Mein schwindeliger Weg zur Op in Halle 2017

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Flowers7
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Mein schwindeliger Weg zur Op in Halle 2017

Beitrag von Flowers7 » 21.07.2017, 09:20

Liebe Forumsmitglieder. Nun ist die Op schon einige Zeit her, aber ich habe doch erstaunlich viel Zeit gebraucht, um einen Bericht darüber schreiben zu können. Hier ist er nun.
Ich habe Ihn in Abschnitte geteilt, damit es nicht so lang wird.
Zu meiner Situation vor der Op hatte ich hier: http://www.akustikusneurinom.info/forum ... f=1&t=1392 schon einiges berichtet.

Ich habe seit 8 Jahren sehr vereinzelt Schwindelattacken, aber letztes Jahr häufte es sich und wurde stärker.

Anfang 2016:
Es fing mit einer allgemeinen Unsicherheit (nein, KEIN Drehschwindel!) an und steigerte sich zu einem Schwankschwindel (ich konnte es nie genau benennen), der mir das Gefühl gab, etwas drückt mich mit unglaublicher Kraft auf den Boden. Da ich in diesem Moment auf fast 3000m Höhe in den Bergen im Schnee war, war es sehr, sehr unangenehm und beängstigend.
Kennt Ihr das Gefühl, kurz bevor man ohnmächtig wird? So in etwa, nur dass die Ohnmacht ausblieb. Meine im Gehirn entwickelten Bilder waren zerstückelt, was ich allerdings wie ‚wegblinzeln‘ konnte: Wenn ich mich ganz stark konzentriert habe, fügte sich alles wieder zusammen. Mein ganzer Körper zitterte innerlich, was man von außen nur geringfügig sehen konnte. Es fühlte sich an, als würde ich komplett die Kontrolle verlieren. Dann kamen Herzklopfen (Palpitationen und Tachykardien) und ziemlich unangenehme Rhythmusstörungen dazu. Und dann? Genau, Angst.
Solche Phasen (Dauer: einige Stunden) gingen meist über mehrere Tage im Wechsel mit nahezu normalen Phasen, mal stärker, mal schwächer. Das Unsicherheitsgefühl blieb meist für ein paar Wochen, genauso wie die Sehstörungen.
Dann gab es mehrere Wochen, in denen ich nur einen minimalen Schwindel hatte (mit dem lebe ich allerdings schon seit bestimmt 5 Jahren und kann mich gut arrangieren): ich habe wieder normal gearbeitet, war klettern, joggen, bin mit dem Auto gefahren. Ich fühlte mich hervorragend.
Und dann ging es wieder los. Kein auslösender Moment. Einfach aus dem Blauen heraus.
Zu dieser gesamten Schwindelerfahrung schreibe ich im Bereich Reha noch ein paar interessante Infos. http://www.akustikusneurinom.info/forum ... f=3&t=1441
Die Suche nach der Ursache führte mich über die Notaufnahme der Herzklinik, über ziemlich verrückte Tests der Kardiologen (die normalen Herzfunktionstest und ein Test auf der Intensivstation) dann zum Neurologen (alles super), zum HNO (Gleichgewichtssinn ok, Hörtest: hervorragend, kein Morbus Menier), zum Augenarzt (prima), zum Heilpraktiker und schließlich dann zum Psychologen (Ok, Panikattacken). Das Einzige, was ich als allerletzte Untersuchung noch machen sollte, war das MRT vom Kopf – und das habe ich nicht gemacht. Natürlich haben alle Ärzte gesagt: tja, das kann man in letzter Konsequenz schon machen, wobei vermutlich nichts dabei raus kommen wird, weil ALLES, einfach alles auf einen psychogenen Schwindel bzw. Panikattacken hinweist. Und ich hatte ehrlich gesagt, die Nase voll. Hinterher betrachtet könnte man sagen – Nase voll zum falschen Zeitpunkt. Ich für mich kann mittlerweile sagen: es war alles so, wie es sein sollte und mir sind (Gott sei dank!) keine Nachteile durch die Verzögerung der Diagnose widerfahren.

Ende 2016:
Nach einer erneuten und ziemlich heftigen Schwindelepisode und weil die Arbeit mit dem Psychologen überhaupt keine Verbesserung mit sich brachte (die Symptome verschlechterten sich eher im Laufe der Zeit), hat mich mein HNO zum MRT geschickt – und ich danke ihm, dass er hartnäckig war.
Im Dezember dann die Diagnose: AN links, 18x13x8mm, 2/3 intrameatal, 1/3 extrameatal, Anschluss zum Stammhirn, aber keine Kompression. Und ich? Habe vor Erleichterung geheult wie ein Schlosshund.
Ich war also nicht auf dem Weg, verrückt zu werden, sondern es gab einen Auslöser! Und: Ich kann etwas tun. Und plötzlich war meine gesamte Unsicherheit, die sich mittlerweile auf alle Lebensbereiche ausgebreitet hatte, meine Zweifel, das Gefühl, ich kann meinem Körper nicht mehr vertrauen… all das war wie weggeblasen.

Natürlich waren alle in meiner Umgebung geschockt und ich hatte das absurde Gefühl, dass ich die Leute getröstet und beruhigt habe. Der Segen der ersten, ich nenne sie mal ‚naiven‘ Phase nach der Diagnose. Ich habe mich nicht gleich massiv in die Recherche gestürzt. Nur ein paar Infos gesammelt. Ich glaube, ich brauchte erst einmal Zeit, damit die Tragweite der Situation in kleinen, mir verträglichen Dosen in mein Bewusstsein dringen konnte. Der Aufwachmoment kam Ende Dezember im Gespräch mit dem Professor der HNO Klinik: Innerhalb 5 Minuten hieß es: Ok, der Tumor ist beachtlich groß, sollte so bald wie möglich raus operiert werden, sie werden mit einer über 75%tigen Wahrscheinlichkeit taub auf dem Ohr, Schwindlig wird Ihnen danach trotzdem noch sein, Klettern, Wandern werden Sie nicht mehr können, Aufenthalt nach Op 5-7 Tage, Reha nicht notwendig. Das war das erste Mal, dass ich vor Erschütterung ob der mir bevorstehenden Veränderung tatsächlich in Tränen ausgebrochen bin.
Und dann bin ich aktiv geworden, denn die Aussagen kamen mir irgendwie eigenartig vor. Ich möchte hier anmerken, dass ich nicht die Kompetenz des Professors in Frage gestellt habe, sondern gemerkt habe, dass ich eine andere Zwischenmenschliche Basis gebraucht habe, um dem Operateur zu vertrauen!

Anfang 2017:
Da sich meine Schwindelsymptome verstärkten (hierzu später im Bereich Reha ein paar sehr interessante Infos), konnte ich nicht mehr Autofahren und auch nicht mehr Arbeiten und hatte sehr viel Zeit. Ich recherchierte sehr gründlich und viel und hatte bald ein paar Gespräche mit diversen Operateuren in Deutschland organisiert. Ich brauchte Zweit- und Drittmeinungen.
Mitte Januar hatte ich dann auch ein Gespräch in Halle bei Prof. Strauss und fühlte mich hier rundum sehr gut aufgehoben. Es ging mir nicht um die geringste Wahrscheinlichkeitsangabe einer Schwerhörigkeit oder Ertaubung oder dauerhaften Facialisparese. Wie gesagt, ich brauchte das Gefühl, dass ich diesem Menschen guten Gewissens die Erlaubnis geben kann, in meinem Gehirn herum zu hantieren. Im Forum hatte jemand es in etwa so beschrieben: Wenn mir jemand nach der Op sagen muss, dass ich taub bin, dann sollte es dieser Mensch sein. Daran musste ich immer wieder denken. Und für mich war es Prof. Strauss.
Dass ich den Weg der Op gehen wollte, war sehr schnell klar. Abwarten wollte ich nicht mehr, da meine Symptome bereits zu einschränkend waren. Bestrahlung kam für mich nicht in Frage, weil auf Grund meines Alters die Wahrscheinlichkeit einer Entartung des bestrahlten Gewebes steigt und auch die Wahrscheinlichkeit eines Wachstums nach einigen Jahren. Ich weiß, bestimmt haben Einige von Euch hier andere Meinungen und Zahlen und Wahrscheinlichkeiten. Ich wollte mir die Bestrahlung als Möglichkeit für ein etwaiges Rezidiv nach der Op offenhalten.

Für mich war das Thema ‚Vertrauen‘, das Schwierigste. Am liebsten hätte ich die OP ja selber gemacht. Mit der Anatomie dann doch gut vertraut, leuchtete mir ein, dass das wohl nicht geht.
Angst vor dem Eingriff oder vor der Narkose an sich, hatte ich nicht wirklich. Eher davor, dass man mit mir im narkotisierten Zustand nicht respektvoll umgeht. Und dass ich nach der Op nicht mehr Herr meiner Sinne bin. Mit den Veränderungen wie Schwerhörigkeit, Taubheit, Facialisparese, etc habe ich mich intensiv auseinander gesetzt, und mich irgendwie versucht, darauf vor zu bereiten. Ich habe sogar mehrere Tage einen Stöpsel im linken Ohr gehabt, damit ich mal einen Eindruck davon bekomme, wie sich ‚weniger Hören‘ anfühlt.
Die Zeit nach der Entscheidung für den OP-Ort und vor der eigentlichen Op, war von Höhen und Tiefen geprägt. Mit all den typischen Zweifel: ist es dort richtig? Oder soll ich doch noch andere Operateure kennen lernen? Soll ich überhaupt die Op machen?
Ich hatte (und habe immer noch) tolle Menschen um mich herum, die mir in dieser Zeit so unendlich viel geholfen haben. Egal ob es ein Kaffeetrinken war, wo es um alles Mögliche ging, nur nicht um den Tumor und die Op. Oder ein spätabendlicher Verzweiflungsanruf: Soll ich nicht doch noch nach Luzern und die 30.000 (??) Euro in die Hand nehmen?
Doch ca 2 Wochen vor der Op, war ich innerlich ruhig und gefasst, auf alles eingestellt und einfach nur ‚froh‘, dass jetzt der Wendepunkt kommt. Wie es danach weiter geht, dass wird sich dann ergeben und das habe ich nicht in der Hand. Zum Erfahrungsbericht der Op in Halle gehts hier: http://www.akustikusneurinom.info/forum ... f=2&t=1440
32 J., w.,Schwindelanfälle, 01.12.'16 AN-Diagnose: 16x11x8mm, Op 3.'17 Prof. Strauss, vollst. Entfernung, kaum Hörverlust, Fascialisparese links für 8 Wochen, stärkerer Tinitus, Gleichgewichtsorganausfall links, Schmerzattacken
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