Schmerzprotokoll 1 - 2 - 3 Jahre nach Akustikusneurinom-OP

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snowdog
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Schmerzprotokoll 1 - 2 - 3 Jahre nach Akustikusneurinom-OP

Beitrag von snowdog » 06.07.2009, 19:51

1. Schmerzprotokoll:
1 Jahr nach Akustikusneurinom-Operation


Hallo,

hier nun der Versuch, nach Monaten des Lesens als gelegentlicher Besucher dieses Forums, endlich die eigenen Erlebnisse und Erfahrungen „zum Besten“ zu geben.

„Sie haben einen gutartigen Tumor, ein Akustikusneurinom, am Hörnerv, nicht lebensbedrohlich aber wachsend und auf dem rechten Ohr ihr funktionales Hörvermögen bereits verloren“ - so kurz und knapp fiel die Urteilsverkündung nach erfolgter MRT aus. Der Rest ging im Echo des Gedankenchaos unter – gutartig ? Ein Tumor am Gehirn gutartig ? Gutartig wäre, wenn er von dort schleunigst von selbst den Abgang machen würde – doch was nun ?

Zugegebenermassen begriff ich die Optionen Zuwarten, Bestrahlung, Gamma-Knife sowie die diversen OP-Verfahren in der ersten
Lesung nicht wirklich. „Es besteht keine Eile“ blieb beim Verlassen der Klinik allenfalls noch irgendwo hängen – zusammen mit „gutartig“ war das der Hoffnungsschimmer für die nun folgenden Wochen und Monate.

Es begann irgendwann im Herbst 2007. Auf dem rechten Ohr hörte ich zunehmend schlechter, etwa so, als ob Wasser reingelaufen wäre oder im Flugzeug der Druckausgleich noch nicht geklappt hat. Kein Hörsturz, mehr ein kontinuierliches Nachlassen - alarmierend erst, als beim telefonieren der Hörerwechsel einen plötzlichen Leitungsabbruch suggerierte – die Sprachfrequenz war für das rechte Ohr quasi ausgefiltert. Jetzt schleunigst der Termin beim HNO, Hörtests, Infusionen - in kurzen Abständen wiederholt, brachten keine Besserung – im Januar 2008 dann
„in die Röhre“ und der zweifelsfreie Befund: Akustikusneurinom rechts, 5 x 8 mm raumfordernd.

Allmählich fügten sich zuvor gemachte und länger zurück liegende diffuse Beobachtungen ins Bild. Seit längerem glaubte ich, über Kreislaufbeschwerden und unerklärliche Schwächesymptome zu klagen - doch Blutdruck, Puls und EKG-Werte waren ok – die Erklärung: Dreh- und Schwankschwindelsymptome, mögliche Auswirkung des Akustikusneurinom auf den Vestibularis-Nerv. Auch das kaum auffällige einseitige Taubheitsgefühl bei der Rasur – vermutlich erste Reaktionen des gestressten Facialisnervs, zusammen mit dem bereits malträtierten Hörnerven der Dritte im Bunde - dies alles waren wohl (schon länger) Auswirkungen des ungebetenen Gutartigen...

Was folgte, war die Suche nach der richtigen Antwort – wie geht es weiter und was davon kommt für mich in Frage ? Mein behandelnder HNO tendierte zu einer Operation, Größe des Akustikusneurinom, mein Alter und der allg. Gesundheitszustand sowie die Aussicht auf Erhalt des Hörnervs (Resthörvermögen) favorisierten den neurochirurgischen
suboccipitalen Eingriff hinter dem Ohr (statt durch den Gehörgang).
Die Alternativen Zuwarten und Bestrahlung waren nach eingehender Erörterung eigentlich keine. Letztlich ging es nur noch darum, die Phase zwischen Entscheidung und OP-Termin (Ende April) möglichst kurz zu halten....

Die sechsstündige Operation verlief erfolgreich, die Nacht auf der Intensivstation war erträglich. Mobilisation und Verlegung auf Station am Folgetag – alles erstaunlich unspektakulär. Keine schlimmen Kopfschmerzen, keine Übelkeit, kein schiefes Gesicht – das schwammige Rumeiern war verwirrend, aber keineswegs als über die Maßen belastend empfunden. Wenn das alles war...

War es dann leider nicht. Im postoperativen Verlauf kam es zu einer Liquorfistel und sporadischen Hirnwasseraustritt aus der Nase, die nachfolgende Lumbaldrainage bezeichne ich als Ausgangspunkt eines „Kollateralschadens“, an dessen Folgen ich aktuell immer noch zu knabbern habe. Die folgende Nacht bescherte mir eine so noch nicht gekannte Art von Kopfschmerzen, welche mich bis heute begleiten.

Noch in der Klinik beantragte man eine 3-wöchige Anschlußheilbehandlung (REHA), leider zu früh, wie sich im Nachhinein herausstellte. Die Hälfte der Anwendungen musste aus Schonungsgründen entfallen, schließlich musste die Liquorrhoe verheilen.

Schonung war auch das Programm im sich direkt anschließenden 2 Wochen Urlaub im Heilklima auf Sylt – so sah es die angestrebte Rückkehr in den beruflichen Alltag vor, die Lebensgeister waren gestärkt, Hoffnung und Erleichterung bestimmte die Gemütslage. Anfangs traten die Kopfschmerzen sporadisch auf, wöchentlich 1-2 mal, hielten unterschiedlich lange an und verliefen meist attackenartig.

Als Migränepatient sind mir Kopfschmerzen und deren Verlaufsformen nicht fremd, dies aber war eine andere Qualität. Besonders jede Art von Druckaufbau (Niesen, heben, ziehen) fand ein spontanes Echo im Kopf – es fühlte sich an, als habe man einen Motorradhelm auf und jemand haut einem eine Holzlatte über den Schädel. Nur dass der spontan einsetzende Schmerz verharrte, 10 Minuten, 20 Minuten manchmal 1 Stunde. Beängstigend darüberhinaus war, dass das jederzeit passieren
konnte – so plötzlich, wie ein unkontrolliertes Niesen geschehen kann.

Die Ärzte gaben sich ratlos – die erste Kontroll-MRT wurde vorgezogen, nur um auf Nummer sicher zu gehen. Nein, nichts auffälliges erkennbar, normaler Heilverlauf, keine Einschlüsse, keine deutlichen Einblutungen. Die Erleichterung darüber vermochte über die beunruhigende Ungewißheit nicht lange dominieren.

Schonung und Geduld – das war der Extrakt zahlloser Arztkonsultationen, die folgen sollten. Augenarzt, Orthopäde (Röntgen und Renken der HWS), HNO, Schmerztherapeuten machten Hoffnung, dass die Zeit die beste Heilung versprach und erwarten ließ. Den mittlerweile alltäglich begleitenden Kopfschmerz auf ein erträgliches Mass zu lindern, sollte trotzdem lange Zeit nicht gelingen. Ich versuchte es mit einem Heilpraktiker und Akupunktur, doch war diesen Schmerzen einfach nicht beizukommen. Längst hatte die schmerzbedingte Schonhaltung einen leidigen Kreislauf in Gang gesetzt, dem erst mit regelmäßigen
krankengymnastischen Behandlungen etwas wirkungsvolles entgegen zu setzen war. Schmerzen vom Aufwachen bis zum Zubettgehen, und zwischendurch immer diese zermürbenden Attacken – warum kann dagegen niemand etwas unternehmen ?

Die Strohhalme drohten auszugehen, spätestens als im Frühjahr – die nächste Kontroll-MRT war bereits erfolgt – die Begutachtung des Operateurs ergab, dass Zusammenhänge zwischen der Operation und dieser Art Kopfschmerzen nach dem gegebenen Zeitraum eher nicht zu ziehen wären. Keine bildhaft darstellbaren Unregelmäßigkeiten - offensichtlich eher ein neurologisches Problem, irgend eine nicht so einfach erklärliche Fehlfunktion der Nerven. OK, längst waren die Phänomene „Schmerzgedächtnis“ und Medikamentenwirkung real, war die Odyssee immer noch vor allem eine Suche nach dem richtigen Schmerzstiller, wenn schon die Ursache nicht auffindbar war.

Nach Verordnung unterschiedlichster Medikamente, mehrerer Neuraltherapien (Lokalanästhetikum, Quaddelinjektionen) und autogenem Training ohne Besserung riet man mir schließlich zu einer Stellatum-Blockade-Therapie. Am treffendsten beschreibt dies der Vergleich mit einer Reset-Taste am PC -durch die Betäubung eines Nervenastes zum Gehirn (Blockade) soll eine Art „Wiederanfahren“ der korrekten Nervensignale erfolgen.

Nach einer Behandlungsserie seit Februar dieses Jahres haben sich nun zum Sommer hin erste Beinflussungen des Schmerzbildes erzielen lassen – zwischen den morgend- und abendlichen Schmerzspitzen verflacht die Kurve auf ein erträgliches Mass. Noch weit von schmerzfrei, aber durch die gleichzeitig verringerte Frequenz der Schmerzattacken ein erkennbarer Silberstreif am Horizont.

Ein über ein dreiviertel Jahr geführtes, tagesaktuell detailliertes Schmerzprotokoll zeugt von Unmengen an Medikamenten, Behandlungen, Verlaufskurven und Schmerzbewertungen. Es war das letzte, was ich mir unter der Zeit der Genesung hätte vorstellen können – und doch vermag es nicht an das heranzureichen, was die quälende Ungewissheit eines bloßen Zuwartens hätte bereithalten können.

Warum ich das so ausführlich beschreibe ?
Nun, weil es im Kern ein Votum für die Entscheidung zur Operation ist.
Meine Beschwerden heute mögen durch die Operation verursacht sein, doch überwiegt die Erleichterung darüber, den „Gutartigen“ offenbar losgeworden zu sein. Bei allen Vorgesprächen über Risiken und Gefahren, bei der Besprechung des „Ausschlussprotokolls“ vor der OP – kein Mensch hatte diese Art „Nebenwirkung“ auf dem Zettel, weil es offenbar keine typische Folge des Eingriffes ist und somit eine statistisch noch viel geringere Wahrscheinlichkeit mit sich bringt, als die Erkrankung am AN selbst.

Ich bereue die Entscheidung zur Operation keine Minute, ich erhebe auch keine Vorwürfe gegen die Operateure – das ist nach meinem Ermessen alles „optimal“ verlaufen. Über die „adäquaten“ Heilungserfahrungen (Schwindel, Tinnitus, Schwerhörigkeit/Gehörlosigkeit) eines Akustikusneurinom-Betroffenen und -Operierten werde ich wohl erst berichten können, wenn sich der Schmerz verabschiedet hat. Dahin zu kommen habe ich weiterhin feste vor... ;-)

Allen hier Rat Suchenden und Findenden wünsche ich eine gute Zeit.

Herzliche Grüße
snowdog
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Unerklärbare Schmerzen lange nach Operation

Beitrag von ANFux » 10.07.2009, 18:02

Unerklärbare Schmerzen lange nach Operation

Lieber snowdog,

vielen Dank für Deinen ausführlichen, wertvollen Beitrag. Es ist Dir vorzüglich gelungen, die Entwicklung des Krankheitsbildes Akustikusneurinom zu schildern, auch die Probleme der Diagnosestellung bis hin zur geeigneten Reha. Viele werden sich bzw. ihren Fasll hier wiederfinden, in Teilen, denn Du hast leider auch über ein Kapitel zu berichten, das so noch keiner durchlebt hat - zumindest hat noch keiner im Forum darüber berichtet.

Ich möchte nur zu einigen Punkten etwas bemerken:
Es war bei mir auch so, daß die Schwindelattacken von allen Ärzten falsch gedeutet wurden. Sie lösten bei mir Zustände aus, die vollkommen auf echte Kreislaufprobleme hindeuteten. Es waren echte Schmerzen, ein Engegefühl in der Brust, ein Kloß steckte im Hals. Das war keine Einbildung, das war so. Aber es war kein Kreislaufproblem! Der Körper schüttet Adrenalin aus, wenn das Gleichgewichtssystem durcheinander ist. Das führt zu Herzrasen, Blutdruckanstieg, und so nimmt alles seinen Lauf.

Eine Reha kann tatsächlich zu früh sein. Bei Frauen rate ich i.a. zu einer Anschlußheilbehandlung, weil sie, die Frauen, in den allermeisten Haushalten zu Hause zu sehr mit Alltagsarbeit überhäuft werden würden. Bei Männern ist eine Pause zwischen Operation und Rehabeginn nicht die schlechteste Variante.

Was soll ich rätseln über die dramatsche Entwicklung der Schmerzen bei Dir nach der Akustikusneurinom-Operation ? Nach Deiner Schilderung haben die Ärzte hier alles zur Klärung getan, noch ohne Erfolg. Mir klingt es plausibel, daß hier etwas Neurologisches die Ursache ist, das so noch keiner erleben mußte. Das ist tragisch für Dich, für die involvierten Ärzte kann es zu einem Gewinn an Informationen werden.

Mich drückt ein kleiner Gedanke, den ich oft verspüre, wenn ich von gar zu naßforschen Berichten frisch Operierter lese, die nach drei Tagen Handstand im Krankenzimmer machen, im Park spazieren gehen, Rad fahren u.ä. Wäre es nicht angebracht, eine Woche oder zwei sich sehr, sehr behutsam zu bewegen (nicht im Bett zu bleiben!) ? Als ich 1994 operiert wurde, war ich geschlagene vier Wochen im Krankenhaus. Ich war kein Problemfall, alle AN-Oprierten blieben so lange. Der Profesor warnte eindringlich vor Überlastung jeder Art, weil Tinnitus, Blutungen, Liquorfisteln, ja selbst Fazialisparesen sich noch nach Tagen einstellen könnten. Heute sind solche Krankenhausaufenthaltsdauern (langes Wort) utopisch - die Kosten......

Mich beeindruckt auch Deine klare Aussage, daß Du keine Schuld bei den operierenden Ärzten suchst und Deine Entscheidung zur Operation nicht bereust.
Das Forum ist nicht dafür da, um nur über Krankengeschichten zu berichten, die aalglatt, problemlos verlaufen. Wir alle wollen die Realität kennenlernen. Mit einer gefestigten Einstellung kann man mit der Realität gut leben - weil man damit leben muß. Du hast eine gute Einstellung zu Deinem Schicksal und die Kraft, weiter an dessen Besserung zu arbeiten.
Ich wünsche Dir von Herzen eine schrittweise Besserung und eine Rückkehr zur Normalität in absehbarer Zeit.

Herzliche Grüße
ANFux
Zuletzt geändert von ANFux am 12.07.2009, 11:58, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von an » 12.07.2009, 11:31

Lieber snowdog, lieber ANFux,
der Krankheitsverlauf von snowdog hat mich betroffen gemacht. Ich habe wie schon im forum geschrieben auch massive Probleme mit Kopfschmerzen, aber gegen das was du, lieber snowdog, schilderst ist meins ja ein Spaziergang. Ich kann dir leider auch nur Mut zusprechen, weiter nicht die Zuversicht zu verlieren, dass du die richtige Therapie erhältst bzw. findest. Vielleicht nutzt dir der folgende Link zu einer der -soweit ich informiert bin -renommiertesten Kopfschmerzkliniken in Deutschland etwas: http://www.schmerzklinik.de/. Habe selbst schon überlegt, ob ich mich mal nach Kiel (dort befindet sich die Klinik) begebe oder zumindest zu einem Arzt gehe, der sich dem Netzwerk dieser Klinik angeschlossen hat. Man bekommt dort auch auf mail-Anfragen prompte Antwort.
Viel Erfolg und ich drücke ganz fest für eine Besserung deiner Beschwerden die Daumen!

Eine Frage an ANFux habe ich noch: Du schreibst in deiner Antwort an Snowdog, dass du Herzrasen etc. vom Schwindel hattest. Ich habe das auch und zugleich Herzrythmusstörungen. Der Kardiologe stellte außer einem Mitralklappenprolaps (den er aber dafür nicht verantwortlich macht) nichts fest. Ist doch eigentlich wahrscheinlich, dass ich - nachdem mein Schwindel ja nach wie vor sehr präsent ist - solange der Schwindel andauert auch diese Symptome habe, oder? Wie war das bei dir? Wann verschwanden bei dir die Probleme mit dem Herz bzw. das manchmal nervöse, zittrige? Ich muss vielleicht noch betonen, dass ich keine Angst vor meinem Schwindel habe, also "Angst" als Ursache für die Beschwerden ausscheidet und diese auch nicht permanent vorhanden sind.
Liebe Grüße
an
Jahrgang 1965;weibl.AN ca.1x1x1cm. OP 01/2009 Tübingen/Prof. Tatagiba. Ein Vestibularisast erhalten. Starke Hörminderung links. Tinnitus. Hyperakusis. Facialisparese nur noch leicht. Anhaltender Schwindel u. Sehstörungen. Migräne(schon vor OP).
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Herzattacken durch Schwindel

Beitrag von ANFux » 13.07.2009, 13:51

Herzattacken durch Schwindel

Liebe an,

Du fragst, wann bei mir die "Herz- bzw. Kreislaufattacken" verschwanden.
Mit der Operation verschwand der Schwindel, und mit dem Schwindel verschwanden diese Attacken.
Gangunsicherheiten? Ja. Aber kein Schwindel mehr und keine "Herzprobleme" mehr.
Bei Schwindel meldet das Hirn Alarm, weil das System durcheinander ist.
Wenn der Anlaß verschwindet, wird auch kein Alarm mehr ausgelöst.
Du hast also Hoffnung, daß beide Symptome bei Dir verschwinden werden.

Beste Grüße
ANFux
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Follow up

Beitrag von snowdog » 18.08.2009, 12:48

Zwischenmeldung - oder Fortschrittsbericht?

Vorab möchte ich allen für den Zuspruch danken, der mir über VN (vertrauliche
Nachrichten) und in Beiträgen anderer Themen zugedacht war. Es tut gut und
hilft, mit dem sich veränderten Alltag klarzukommen – die anfängliche Sorge,
eher abzuschrecken und Ängste zu schüren war offensichtlich überbewertet.
Ich denke nun, dass solcherart Erfahrungsaustausch eine Hilfe sein kann,
Unsicherheiten und auch Hilflosigkeit zu begegnen. In dieser Absicht möchte
ich versuchen, gelegentliche Updates meiner Genesung (jep, ich nenne diese
Phase mit voller Absicht als Mischung aus Trotz und Überzeugung genau so !!)
abzugeben.

Wie sieht es aktuell aus ? Die Akustikusneurinom - Operation ist knapp 16 Monate
her, mit dem August allerdings jährt sich der Zeitpunkt, seit dem mich
Kopfschmerzen anhaltend begleiten. Vorweg, die Odyssee durch Praxen und
Spezialisten fand mit der Behandlung durch die Schmerzklinik ein selbstgewähltes
vorläufiges Ende. Verglichen mit der akuten Phase der Schmerzattacken geht es
mir signifikant besser – durch Einnahme von Schmerzmitteln gelingt es nun, den
Kopfschmerzen zu begegnen. Morgends und Abends sind sie stärker, tagsüber
meistens erträglich eingedämmt, ganz weg bisher noch nie. Die Frequenz der
Attacken ist deutlich geringer geworden, jetzt nerven diese ca. 1 –2 mal die
Woche durch unterschiedlichste Auslöser (leider unbekannt und nicht vorhersehbar).

Immerhin – es ist die für mich festgelegte Zäsur, den Blick auf die krankheitbild-
bedingten Beschwerden zu lenken. Die blieben gezwungenermaßen unbemerkt,
unberücksichtigt bzw. stark im Hintergrund – machen sich aber zunehmend
bemerkbar. Da wäre der Schwindel, der unterschiedlich präsent das
Allgemeinbefinden bestimmt. Manchmal ist es so, als befinde ich mich kurz vor
einem Kollaps. Da hilft kein sitzen, ruhen, stehen oder gehen – für unbestimmte
Zeit sind es ca. 30-60 Minuten anhaltende Phasen, die überstanden werden
wollen. Oft geht es einher mit einem Taubheitsgefühl im Hinterkopf, Kribbeln in
den Armen, je nach Intensität auch ansteigender Puls und Angstattacken.
Verbunden damit natürlich die Ungewissheit: ist das „normal“ oder vielleicht
etwas anderes, bisher nicht erkanntes oder berücksichtigtes; oder eben die
möglichen Langzeit- oder Nebenwirkungen der Medikamente.

Persönlich belastet hat mich insbesondere die schmerzbedingt fehlende
Bewegung und sportliche Betätigung. Das Unbehagen, aufgrund der
verschwundenen Restfitness den Beschwerden nur noch ein passives
Ertragen entgegen zu halten, setzt mir doch mehr zu als ich mir eingestehen
wollte. Auf der Rangliste der zurückzugewinnenden Lebensqualität steht das
ziemlich weit oben, nicht zuletzt wegen der Hoffnung, aktiv am Schmerzbild
„arbeiten“ zu können.

Ein Fragezeichen muss ich bei der psychischen Stabilität machen.
Trotz Optimismus und positivem Denken obsiegt immer häufiger der Realist
in mir, nach den vielen zurückliegenden Monaten einige Veränderungen
anzuerkennen. Aus dem „geht nicht“ wird dann die bange Frage „geht nie
wieder ?“ Mit vorübergehend schonungsbedingtem Verzicht ließ sich
einigermassen klarkommen, aber wie steht´s mit der realistischen Erkenntnis ?
Und „verzichtet“ wurde tatsächlich auf sehr viel - dieses selbstverständliche
Alltägliche, daß erst auffällt, wenn es plötzlich fehlt.

Wie geht´s weiter ?
Die nächste Kontroll MRT steht erst im Januar an. Bis dahin sieht der Plan
vor, möglichst viel zurückzuholen. 20 Minuten Ergometer ohne runterzufallen
ist so etwas, Fahrradfahren auch. Im Oktober steht die ausgesetzte Flugreise
an, jene, die laut Operateur hätte schon im letzten Jahr (!) stattfinden können/
sollen (aus der Sicht von heute: unvorstellbar...). Der Hausarzt (Flugerfahrung)
sieht keine Bedenken mit Blick auf die Kopfschmerzen (Druckausgleich) –
warum also nicht ? Wenn das „überstanden“ ist, kommt der Rest bestimmt auch.

Zurückblickend muss ich eingestehen, manches vielleicht nicht besonnen genug
angegangen zu haben. Die einfache Gleichung: "Gefahr erkannt, Gefahr gebannt"
kann, muss aber nicht restlos aufgehen. Erst mit einigem Abstand (und den
Erfahrungen anderer Betroffener) wurde mir so richtig bewusst, dass mich da
eine ernstliche und schwerwiegende Erkrankung getroffen hatte, der mit voller
Konzentration zu begegnen ist. Das überzeugte „wird schon gehen“ als
Voraussetzung für eine schnelle Rückkehr in den Job war trügerisch – die
Synergie aus Zeit und Ablenkung trat leider nicht wie gewünscht ein, dafür aber
Stress und die Anerkennung der eingeschränkten Leistungsfähigkeit. Hier
möchte ich allen raten: Langsam machen !

Ich lebe in der „Einbildung“, insgesamt gut davongekommen zu sein. Das zählt.
Allen Betroffenen eine gute Zeit und alles Gute.

Liebe Grüße
snowdog
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Wertvolle Selbstbeobachtung und Selbstanalyse

Beitrag von ANFux » 24.08.2009, 19:13

Wertvolle Selbstbeobachtung und Selbstanalyse

Was snowdog macht, ist in vielerlei Hinsicht wertvoll. Damit meine ich nicht nur die Beiträge in diesem Thema, sondern auch seine Bemerkungen zu mehreren Beiträgen in anderen Themen und Rubriken des Forums.

Generell ist es gut, sich „etwas von der Seele“ zu reden – hier eben zu schreiben.

Es ist so, als wenn man es vertrauensvoll einem lieben Menschen erzählt. Allein dessen Zuhören tut gut. Kommen dann noch verständnisvolles Nicken und gar verständnisvolle und tröstende Worte hinzu, ist man gleich ein anderer Mensch – nicht mehr so verzagt, nicht mehr so allein – im wahrsten Sinne des Wortes!
Das könnte man oberflächlich als Selbstbetrug einstufen, wenn man die Wirkung von vornherein weiß und einplanen kann. Da halte ich entgegen, dass es schließlich darauf ankommt, dass eine positive Wirkung eintritt. Und wenn die eintritt, ist das Sich-frei Reden also effektiv. Über diese Philosophie kann lächeln, wer will. Sie ist beim Menschen effektiv, beim Kind, das ein Versehen beichtet, genau so wie beim Erwachsenen, der ein Vergehen eingesteht, und auch beim Leidgeplagten, der seine Ängste, Zweifel und Sorgen offenbart.
Unser Forum bietet eine Plattform, offen mit gleichartig Betroffenen und Ratsuchenden zu diskutieren, sich damit zu helfen und gleichzeitig anderen zu helfen. (Für besondere Situationen kann das auch intim per VN erfolgen. Dort „hört“ eben nur eine/r zu, im Forum viele.) Der gegenseitige Respekt verhindert (bisher sehr erfolgreich!), dass die persönlich gezogene Intimzone und die Würde des anderen unangetastet bleibt.
Ich gestehe, dass ich bis zu meinem Einstieg in das Forum der IGAN äußerst skeptisch, fast schon ablehnend gegenüber Internetforen war. Es ist uns gemeinsam aber gelungen, das Forum zu einer sauberen Plattform zu entwickeln, der man sich anvertrauen kann.

Snowdog macht aber noch mehr. Er notiert den Verlauf seiner Krankheit.

Das Notieren aller Auffälligkeiten, die später als Symptome bezeichnet werden, den Zeitpunkt des ersten und ihres wiederholten Auftretens, die Begleitumstände, die Beeinflussbarkeit, die Heftigkeit und Dauer - kurz, alles, was zur Beschreibung und Charakterisierung beitragen kann, ist es wert, notiert zu werden. Warum? Es hilft dem Arzt, die Krankheit, d.h. ihr Stadium, ihre Schwere, einzuschätzen, einzustufen. Und das hilft auch dem Patienten. Ich sage immer salopp, rd. 50 % des Wissens erlangt der Arzt vom Patienten. Je mehr der Patient sich notiert, um so größer ist absolut dieser Anteil. Das betrifft übrigens die Zeit der Diagnose und Therapieentscheidung genau so wie die Zeit nach einer Therapie, besonders wenn es zeitweise oder dauerhafte OP-Folgen gibt.
Man muß hier gar nicht besonders schreibgewandt sein. Aufmerksamkeit, Beobachtungsfähigkeit und Disziplin sind wichtigere Eigenschaften. Gefragt ist zunächst einmal das gewissenhafte Notieren von Fakten. Das Zusammentreffen von Fakten lässt evtl. deren sachliches Verknüpfen zu, womit wieder etwas Neues entsteht. Für Arzt und Patienten.
Da sich mit diesen Fakten meist unangenehme Empfindungen und Erinnerungen verbinden (vorher bzw. aktuell), verlieren diese Dinge etwas von ihrer negativer Wirkung, von ihrem Schrecken. Es gelingt manchmal, sie schon fast neutral zu betrachten. Es entsteht nach und nach eine gewisse Art von Sachlichkeit in der Beschreibung, es zieht auch eine Systematik ein. Die anfangs ratlos, stichwortartig gemachten Notizen bekommen mehr und mehr das Profil einer Aufzeichnung eines interessiertren Beobachters.

Das sorgfältige Notieren einer Entwicklung ist der einzige Weg, sicher die Fortschritte, aber auch Stagnationen oder gar Rückschritte festzustellen. Das ist notwendig, um bei lang andauernden Prozessen immer wieder Zuversicht zu gewinnen, Geduld zu entwickeln, Mut zu finden. Dokumentationen, in Wort und/oder Bild sind unbestechliche Beweise.

Man wird merken, dass man beginnt, sich emotionsloser zu betrachten. Man stellt sich quasi neben sich – aber im positiven Sinne. Das wirkt meist beruhigend. Das Verhalten ähnelt etwas dem eines guten Arztes, der sich auch nicht von seinen Emotionen leiten und (ver)führen lassen kann, sondern nüchtern, analytisch und konstruktiv bleiben muß.

Snowdog ist diesen Schritt bereits gegangen. Er sucht für sich eine neue Lebensphilosophie.

Es gehört eine Portion Realitätssinn dazu, eine eingetretene Situation anzuerkennen. Dazu muß man sie aber erst einmal ohne Beschönigungen benennen und beschreiben. Sentimentale Rückblicke, verzweifelte Selbstbemitleidung und Schuldsuche beim Schicksal und bei anderen bringen nichts außer Energieverlust. Die jeweils „jetzige Situation“ ist der neue Ausgangspunkt, nicht der Zustand vor ...xyz...... Der alte Zustand kann ein Ziel sein, wenn dessen (Wieder-)Erreichen realistisch ist. Wenn nicht, müssen die Ziele anders formuliert werden. Ein Ziel, dem man sich nicht schrittweise nähern kann, hat nur negative Auswirkungen auf die Psyche. Und die ist bekanntlich die halbe Miete.
Hier spielt das Forum mit hinein. Der Vergleich mit andere Fällen ist durchaus angebracht, manchmal sogar unerlässlich. Und deshalb brauchen wir im Forum Ehrlichkeit, Mut zur Wahrheit und Vertrauen für eine offene Diskussion. Es sind nicht nur die glatt verlaufenen Erfolgsgeschichten, die aufbauen, sondern im besonderen Maße auch die Krankheitsverläufe mit Stolperstrecken, auch mit Leidensgeschichten. Hier Ähnlichkeiten zu entdecken bei bestimmten Situationen und bei deren Bewältigung, kann für das eigene Handeln sehr informativ und helfend sein.

Snowdog und ich haben hier ein wahrhaft weites Feld betreten, um mit Fontane zu sprechen. Vielleicht diskutieren einige mit. Es geht tatsächlich etwas ins Philosophische. Am Schluß für heute eine provozierende Frage (es werden zwei):
Was rechtfertigt eigentlich, von einem operativen Eingriff in unseren Körper – erst einmal ungeachtet dessen Umfang und Schwere - die vollständige Beseitigung aller Beschwerden plus die vollständige Wiederherstellung der vorherigen Leistungsfähigkeit – in allen Schattierungen – zu erwarten? Gibt es überhaupt eine Therapie mit „nur Erfolg“ und völlig „ohne Nebenwirkungen ?
Mein Vater sagte mir als Kind oft in drastischer Weise: Alles im Leben hat seinen Preis. Nicht einmal den Tod gibt es umsonst, denn der kostet das Leben.

Ich wünsche snowdog und allen interessierten Lesern eine Zeit konstruktiver Auseinandersetzung mit dem Akustikusneurinom und ggf. mit einer neuen Lebenssituation. Ich werde versuchen, alle dabei zu begleiten und zu unterstützen.

Beste Grüße
ANFux
1939, m. '94 transtemp. OP (15 mm) in Magdeburg/Prof. Freigang, einseitig taub, kein Tinnitus, keine Fazialispar. Rehakur in Bad Gögging. '96-'04 im Vorstand d. VAN in D, seitdem Beratungen zum AN. Ab '07 Moderator, ab '08 Homepage-Verantwortl.(bis 2012)
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Beitrag von inge » 24.08.2009, 19:56

Lieber Snowdog, lieber ANFux,
danke für diese 2 Beiträge! Das gibt wieder Kraft.
Nur ganz kurz:
Ich "kämpfe" nach 9 Monaten immer noch mit oder gegen meine Fazialisparese. Alle 3 oder 4 Wochen habe ich mich gezwungen, und manchmal war's wirklich schwer, Bilder von meinem Gesicht zu machen - Stirn runzeln, Augenbraue hoch, Auge schließen, Mund breit oder spitz oder lächeln. Und wenn ich jetzt die Bilder so hintereinander ansehe (meine persönliche Horror-Show) muss ich sagen: "Super, es wird immer besser, langsam, aber ES WIRD BESSER!" Das zählt.
Lieben Gruß an alle!
inge
inge: * 1951, w, AN-Diagnose 8 x 3,5 mm links im Sept. 2008, OP in der Neurochirurgie TÜ Nov. 2008, seither einseitig taub, Fazialisparese, inzwischen Synkinesien, Gleichgewichtsprobleme, Reha in der Schmieder-Klinik in Gailingen beim Bodensee
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Re: Schmerzprotokoll 1 Jahr nach Akustikusneurinom-Operation

Beitrag von snowdog » 16.02.2010, 12:25

Schmerzprotokoll 2 Jahre nach Akustikusneurinom-Operation

Das nächste Update:
Im Januar 2010 fand die Kontroll-MRT statt – keine Veränderung gegenüber
dem Vorjahr. Unveränderte Vernarbung, keine Auffälligkeiten. Nächste Kontrolle
in einem Jahr. Es deutet darauf hin, daß die Operation erfolgreich überstanden
und das AKN nachhaltig entfernt wurde.
Die Erleichterung ist spürbar, ist damit doch das Hauptziel erreicht worden –
nämlich von diesem Plagegeist und den diffusen Befürchtungen in Richtung
schädlicher Effektivität befreit worden zu sein.

Zum weiteren Verlauf des Heilungsprozesses gibt es auch Positives zu vermelden.
Zwar bin ich (noch) nicht von den Kopfschmerzen erlöst, doch hat sich das
akute Schmerzbild in ein besser kontrollierbares gewandelt.
Seit knapp einem Jahr begleitet ein Schmerztherapeut meine Beschwerden,
d.h. er überwacht die Effektivität der Medikamentdosierung.
Die Führung des regelmäßigen Schmerzprotokolls habe ich zum Jahreswechsel eingestellt, nachdem sich eine gewisse Zustandsstabilisierung feststellen ließ.
Die absoluten Spitzen (Attacken) sind weniger geworden (2 mal pro Monat), die
Schmerzintensität des verbleibenden Kopfschmerzes ist insgesamt geringer.
Zwar warte ich nach wie vor auf den ersten Tag ohne Kopfschmerzen, doch
gelingt es mir inzwischen zunehmend besser, auf die „obligatorischen“
Einschränkungen zu achten und diese in den Griff zu bekommen.

Viele der hier von Betroffenen geschilderten postoperativen Beschwerden haben mich glücklicherweise kaum oder nur ganz leicht betroffen. Keine Parese,
keine Unbeweglichkeiten oder Missempfindungen, keine Probleme mit der
operierten Seite. Schwindel ist kein großes Problem (Ausnahme: Treppe steigen
im Dunkeln), Tinnitus unverändert, mit dem Hörverlust habe ich mich so weit
als möglich arrangiert. Unangenehm bleiben diffuse Geräuschkulissen (Gesellschaften, Ansammlungen, Stimmengewirr) und eine gesteigerte Stressanfälligkeit (leider beruflich nicht kompensierbar).

Größte Erfolge:
Im Spätsommer eine 3-tägige Fahrradtour in ebenem Gelände (40km/Tag), begonnen im akuten Schmerzzustand, beendet mit deutlicher Verbesserung des
Allgemeinzustands (Durchatmen, Seele baumeln lassen, Bewegung an frischer
Luft, sportliche Betätigung nach langer Abstinenz, positive Anstrengung,
wichtige positive Erfahrung zum Allgemeinbefinden).

Im Oktober eine Fernreise per Flugzeug gut überstanden. Druckausgleich,
Schwindel, Gehör und Kreislauf unproblematisch, lediglich beim Landeanflug
ziemlicher Kopfschmerz (bekämpft mit doppelter Schmerztablette) – alles
weit unter den Befürchtungen und Ängsten vor dem Flug.
Dafür mehr als entschädigt 2 Wochen unter Palmen ;) – Schwimmen und
Oberflächenschnorcheln gänzlich ohne Beschwerden möglich (Wasser im Ohr,
Schwindel = ohne Probleme)

Im November Beginn einer osteopatischen Behandlung.
Sehr positive Effekte auf das Schmerzbild Kopfschmerz.. Ersten sehr heftigen
Reaktionen (Attacken und Erschöpfungszustände in den ersten Tagen) folgten
bald positive Veränderungen im gesamten Bewegungs- und Haltungsapparat.
Verspannungen/Blockaden im Bereich Halswirbelsäule, Druckschmerzen im
Hinterkopf, Schulter/Nackenverkrampfungen. So gelang es nach einigen
Behandlungen, erfolgreich gegen die gezwungene Schonhaltung vorzugehen.
Damit ist es nun möglich, grundlegende gymnastische Übungen durchzuführen.

Wichtigste Ziele:
Rückkehr zu einem Mindestmaß sportliicher Betätigung (Ergometer 30 Minuten
bei regelmäßiger Belastung), Fahrradfahren als gewohntes Fortbewegungsmittel
nutzen können (Joggen geht aufgrund der Erschütterungen/Kopfschmerz leider immer noch nicht).

Fazit:
Sehr wichtig ist die Erfahrung, daß die Genesung tatsächlich ein sehr langer
Prozess zu sein scheint. So sehr die zurückliegenden Monate eine Belastung
waren, so hilfreich waren die signifikanten Verbesserungen im Jahr nach
dem ersten Jahr. Die Hoffnung darauf, dass es besser werden möge, gilt es
um jeden Preis aufrecht zu halten: Es dauert, aber es wird besser !
Ohne Geduld geht es leider nicht, ohne gewisse Einsichten fallen bestimmte
Dinge schwerer. Kleinste Erfolge in positive Energie wandeln und den
Optimismus bewahren. Sich von unvermeidlichen Veränderungen verabschieden –
das vielleicht schwerste von allem – begleitet einen auf unabsehbare Zeit weiter.

Mir persönlich hat auch dieses Forum geholfen. Die Beschäftigung mit der
Erkrankung, das Feedback anderer Betroffener und die Relativierung der
eigenen Beschwerden. Die verschiedenen Phasen dieser Erkrankung sind
bedeutende Einschnitte, für die jeder einen Umgang finden muss.
Es gibt mittlerweile sehr viele Erfahrungsberichte zu allen Behandlungswegen,
eine wichtige Orientierung nicht nur in der (anfänglichen) Phase der
größten Verunsicherung. Persönlich würde ich mich wieder zur Operation
entscheiden.

Allen Forenbesuchern eine gute Zeit und viel Zuversicht.

Viele Grüße
snowdog
snowdog (Moderator seit 4.12) Jg.62,m,verh.,2 Söhne,
AN re.5x8 mm,n-c. suboccipital AN-OP in Offenbach 4.08,
postoperativ Liquorfistel,keine Fazialisparese, einseitig taub,chron.Kopfschmerzen,jährl.Kontroll-MRT f.d.ersten 5 J.
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Re: Schmerzprotokoll 1 Jahr nach Akustikusneurinom-Operation

Beitrag von vane » 16.02.2010, 15:09

hallo snowdog,

es freut mich zu lesen, daß Deine Kopfschmerzen jetzt besser kontrollierbar sind und daß eine Verbesserung zu spüren ist. Vielen Dank auch für die ermunternden Worte. Ich bin selber seit vor allem Anfang November von Kopfschmerzen geplagt und die nagen an der Energie und der Laune ganz schön.

Dein Beitrag zu lesen hat mir gut getan. Ich muß einfach immer an der Geduld mit mir selber arbeiten.. :) Sonst bin ich seit Mitte November in osteopathischer Behandlung und seit 2 Wochen beim Akupunkteur. Es hat schon geholfen aber gerade ist es wieder eher schlechter..Aber gut...wenn ich weiß, es wird für Dich besser (obwohl nach so langer Zeit) will ich einfach zuversichtlich bleiben...

Alles gute
vane
OP Mainz Aug.09, AN 22 mm, Schwindelattacke weg nach OP, Fazialisparese (nach 3,5 Mon. weitgehend zurückgebildet), Synkinesien (Mund-Auge),trockenes Auge, Ohr bei 70 dB+verzerrtes Signal, Grundgeräusch weg in stiller Umgebung, Kopf- und Gesichtschmerzen
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Re: Schmerzprotokoll 1 Jahr nach Akustikusneurinom-Operation

Beitrag von manucux » 16.02.2010, 22:02

Hallo snowdog!
Herzlichen Dank für Deinen ausführlichen Bericht!!!!
Macht Mut..... :D ........
Hört sich gut an mit den nachlassenden Kopfschmerzen!!!!

Wünsche Dir weiterhin viel Erfolg und Spaß bei Deinen Aktivitäten.......

Alles Liebe....
manucux=Manuela
Manuela, w,53 Jahre, OP 17.06.09- in Münster (Prof.Sepehrnia) vollst.Entfernung des 19x16x14mm AN re., Tinnitus, Hörverlust auf 70 dB! 2. MRT am 24.11.10 ohne Befund! KEIN Resttumor - chronischer Kopfschmerz, Schwindel! 10.11.15 MRT ohne Rezidiv
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Re: Schmerzprotokoll 1 Jahr nach Akustikusneurinom-Operation

Beitrag von snowdog » 08.09.2011, 16:37

Fortschrittsbericht:
Zustand 3 Jahre nach Akustikusneurinom-Operation


Nach langer Pause in eigener Sache mal wieder ein Statusbericht –
3 Jahre und 4 Monate nach der Operation, gut 3 Jahre nach dem Auftreten
der chronischen Kopfschmerzen.

Die lange Pause seit dem letzten Update ist den Fortschritten des
akuten Zustands geschuldet – tatsächlich hat das zurückliegende Jahr
spürbare Verbesserungen gebracht. Mein „Hauptleiden“ (sic !) in Form
chronischer Kopfschmerzattacken glaube ich mittlerweile überstanden.
Ich habe sie ähnlich früherer Migränebeschwerden als sporadische
Begleitung akzeptiert, die Frequenz ist erträglich (ca. 3 pro Monat),
die Auslöser oft vorhersehbar, die Heftigkeit generell geringer.

Es gibt Tage, da ist der Kopfschmerz kein Problem mehr (d.h. nicht gänzlich
weg, aber unbeschwert erträglich) – somit freue ich mich über den größten
Fortschritt meiner Rekonvaleszenz und ein erreichtes Ziel, für das manchmal
außer Geduld und Hoffnung nicht mehr viel „handfestes“ aufzubringen war.
(Ein Wink an alle: Ausdauer, Geduld und Zeit sind definitiv qualifizierte
Assistenten im Umgang mit „unseren“ Folgen... ;) )

Mit dem einseitigen Hörverlust habe ich mich entgegen früher Befürchtungen
überraschend gut arrangieren können. Stopp. Ich glaube, das für mich
so einsortieren zu können – muss aber zugeben, seit längerem Schwierigkeiten
mit dem Relativieren von Beschwerden und Einschränkungen zu haben.
„Verglichen mit...“ ist so was, was mir dabei immer dazwischen kommt.
Bei mir selbst waren es die Phasen nach der Operation, mit Blick auf Andere
ist es das objektive „Glück gehabt“, von keinen der sonst zu beobachtenden
schweren Folgen getroffen worden zu sein.
Belastend sind allerdings oftmals spontane Erinnerungen an Dinge, die
früher selbstverständlich waren und schmerzhaft an das „neue“ Leben erinnern,
bis hin zum wütenden Verdammen des erzwungenen „Stand-By“-Zustands
(...halt immer nur solange, bis einen die ureigene Demut wieder einholt).

Ende 2010 wurde ein Hörgeräte-Experiment auf halbem Weg abgebrochen,
erste Auswahl- und Anpassungsversuche waren derart enttäuschend verlaufen,
dass die kläglichen „Geräuschverstärker“ nach persönlicher Wertung nicht
dazu angetan sind, Lebensqualität signifikant zu erhöhen. Zugegeben,
allzu große Erwartungen waren nicht zu enttäuschen.

Was war sonst zu beobachten ? Neben Entspannungstechniken und fortgesetzter osteopathischer Therapien hat generell Bewegung positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden. Frische Luft, Radfahren – leider nicht die vielen spaßmachenden
Ballsportarten (Fuß-,Hand-,Volleyball). Körperliche Fitness aufzubauen bleibt
eine Herausforderung (der innere Schweinehund hat da ja nun einen
fiesen Kompagnon im Schlepptau), die Balance zwischen Schonung, aktiver
Erholung und Anstrengung gilt es noch zu finden.

Die nächste Kontroll-MRT steht im Januar an, alle vorhergehenden haben
keine Auffälligkeiten ergeben. In der Hoffnung, dass das so bleibt wünsche ich
allen Forenlesern und –schreibern alles Gute, viel Kraft und Zuversicht.

Beste Grüße
snowdog
snowdog (Moderator seit 4.12) Jg.62,m,verh.,2 Söhne,
AN re.5x8 mm,n-c. suboccipital AN-OP in Offenbach 4.08,
postoperativ Liquorfistel,keine Fazialisparese, einseitig taub,chron.Kopfschmerzen,jährl.Kontroll-MRT f.d.ersten 5 J.
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