Reizstromtherapie

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Nessie
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Reizstromtherapie

Beitrag von Nessie » 27.03.2018, 18:42

Hallo zusammen,
gibt es fundierte Erfahrungswerte bezüglich der Reizstromtherapie um eine Facialisparese zu heilen? In der Reha wurde mir davon abgeraten. Meine Facialisparese wurde mit Eisstimulation, tapen, Grimassen schneiden und dabei die kranke Seite mit den Fingern mitbewegen und anderen verschiedenen Hilfsmitteln behandelt. Meine Logopädin am Wohnort bietet nun zusätzlich die Reizstromtherapie an. Mein Gesicht hat schon etwas mehr Spannung als direkt nach der Op. Ich bin glaube ich , auf dem richtigen Weg. Möchte aber die Heilung so gut wie möglich unterstützen. Sollte ich nun die Reizstromtherapie zusätzlich beginnen oder eher nicht.

P.s. der Rehaerfahrungsbericht folgt
AN am 10.10.2017 im MRT 2,2cm x2,3cmx2,2cm diagnostiziert
5.01.2018 OP in Tübingen
Kudelka
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Re: Reizstromtherapie

Beitrag von Kudelka » 28.03.2018, 13:20

Ich hab's ein Jahr lang gemacht, vielleicht ein wenig zu lang, aber erschien mir sehr sinnvoll! Ob's geholfen hat, kann ich schwer sagen, ich hab schließlich kein Vergleich. :-)
AN links 12,5 mm x 6 mm // T3 mit kleinen Teilen im inneren Gehörgang // OP am 27. Februar 2017 durch Prof. Rosahl in Erfurt // Post-operativ: Facialisparese, Gehör teilweise erhalten, begrenzter Schwindel
Saja
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Re: Reizstromtherapie

Beitrag von Saja » 04.04.2018, 13:20

Liebe Nessie,

Reizstrom: auf gar keinen Fall!!
Wurde in der ehemaligen DDR angewandt, weil sie nichts anderes kannten. Die zarten Axone der Gesichtsnerven werden durch den undifferenzierten elektrischen Reiz in der Regeneration behinert - Fehlsprossungen sind vorprogrammiert. Es sind Reize OHNE Lerneffekt! Reiz ist etwas unspezifisches (das kann auch ein Holzhammer sein...). Information ist zielorientiert und immer individuell, beinhaltet immer einen adäquaten Stimulus! Die beste Stimulusübertragung findet statt durch die menschliche Hand = behandeln. Die Spannung in Ihrem Gesicht wird durch das ständige Zusammenziehen der Muskeln (unkontrolliert!) erzeugt. Merke: Das Gehirn kennt keine Einzelmuskeln, es kennt Komplexe - das gesamte Gesicht!
Grimassenblatt: auf keinen Fall!! Aktiviert OHNE Kontrolle. Erzeugt Massensynergien!
Zum besseren Verständnis: Ein Therapeut sagt einem Schlaganfallpatienten mit einseitiger Körperlähmung, beide Beine ausgestreckt auf einem Stuhl sitzend, 'ziehen sie beide Kniee an!' Was passiert? Er wird nur das gesunde Bein anziehen können, das gelähmte bleibt, wo es ist - er kann es gar nicht bewegen! Nach einiger Zeit dieser Übung wird das gesunde Bein ordentlich Muskeln haben, das gelähmte Bein verliert mehr und mehr Muskulatur, - und bleibt, wie es ist. Genauso verhält es sich mit dem Grimassenblatt. Außerdem haben Sie im gesunden Zustand niemals so geschaut....Nase rümpfen, böse gucken... Seit 1990 haben wir versucht diese elenden Grimassenblätter aus den Krankenhäusern zu bekommen. Ohne Erfolg wie ich lese...
Eisbehandlung: ist noch so ein Reiz. Hier sollen Muskelpartien 'stillgelegt, betäubt' werden, um mit anderen Muskeln zu arbeiten. Wenn aber eine Facialisparese vorliegt, müssen Muskelpartien nicht separiert werden, sondern mit dem ganzen Gesicht gearbeitet werden.
Übrigens sind nur Kontrollblicke in den Spiegel erlaubt, nicht vor dem Spiegel zu üben. Das Gehirn sieht das Gesicht im Spiegel seitenverkehrt und ist 'verwirrt'.
NUN ZU DEN HILFSMITTELN[/b], die gut sind: Obstkerne, Holzkügelchen in versch. Grössen, Strohhalm. Damit kann man selber üben, zunächst aber mit dem Physiotherapeut, der nach BOBATH- COOMBES arbeiten kann. Die Obstkerne auf der betroffenen Seite zwischen Wange und Zähne 'legen'. Dann versuchen beide Wangen SANFT anzusaugen, OHNE das Gesicht zu verziehen!!! Hier muss der Therapeut ggf. eingreifen und Anweisungen geben! Holzkügelchen (aus dem Bastelbedarf)ganz zart in die Mitte des Mundes nehmen und sprechen. So wird der Ringmuskel um den Mund gleichmässig 'belastet'. Das können Sie wunderbar so oft und lange wie Sie wollen zu Hause praktizieren. Immer wieder einen Kontrollblick in den Spiegel werfen, ob Sie noch symetrisch 'arbeiten'.
Bei der Bobath-Methode werden von Anfang an SEHR FEINE, SUBTILE Bewegungsabläufe, wie sie der individuellen menschlichen Mimik eigen sind, (wieder-)erarbeitet. Mimik ist feinste Feinmotorik und bedarf höchster (Steuerungs-)kontrolle, wie sie keine andere motorische Leistung des Menschen erfordert. Das Grimassenblatt z.B. forciert aber gerade diese unkontrollieren Massenbewegungen, wie sie das Bobath-Konzept verbietet.
Strohhalm: Das sollte der Therapeut beherrschen. Sie liegen auf der Liege ganz entspannt. Der Therapeut benötigt den Strohhalm oder den Finger als taktile Unterstützung: Der Strohhalm dient dem ganz sanften Abrollen auf dem Lid von stirnwärts nach wangenwärts (Bewußtmachen des Gefühls vom Lidschluß), der Finger des Therapeuten dienst der Unterstützung des Lidschlusses im oberen Bereich des Augapfels. Das Gehirn muss wieder lernen: SO FÜHLT ES SICH AN....
Kurz zum tapen: was soll das bringen? Das ist total passiert für das gelähmte Gesicht und manifestiert die Lähmung eher.
Für die Behandlung einer Gesichtlähmung ist der Logopäde nicht die richtige Wahl. Ich habe in einer REHA auch mal mit einer Logopädin gearbeitet. Sie wußte, das sie nicht die richtige Wahl war, aber sie hatten keinen Therapeuten, der sich mit Bobath auskannte. So brachte ich ihr einiges bei. Dadurch das ich eine Zungennervtransplantation habe, konnten wir aber wenigstens meinen Zungengrund trainieren mit G-Lauten, K-Lauten und entsprechenden Wörtern.....

Ich hoffe sehr, ich habe Sie nicht überfordert Nessie und konnte einige Informationen an die Hand geben. Ich selbst wurde im Oktober 1990 das erste Mal operiert und 2001 mein Rezidiv. Im Januar 1992 habe ich eine Zungennervtransplantation machen lassen. Von Anfang an hatte ich eine ausgezeichnete Physiotherapeutin, mit der ich dann eine Anleitung zur korrekten Behandlung einer FP erarbeitet habe. Auch mit den verbotenen Methoden wie oben erwähnt.

Ich wünsche Ihnen ganz viel Erfolg und Geduld.
Zwän
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Re: Reizstromtherapie

Beitrag von Zwän » 14.08.2020, 18:51

Zurückliegende Studien an Tierversuchen wiesen daraufhin, dass Elektrotherepie zu Synkinesien führen können, zu Fehlsprossung des wachsenden Nerven und damit zu Fehlinervationen z.B. Augenzwinkern, wenn man Lächeln will. Diese Daten liessen sich nicht bestätigen. Aktuell laufen am Facialiszentrum Jena Studien zu Elektrotherapie. Ziel ist den Mukel aktiv zu halten, damit er noch fit ist, wenn der Nerv wieder wächst.
Nach meinem Eindruck sehr engagierte Experten, die wissen was sie tun. https://www.uniklinikum-jena.de/fazialis/
AN re 0,7 cm, ED 2/20 bei leichtem Schwindel, leichter Hörminderung seit 1/20. OP kurz nach D in Wü. Post OP Taubheit re und Tinnitus. Inkomplette Facialisparese mit Synkinesien, fehlendem Augenschluss und dauerhaft abgeklebtem Auge. Leichter Schwindel.
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