Musik - Musiker - Akustikusneurinom

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ANFux
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Musik - Musiker - Akustikusneurinom

Beitrag von ANFux » 16.03.2010, 13:22

Eine Bitte an die Musikfreunde

Liebe Musikfreunde unter den AN-Betroffenen,

ein Akustikusneurinom gefährdet meist das Hörvermögen, und zwar allein schon durch seine Existenz, und heute leider noch in erheblichem Umfang auch nach der Therapie, wenn das Hörvermögen nur noch reduziert gegeben ist, wenn man einseitig taub ist, wenn das stereophone Hören unmöglich ist und wenn auch noch Tinnitus auftritt.

Diese Beeinträchtigungen verkraftet die/der eine anders als der/die andere. Besonders betroffen sind natürlich Leute, die Musik zu ihrem Beruf gemacht haben. Aber auch eingefleischte Musikliebhaber leiden mehr unter Beeinträchtigungen des Hörens als Leute mit anderen Lebensschwerpunkten.

Unter den Forumsmitgliedern sind einige, die Musik zum Beruf gemacht haben - monula, sciurus und banamani, Anho, Pinguin. Mindestens drei von ihnen sind auch schon therapiert, sie wurden operiert.
Als ausgesprochener Musikliebhaber hat sich z.B. Max zu erkennen gegeben.
Ich bin sicher, daß das nicht alle sind.

Ich bitte hiermit die Genannten, ihre Erfahrungen mit dem eingeschränkten Gehör mitzuteilen.
Wie habt Ihr es gepackt? Was war besonders schwierig? Welche Rolle spielen die Partner? Gab und gibt es besondere Höhen und Tiefen? Könnt Ihr heute noch einen erinnernden Vergleich zu früher ziehen?
Welche Rat könnt Ihr anderen geben?

Ich würde mich über viele Beiträge freuen. Natürlich können sich alle Forumsmitglieder zu diesem Theam zu Wort melden.

Beste Grüße
ANFux
1939, m. '94 transtemp. OP (15 mm) in Magdeburg/Prof. Freigang, einseitig taub, kein Tinnitus, keine Fazialispar. Rehakur in Bad Gögging. '96-'04 im Vorstand d. VAN in D, seitdem Beratungen zum AN. Ab '07 Moderator, ab '08 Homepage-Verantwortl.(bis 2012)
sciurus
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Re: Musik - Musiker - Akustikusneurinom

Beitrag von sciurus » 16.03.2010, 16:17

Hallo liebe Forenmitglieder,

zu dem Artikel von ANFUX habe ich Folgendes zu sagen:
(ich bin nur Musikliebhaber & Hobbymusiker)

Erst einmal mein Stand nach der OP:
- Bin in der Eingliederung im Beruf
- Nach der Op des 9.11.2009 bin ich rechts taub
- ein Tinnitus meliert in verschiedenen Nuancen, Stärken
- keine Hörhilfen !

Nun die derzeitige Situation im Beruf in Bezug auf das Hören:
- Fahren im KFZ: Geräusche, Radiohören und Telefonieren mit Freisprecheinrichtung ist ok, bei langen Strecken nehme ich einen Ohrstopfen in das gesunde Ohr: das unterdrückt den Tinnitus, da keine monotonen Lüftergeräusche des Gebläses und Wind- sowie Rollgeräusche des Fahrens zu hören sind (muss aber jeder selbst entscheiden, da es auch von Nachteil sein kann KFZ spezifische Geräusche eventuell als Gefahr nicht mehr zu erkennen)

- Gespräche im Abstand 1-1,5 Meter mit Kunden: geht gut, man dreht sich automatisch mit der gesunden Seite zum Gespräch einer Person. Bei 2 Personen im Gespräch und auch Geräuschen im Zimmer strengt es an und man muss öfter das Gesagte des Parnters zu Wiederholung erbitten

- Sitzungen des Kollegiums: sind sehr anstrengend und ermüden, wenn die Teilnehmer keine Rücksicht nehmen auf den AN Patienten. Jeder redet, wie er will,... wir haben in meiner Gruppe neue Regeln wegen mir und zum Vorteil schont es einem Kraft/Konzentration in der Sitzung

[ [/bb]- Große Räume (Saal beim Essen, Werkshallen]Produktion,...meide ich , wenn es geht, denn man ist schnell überfordert, wenn die massive Geräuschkulisse "mono" kommt, die Bilder aber Räumlich (3D) sind - das Gehirn schafft sich müde - die Körperbalance und das Gleichgewicht arbeiten extrem !

*** Nun zum MUSIZIEREN***

Ich spiele Bariton Horn / Cello und E Bass (alle Instrumente hatte ich erlernt):

- Horn: durch leichte Fazialis habe ich immer noch keinen richtgen Druck für die Lippen, die Luft entweicht aus dem Mundstück, die Kontrolle ist weg. Nicht spielbar. Der Druck wäre für den Kopf zu hoch und für den Hirn- und Wundbereich schädigend. Wenn das bei einem Bariton Horn schon nicht geht, wird es für Trompeter (schwierigerer Ansatz), Tubisten (brauchen viel mehr Luft) und anderen Blasinstrumenten einige große Zeit nicht gehen. Oboe z.B. mit viel Druck - sicherlich länger ohne Erfolg.
Einziger mir erscheinender, hörbarer Vorteil, wenn man das Ansatzproblem und Druck Problem im Kopf überwindet /überwinden kann: Intonation leichter, als bei den Streichern, da Resonanz mithilft beim Hören. Blasinstrumente liegen direkter an den Sinnesorganen an und geben genaueres, direkteres Feedback !!!

- Cello und Ecello spiele ich gerne zur Zeit nur für mich. Cello stellt kein Problem dar als Solist. Improvisieren und "loslassen" der Seele ist mir heilig und hilft der Psyche. Allerdings ist es mit einem Ecello viel schwieriger, als zum herkömmlichen Cello, denn die Töne kommen aus einem Lautsprecher. Man hat keine Vibration und Resonanz direkt am Körper. Ein Lautsprecher und die Tonentfaltung sind in jedem Raum unterschiedlich - sich darauf einzustellen fällt als AN Patient/mit einem Gehör schwer. Wenn man nicht begleitet wird, also Play Alongs spielt oder Loops, Phrasen vom Band, dann ist das schwer, weil man sich auf sich selbst sehr konzentrieren muss - die eingespielte Musik keinen Tempofehler verzeihen kann. Bei einem Duett, mit Spielpartner ist das kein Problem, wenn er z.B. mit dem Klavier die Probleme des AN Patienten korrigiert im Maße einer agogischen Veränderung:-)

- Ebass: Tja, Ebass ist auch nicht gleich Ebass - in einer Band spiele ich diesen nicht, da wäre alles laut und powervoll (auf der einen Seite anstrengend wegen der Lautstärke) / (auf der anderen Seite muss man sich kaum um eine filligrane Dynamik kümmern) !
Schwierig ist es mit 40 Brass Bläsern in der Big Band: schwere Läufe, Begleitungen, Spielnuancen, großer Dynamikumpfang werden zur Qual bei der eigenen Einstufung der Dynamik, dem Druck der Box zur Gestaltung des "Klangeppichs" !
Ein Bass mit Bünden stellt ein kleineres Problem dar für die Intonation - ich spiele diesen bundlos und setze meine Finger nach meinem Können und dem Hörvermögen der Intonation, trainiert durch das Cellospiel. Anstrengend !

Generelles Fazit als Hobbymusiker: wer Musiker ist und Musik liebt, wird sich bestraft fühlen ! Sehr bestraft ! Wer Musik macht als Hobby wird es vielleicht schaffen wenn er den Druck rausnehmen darf durch die Erwartungen seiner Musikerkollegen - Geduld ! (So die Erfahrung in meinem Orchester und mit einem tollen Dirigenten) (Nach Auftritt von 3 Stunden bin ich völlig erschöpft !!!)

Wer von Beruf wegen Musik macht und machen muss, um sein tägliches Brot zu verdienen ist nicht zu beneiden. Da habe ich aber keine Erfahrungen und bin froh darüber nur in einem nicht musiklaischen Beruf tritt fassen zu müssen !

Ein Kommentar eines Musiker wäre toll an dieser stelle.

Stand Neu: Januar_2012
Ich habe im März 2011 das Musizieren im Orchester aufgegeben.
Lautstärken, Intonation, Konzentration fordern zu stark. Tinniuts wird dann schlimmer. Gesichtsnerven verspannen durch die Konzentration und Ermüdungsverschleiß. Es geht nur noch für das Solospielen und auch nur dann, wenn die Sehnsucht nach Musim größer ist, als die Strafe danach, es doch gemacht zu haben....!


Dennoch als Eigenwerbung: http://www.ecello.de
So spiele ich - und ein Stück ist auch meinem Operteur gewidmet: "Akkustikusneurinom" an Prof.Dr. Mann Uni Klinik Mainz !!!
Zuletzt geändert von sciurus am 02.02.2012, 14:27, insgesamt 3-mal geändert.
AN OP Nov 2009 in Mainz Uni Klinik/Tumor 3,5x5mm im inneren Gehörgang. Post operativ: Tumor total entfernt/Taubheit/Fazialis Parese/Tinnitus/Gleichgewichtsprobleme/einige Synkinesien seit Mai 2010/bei Körperbelastung tränt Auge;
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Re: Musik - Musiker - Akustikusneurinom

Beitrag von Max » 16.03.2010, 22:36

Lieber ANFux, liebe Forumsmitglieder

ja ich spiele ein Instrument als Hobby.
Wie ich schon in meinem anderen Beitrag geschildert habe, war ich ein halbes Jahr nicht fähig mein geliebtes Tenor-Saxophon zu spielen, auf Grund der doch erheblichen Facialis-Parese.

Nach einem halben Jahr Ergotherapie konnte ich wieder aus dem Mundwinkel spielen. Allerdings hat in der Zwischenzeit meine Tochter das Tenor-Sax beschlagnahmt. Auf eine spezielle Art war ich froh darüber, so konnte ich mir ein im Verein noch fehlendes Bariton-Sax besorgen, und dadurch mit mehr Bass-lastiger Stimmlage, und den entsprechenden kurzen bis längeren Pausen, die benötigte Entspannung der Mundmuskeln erzielen und dazu die benötigte Luft holen.

Das linke Ohr hört nichts mehr, und das irritiert mich höchstens bei den Nachbarn links von mir, die ich halt absolut nicht höre. den Rest höre ich mit nur einem Ohr relativ gut, ebenso die selbst gespielten Noten.
Wie oben geschildert kommt der Körperschallübertragung sicher eine wichtige Rolle zu. Ob deshalb das Hören relativ gut geht ?
Das Stereo-Hören geht logischerweise nicht mehr. Trotzdem ertappe ich mich selbst dabei, dass ich manchmal in die richtige Richtung schaue, andererseits suche ich Geräusche in der Umgebung vergebens. Da denke ich es kommt stark auf die Erfahrung an und die spezifische Umgebung, in der eine Stimme, ein Geräusch nur aus bestimmten Richtungen kommen kann, so z.B. Personen in Hauszugängen, Autos auf der Strasse oder ähnliches.

Mit der Zeit konnte ich das Instrument wieder "richtig" spielen. Ein Nebeneffekt der Facialis-Parese ist das Zukneifen des linken Auges, das automatisch geschieht und eni wenig komisch aussieht, ich aber immer besser dagegen angehen kann.

meinerseits kann ich nur zum Probieren und Üben raten, es lohnt sich.
Steckbrief: Jg.56, m, 2007 suboccipitale AN-OP links in Chur, danach einseitig taub, vorheriger leichter Tinnitus bleibend , Fazialisparese teilw. erholt
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Re: Musik - Musiker - Akustikusneurinom

Beitrag von ChrisG » 21.03.2010, 22:33

Bittere Erfahrungen mit großen Lautstärken

Für mich hat Musik schon immer sehr viel bedeutet, das hat sich leider ein wenig geändert (mir kommen glatt die Tränen beim tippen).
Hab immer viel Musik gehört, unterwegs im Walkman, zu Hause, Konzerte, Disko, hab auf Partys öfter den DJ gespielt. Geht alles nicht mehr.

Historie:
Vor 10 Jahren bin ich wegen 'nem "Disko"Tinnitus gleich in selbst in die Klinik. Nach 8 Tagen Infusionstherapie (ohne Besserung) dann MRT:
AKN links, schon eher groß (2.5x1.5 cm), OP in den nächsten 3 Monaten angeraten.

Nach der Op: links taub, Facialisparese, Gleichgewicht links weg.
Tinnitus war subjektiv lauter, da dieser wegen der Taubheit nun nicht mehr von anderen Geräuschen übertönt (man spricht da von maskieren) wird.

Die Ärzte meinten zum Tinnitus "irgnorieren", "damit leben" etc.

Der Tinnitus ging dann mit der Zeit (ca. 3 Jahre) weg, er war auch nicht sehr laut, (ein leises Summen, etwa wie eine Stechmücke am Ohr).
Ich war dann dummerweise mal wieder (vor allem zu lange, da ich den Tinnitus ignoriert habe) in einer Disko, auf einem Konzert, im Auto laut Musik gehört, meinen Geburtstag in einer Kneipe gefeiert.
Das waren die 4 Ereignisse, die ich bis heute sehr bereue. Der Tinnitus kam wieder, wurde jedesmal lauter und blieb.
Wieder mal 'ne Infusionstherapie und wieder ohne Änderung.
Selbst das Umblättern einer Zeitung nervte mich. Jedes Geräusch war wie ein Stich, der den Tinnitus verstärkt hat.

Musik hören also nur ganz, ganz leise - grad so noch hörbar, sowie ganz safte Klänge, wo ich sonst immer gerne Gitarren und eher stressige und anstrengende Musik gehört habe.

Seit über 5 Jahren hab ich nun den Tinnitus, anfangs hab ich z.B. nur mit Ohrstöspel geduscht.
Inzwischen kann ich wieder normal Musik hören. Konzerte, Disko, laute Kneipen nach wie vor nicht, nur ausnahmsweise mal, und dann aber den Stöpsel ganz fest ins Ohr.


MEIN TIP AN ALLE:
wer einen leichten Tinnitus hat oder hatte und einseitig taub ist oder eine Hörminderung hat: NIE WIEDER OHNE HÖRSCHUTZ laute Musik hören (oder sich anderen lauten Umgebungen aussetzen), schon gar nicht, wenn man über 25 ist.
Einfache Oropax (die mit Wachs) reichen völlig, auf Dauer verschmalzt das Ohr aber. Silikon-Ohrstöspel gibt es z.B. im Hörgeräteladen, ungefähr zw. 40 und 100 Euro - mit verschiedenen Dämpfungsgraden und -kurven, Filtern. Kann ich nur empfehlen. Es wird ein Abdruck vom Ohr genommen, so das diese Stöpsel perfekt passen.

Meine Empfehlung, wenn auf dem tauben oder schwerhörigem Ohr ein Tinnitus auftaucht:
die laute Umgebung (oder die Umgebung mit vielen Geräuschen) sofort verlassen, krankschreiben lassen, sowie Infusionstherapie starten (auch wenn diese inzwischen umstritten ist und ich glaub auch nicht mehr gezahlt wird) oder auf Kur gehen oder Urlaub nehmen. Auf alle Fälle sehr ruhig gestalten, kein Stress, keine geräuschvolle Umgebung. Wenn ambulate Infusionstherapie, dann trotzem komplett krankschreiben lassen und nicht danach in die Arbeit. Die Ruhe ist meiner Meinung nach wichtig.
Ich kann hier nur aus eigener Erfahrung sagen: was sind 2 Wochen "ruhiggestellt" (auch wenn die Arbeit noch so wichtig scheint) gegen x Jahre Tinnitus.


Zum Richtungshören mit nur einem Ohr:
Das ist durchaus möglich. Ich habe dazu bereits unter dem Theman "Richtungshören mit nur einem Ohr " (http://www.akustikusneurinom.info/forum ... -t293.html) genaueres geschrieben.

Bei mir hat es ca 2 Jahre nach der OP gedauert, bis ich wieder "voll rundum" gehört habe (auch wenn nach links natürlich lange nicht so gut und je nach Umgebungsgeräuschen).
Die Dauer hängt aber sicher davon ab wie groß die Hörminderung vor der OP ist und wie gut ausgebildet das Richtungshören der Person ist. Ist bereits vor der OP eine Hörminderung vorhanden, so hat sich das Gehör (damit meine ich hier nicht das Ohr, sondern den signalverarbeitenden Teil im Gehirn, der auch zum Gehör zählt) bereits ein wenig daran gewöhnt.

Richtungshören kann man auch trainieren. Am besten mit gut bekannter Musik, mit guten Aufnahmen und einer guten Anlage.
Aber auch im Alltag kann man versuchen bekannte Geräusche zu orten, dann mit den Augen zu erfassen und dann sowohl mit den Augen und Ohren dem Geräusch folgen. Das Richtungshören wird durchaus durch die Augen beeinflusst, wenn auch recht gering. Es ist auf alle Fälle ganz wichtig zu sehen wo das Geräusch herkommt, um dem Gehirn die Richtung klarzumachen und somit zu trainieren.
Es sind aber dabei keine großen Sprünge zu erwarten, das Hören entwickelt sich ja sehr früh (viel früher als das Sehen), aber bei mir hat sich das Richtungshören durchaus im Laufe der Jahre verbessert.

ChrisG
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