Letzendlich ist sicher auch Ausgleich wichtig, bei der sich der Kopf/das Gehör erholen kann.

alles Gute,
ChrisG
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Re: Alltag/Beruf - Leistungsfähigkeit & Kommunikation?

Beitrag von ANFux » 26.04.2010, 12:08

Schone das Gehör und passe Dich der Situation an

Liebe neni,

Du gehörst ja zweifellos zu den "Gesegneten", damit meine ich diejenigen, die fast keine bleibenden Defizite nach der AN-OP haben. Das sollte aber Ansporn sein, das eine Defizit - bei Dir die Schwerhörigkiet auf der operierten Seite - nicht über Gebühr zu strapazieren, sondern "behutsam aufzubauen".
Und zu behutsam gehört "langsam, alternierend, kontrolliert, mit Pausen". Du warst relativ schnell in Rockkonzerten, was sich andere ewig oder immer verkneifen müssen.

Du hast schon auf früherer Beiträge sehr informative Zuschriften erhalten. Auch die jüngste von ChrisG ist wieder voll zutreffend.
Gib Deinem Gehör, Deinem Gehirn Zeit, sich an die neue Situation zu gewöhnen. Gib beiden auch Gelegenheit, sich daran zu gewöhnen. Aber eben sachte und nicht mit Gewalt. Nicht allen lärmenden Situationen ausweichen, aber alles dosieren!
Und wenn etwas nicht mehr zu beheben ist, dann muß man sein Verhalten umstellen. Völlig richtig, was ChrisG über das Informieren über Deine "Behinderung" und über die Sitzordnung geschrieben hat. Gewöhne Dir das an, und alles wird schon wieder ein bißchen leichter.

Glaube das den "alten Hasen" in puncto Einohrhören.

Beste Grüße
ANFux
1939, m. '94 transtemp. OP (15 mm) in Magdeburg/Prof. Freigang, einseitig taub, kein Tinnitus, keine Fazialispar. Rehakur in Bad Gögging. '96-'04 im Vorstand d. VAN in D, seitdem Beratungen zum AN. Ab '07 Moderator, ab '08 Homepage-Verantwortl.(bis 2012)
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Re: Leistungsfähigkeit und Kommunikation in Alltag und Beruf

Beitrag von neni » 26.04.2010, 18:05

Vielen lieben Dank für Eure Antworten *

Ich bin keineswegs verzweifelt oder überrascht oder undankbar - im Gengenteil. Eigentlich war ich bisher überrascht, dass es mir so 'gut' ging im Vergleich und ich relativ wenig Probleme hatte ...

Ich danke Euch sehr und ich kann Euch auch nur zustimmen - und ich habe und handhabe es auch genauso wie Ihr es erklärt habt im Alltag...

Ich überlege aber auch neue (berufliche) Wege zu gehen, mit meiner neuen Lebensitation weiiil es drängt sich mir grundsätzlich die Frage auf:

Wann lasse ich mich 'behindern'
Wann werde ich 'behindert'
und
Wann 'behindere' ich mich vielleicht sogar selbst ?

Möglicherweise wäre es ja auch ein Fehler, wenn ich mich mit etwas abmühe, wenn es doch viel einfacher gehen würde und mich anpasse an mich :D

(das ich ist hier mehr objektives ich als subjektives ich - also allgemeiner ich als mensch)

Liebe 'alte Hasen' - :D
Wie seht Ihr das?

Habt Ihr keine Dinge und Perspektiven verändern müssen?
Anfux - hast du mir nicht mal geschrieben auch - nichts ist wie vorher? *


*viele liebe Grüsse*
neni
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Re: Leistungsfähigkeit und Kommunikation in Alltag und Beruf

Beitrag von ANFux » 26.04.2010, 18:21

Neue "Normalitäten"

Liebe neni,

ja das habe ich - neben vielem anderen - geschrieben, und ich stehe auch noch dazu. Vielleicht mißverstehen wir uns hier.

Ich hatte gar keine Gelegenheit, mich vorher zu informieren und damit auch keine, mir viele Gedanken zu machen. Aber ich hatte nie erwartet, daß ich nach so einer Operation mit allseits gleichem Leistungsvermögen weiterleben könnte.
Und so handhabe ich es auch heute. Gerade vor wenigenMinuten habe ich Ubsl geraten, es nicht zu erwingen, radfahrend nach hinten zu schauen. Das habe ich mir auch abgewöhnt, und ich leide nicht darunter. Ehrlich.

Deine Fragen sind interessant, mal sehen, was andere dazu meinen.
Beste Grüße
ANFux
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Re: Leistungsfähigkeit und Kommunikation in Alltag und Beruf

Beitrag von marmott » 26.04.2010, 21:48

Meine Erfahrungen mit Einschränkungen

Liebe Neni,

natürlich habe ich Dinge ändern resp. anpassen müssen oder sagen wir besser, mir zuliebe, ändern wollen. Viele Menschen um mich herum wissen nun, dass ich einseitig taub bin. Das heisst, ich musste lernen, mich in einem Restaurant vorzudrängen und mir zu überlegen, an welchem Platz ich am besten hören kann. Das hat lange gedauert. Jetzt nach 3 Jahren kann ich sehr souverän damit umgehen.

Es heisst aber auch, dass sich dein Umfeld halt auch anpassen "muss", resp. das gerne für dich macht. Aber du musst sie halt darum bitten, weil sie - unabsichtlich - nicht immer daran denken, was genau jetzt für dich am besten ist.

Ich bin sehr schreckhaft und das hört man :wink: . Also kann ich im Büro gut gestehen, dass ich jemanden nicht gehört habe, wie er hinter meinem Rücken neben meine Seite gestanden ist. Sag es den Leuten, immer wieder, damit sie sensibilisiert werden.

Ich kenne mittlerweile die Restaurants und Bars in der Region, welche laut (da bin ich quasi als Dekoration dabei, weil ich nichts zum Gespräch beitragen kann) und welche angenehm für mich sind. Es ist klar, die lauten sind anstrengend. Aber auch das sei dir versichert, wird immer einfacher. Der menschliche Körper kann sich vielem anpassen.

Ich weiss, dass ich in der Dämmerung / Dunkelheit Probleme mit Gehen auf schmalen Wegen habe. Da spielen mir die Augen / Gleichgewicht lustige Streiche. Ich weiss das, also klammere ich mich an jemanden in der Nähe oder nehme einen Wanderstock (ich bin viel in den Bergen) zu Hilfe.

Weisst du, du spürst ja selbst, wie es dir am besten geht. Du musst vieles ausprobieren, wie es für dich stimmt. Und einfach nichts erzwingen. Wenn es zu laut ist, melde dich bei deinem Umfeld und wechsle die Umgebung...

Ich habe auch viel Neues, Schönes noch intensiver gelernt. Sehe die Blumen auf den Felder blühen, höre die Vögel pfeifen, sehe die Rehe weiden...

AnFux hat recht. Ein solches Erlebnis verändert einen. Es kommt halt auf jeden einzelnen darauf an, was er daraus macht.
In meinem Fall habe ich mir Wünsche erfüllt, die ich schon immer mal machen wollte. Sachen, von denen ich früher gedacht habe, das kann ich doch nicht machen. Wieso nicht?

Also liebe Neni, stehe für dich selbst ein. Finde deinen Weg, der nicht immer gerade aus geht und lass dir von deinen Freunden helfen und dich unterstützen

So, das war das Wort zum Sonntag :D

Liebe Grüsse
Marmott
w, 1971, 2007 AN r., 4.2 x 3 x 4cm, 2x OP in Bern in 2007, 1.8x1.9x1.1cm in 2009. Fazialisparese, taub r., Rezidiv 2.2x1.3x2.4cm am 25.2.10, OP am 14.9.2010 in Tübingen, Prof. Tatagiba. Gefühlsstörungen, Lähmungserscheinungen, Lärmempfindlich,glücklich:-)
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Re: Leistungsfähigkeit und Kommunikation in Alltag und Beruf

Beitrag von Lilo » 27.04.2010, 09:51

Trotz Beschwerden an Plänen festhalten

Liebe neni

ich verstehe deine Verunsicherung und deine Überlegungen sehr gut.-In unserer Gesellschaft ist es teilweise nicht leicht seine Bedürfnisse "einem Handicap" entsprechend-aber auch im "Normalfall" durchzusetzen.

Vielleicht geben Dir meine Erfahrungen ein paar Anhaltspunkte. Als ich von meinem AN erfuhr, absolvierte ich gerade die Matura berufsbegleitend, was sehr intensiv war. Mein Traum war es nach einer kaufmännischen Grundausbildung an die Universität zu gehen und ein Studium aufzunehmen.-Deshalb die Matura auf dem zweiten Bildungsweg. Nach der Diagnose, OP und Reha kam die Frage, ob ich an meinen Plänen festhalten soll bzw. kann. Ich hatte zeitweise grosse Zweifel, ob ich das schaffen würde. Mein Chirurg und mein Hausarzt haben mich darin bestärkt, an meinen Plänen festzuhalten.-Eine andere Institution (die ich hier nicht nenne) wollte, dass ich zurück aufs Büro gehe-dies natürlich in ihrem finanziellen Interesse. Ich hab mich durchgesetzt und bin meinen Weg gegangen.

-Im Herbst/Winter 2010 beginne ich mit meiner Lizarbeit und bin guten Mutes alles hinzukriegen. Ich will hier aber auch die Schwierigkeiten benennen: ich muss meine Zeit sehr gut einteilen (Konzentration, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Schwindel), Kräftemässig könnte ich neben dem Studium nicht arbeiten-deshalb wohne ich noch zu Hause (bin also weniger selbständig), an der Uni ist es manchmal ja wie in einem Wespennest (bin dann manchmal sehr gestresst und müde), mit einer Fascialisparese Referate zu halten ist gewöhnungsbedürftig und es gibt Tage an denen ich mich geniere; Exkursionen meide ich, weil ich leider die Erfahrung gemacht habe, dass trotz Information über meine Vorgeschichte keine Rücksicht genommen wird.-Gut ich mag halt dann die Leute auch nicht immer daran erinnern.-Aber dies alles kann meine Zufriedenheit und mein Glück nicht aufheben.-Die Freude darüber, dass ich diesen Weg trotz allem (halt langsamer und mit ein paar Unterbrüchen) gehen kann, überwiegt! Ich weiss, wahrscheinlich habe ich auch optimale "äussere" Bedingungen.

-Was Musik und Gesprächsrunden betrifft. Es sagt mir nicht mehr zu, in laute Lokale zu gehen. Bei Abendessen u.ä. setze ich mich an den äusseren Platz, so dass ich das richtige Ohr in die Runde gerichtet habe. Wenn dies mal nicht klappt und ich in der Mitte von zwei Menschen sitze, sage ich dem Gesprächspartner auf der linken, dass er mich bitte antippen soll, damit ich in seine Richtung schaue und ich ihn verstehen kann.

Wir müssen uns zur Wehr setzen, wenn wir von anderen behindert werden.-Natürlich kann man die Lebensumstände und berufliche Situation an das Handicap anpassen-aber ich zweifle daran, dass dies für die Psyche und den Selbstwert der richtige Weg ist.

Also, halt an deinen Plänen fest. Viel Glück und alles Gute
Lilo
1979, w, Subtotalentfernung eines AN (4,2x3,8x3,7 cm, links mit erheblicher Verlagerung und Deformation des Hirnstammes) im Juni 2000, Neurochirurgie Kantonsspital St. Gallen, Rest-Fazialisparese, links taub, Tinnitus, diskrete Fussheberparese links.
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