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AN und Abduzensparese - gibt es einen Zusammenhang?

Verfasst: 10.11.2017, 22:52
von Uli71
Hallo ins Forum,

da ich keine Kategorie gefunden habe, in die meine Geschichte so richtig passt, schreibe ich an dieser Stelle und berichte mal von meiner Krankheitsgeschichte:

Während meines Studiums in den Neunzigern trat in einer stressigen Prüfungsphase erstmals rechts ein Tinnitus auf. Ein HNO-Arzt begann, wie damals wohl üblich, ambulant eine Therapie mit Infusionen, die ich jedoch nach zwei Tagen abgebrochen habe, da ich so unter meiner Angst vor allem, was mit Nadeln zu tun hat, gelitten habe, dass die Therapie nur enormen zusätzlichen Stress verursacht hat. Außerdem gab es damals keine gesicherte Aussage, ob die Therapie überhaupt helfen werde. Seitdem habe ich mit dem Tinnitus gelebt und ihn als Stressmelder empfunden. Über die Jahre verschlechterte sich auch das Hören auf der rechten Seite, aber ich konnte mich nicht dazu durchringen, mich mit dem Thema Hörgerät zu beschäftigen.

Im vergangenen Jahr kamen schleichend Sehprobleme, die sich nur schwer beschreiben lassen. Eine neue Brille brachte keine Verbesserung, so dass ich schließlich einen Augenarzt aufsuchte. Eine Orthoptistin erkannte schließlich ein verdecktes Schielen/Abduzensparese. Um den Grund dafür heraus zu finden, wurde Anfang März dieses Jahres ein MRT vom Schädel gemacht, auf dem das AN sichtbar wurde - Ausdehnung ca. 14*13*10 mm. Nach den Bildern drückte das AN auch gegen mein Stammhirn.

Die Frage, ob dieses AN und die Abduzensparese zusammen hängen, wurde anschließend sehr unterschiedlich von den Ärzten beurteilt: Die Meinungen reichten von "sehr wahrscheinlich" bis zu "das kann gar nicht sein bei der geringen Größe und der Lage des AN".

Letztlich habe ich dann die Entscheidung getroffen, zunächst das AN in Bielefeld operativ entfernen zu lassen. Den Hickhack über das behandelnde Krankenhaus im Vorfeld der OP erspare ich den Lesern. Am 12. September haben mich Prof. Simon (Neurochirurg) und Prof. Sudhoff (HNO-Arzt) im Evangelischen Klinikum Bethel gemeinsam operiert. Dabei wurde das AN vollständig entfernt und auch der Hörnerv konnte erhalten werden. Nach insgesamt 10 Tagen konnte ich das Krankenhaus wieder verlassen.

Seitdem leide ich noch unter gewissen Schwindelgefühlen, bzw. etwas Unsicherheit beim Gehen. Aus dem Tinnitus-Ton ist ein Rauschen geworden. Am meisten belastet mich aber nach wie vor die Frage, was aus der Abduzensparese wird. Es hat sich subjektiv verändert und auch die Orthoptistin konnte eine Veränderung feststellen. Allerdings kann ich noch längst nicht wieder problemlos in die Ferne schauen.

Daher freue ich mich, wenn sich andere finden, mit denen ich mich darüber austauschen kann.

Viele Grüße
Uli71

Re: AN und Abduzensparese - gibt es einen Zusammenhang?

Verfasst: 19.03.2018, 12:06
von Uli71
Nachdem inzwischen einige Monate vergangen sind (und ich zwar keine Antworten aber zumindest viele Klicks bekommen habe), wollte ich meine Geschichte kurz weiter erzählen:

Die bisherigen Verlaufskontrollen überzeugen die Ärzte davon, was für eine tolle Arbeit sie geleistet haben. Eine Gesichtslähmung ist nicht aufgetreten und sogar der Hörnerv funktioniert noch, zwar schlechter als vor der OP, aber es wurde mir ja vorher gesagt, dass ich damit rechnen müsse, auf dem rechten Ohr taub zu werden. In einigen Tagen bekomme ich das erste Hörgerät zum Testen, um das schlechtere Hören hoffentlich ausgleichen zu können.

Die Schwindelgefühle (wie bei Seegang auf einem Boot) haben sich durch Physiotherapie deutlich verbessert. Es waren wohl vor allem Blockaden im Hals- und Schulterbereich die Ursache. Hier werde ich noch weiter dran arbeiten.

Was sich nicht langfristig verbessert hat, ist die Abduzensparese. Leider fühlt sich bisher kein Arzt zuständig, genauere Ursachenforschung zu betreiben. Dies ist ein enormer Stressfaktor, der sich meiner Meinung nach auch auf den Genesungsprozess nach der AN-OP auswirkt. Ich arbeite zwar wieder stundenweise, doch meine Konzentrationsspanne ist längst noch nicht wieder das, was sie einmal war. Aus diesem Grund werde ich in den nächsten Tagen auch noch einmal mit meiner Hausärztin über eine stationäre Reha oder Kur sprechen, um abseits vom Familien- und Joballtag richtig zur Ruhe zu kommen.

Für Anregungen jeglicher Art, was man weiterhin tun kann, bin ich jedem dankbar.

Grüße, Uli71

Re: AN und Abduzensparese - gibt es einen Zusammenhang?

Verfasst: 19.03.2018, 19:11
von snowdog
Liebe Uli71,

leider passiert es ab und zu, dass ein Beitrag ohne Reaktion bleibt.

Die Forensuche weist einen einzigen Beitrag zum Begriff
„Abduzensparese“ aus, OIB hat einen Erfahrungsbericht unter dem
Thema „Abducensparese. Cyber-Knife ? Operation."
im Forenbereich „Entscheidung Operation oder nicht ?“ eingestellt.
Ursächlich für die Diagnose war bei ihm eine Verhärtung im
Kleinhirnbrückenwinkel, das AN daraufhin wurde dann mittels MRT
festgestellt. Über den weiteren Verlauf der Abduzensparese ist leider
nichts zu erfahren, leider auch nicht, ob beide Diagnosen in
einem direkten Zusammenhang stehen.

Die für eine AN-OP typischen Folgen scheinen in deinem Fall günstig
gelagert, eine Hörminderung anstelle eines erwartbaren Hörverlustes
dürfte jeder Operateur als Erfolg bezeichnen. Für Dich als Betroffene
wenig hilfreich, wenn das Gesamtbeschwerdebild belastend bleibt. :cry:

Grundsätzlich ist eine Rehakur anzustreben, „richtig zur Ruhe kommen“
bedeutet schließlich auch, Symptome und Auswirkungen eingehend
untersuchen zu können. Und ja, Konzentrationsfähigkeit und Belastbarkeit
im Job können unabhängig vom Zeitablauf nachhaltig eingeschränkt sein –
dies ist bei einer „normalen“ AN-OP der Fall und in Kombination mit
Sehbehinderung sicher nicht einfacher.

Interessant dürfte die Auswirkung einer Hörgeräteanpassung auf das
Gesamtbefinden sein, es wäre schön, wenn Du uns hier auf dem Laufenden
halten könntest.

Weiterhin gute Besserung und beste Grüße

snowdog

Re: AN und Abduzensparese - gibt es einen Zusammenhang?

Verfasst: 28.11.2018, 14:05
von Suz75
Liebe Uli71,

Vielleicht hast du meine Beiträge gelesen, ich selbst hatte nach der AN-OP eine Lähmung des Hirnnerv III (Nervus oculomotorius). So wurde es mir zumindest nachdem ich wochenlang eindringlich darauf beharrt habe, vom Krankenhaus bestätigt. Mein linkes Auge stand still und hat in eine Richtung gestarrt, ich sah alles doppelt mit einem recht großen Abstand zwischen den beiden Bildern der beiden Augen. Mehrere Ärzte im Krankenhaus (auch Augenärzte…) haben darauf bestanden, dass dieser Nerv bei der OP gar nicht berührt wurde, und sind dann einfach davon ausgegangen, dass mein Auge bereits vor der OP in diesem Zustand gewesen sein muss. Ich musste das Auge mit einer Augenklappe verschließen, denn es war unmöglich, damit zurecht zu kommen.

Ich habe dann einen externen Augen-neurochirurgen aufgesucht, und er hat die Augenlähmung bestätigt.

Nach ca. 3 Monaten habe ich die erste Bewegung im linken Auge bemerkt, konnte auf einmal die Lampe an der Decke beim morgendlichen Aufwachen mit beiden Augen offen ca. 1 bis 2 Sekunden klar und deutlich sehen. Die paar Sekunden wurden dann täglich länger, und nach ca. 3 Wochen konnte ich morgens 3 bis 4 Stunden mit beiden Augen klar und deutlich sehen, zunächst nur in einem Umkreis von 1 bis 2 Metern, aber die Weitsicht hat sich mit der Zeit auch immer mehr erweitert. Dann bekam ich Prismafolien auf die Brille geklebt, und heute, ca. 7 Monate nach der OP kann ich geradeaus wieder mit beiden Augen sehen, mehr oder weniger deutlich, morgens geht es besser, abends schlechter.

Bei meiner letzten Untersuchung bei einem (externen) Neurochirurgen, wurde im Zusammenhang mit meinen Augenproblemen nur der Hirnnerv VI (Nervus abducens) erwähnt. Da ich im linken Augenwinkel auf die Ferne noch doppelt sehe, also wenn ich den Kopf links nach hinten drehe. Angeblich wurde dieser Nerv bei der OP auch in Mitleidenschaft gezogen, und dieser ist nun anscheinend für die laterale Doppelsicht verantwortlich. Im Internet kannst du lesen, dass 3 Stammhirnnerven für die Augenbewegungen zuständig sind, 2 davon sind die Nerven III und VI. Bei mir wurden wohl diese beide während der OP beschädigt.

Der HNO-Chirurg im Krankenhaus wo ich operiert wurde, will dies bis heute nicht zugeben.

Die (externen) Ärzte gehen davon aus, dass es mindesten ein Jahr braucht, bis sich alle Augen-nerven wieder beruhigen und meine Sehkraft stabil bleibt. Erst dann kann ich das Augentraining bei der Orthoptistin beginnen und eine Brille anpassen lassen.

Vielleicht hilft dir meine Erfahrung etwas weiter, zumindest kannst du dich bestätigt fühlen, dass das AN und die Abduzensparese theoretisch irgendwie zusammenhängen können.

Wünsche dir alles Gute für den weiteren Verlauf deiner Genesung,

alles Liebe aus Frankreich,
Suz