Starke Verunsicherung wegen OPs bei NF2

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schlumpfinchen
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Starke Verunsicherung wegen OPs bei NF2

Beitrag von schlumpfinchen » 11.05.2011, 10:25

Hallo liebe Forumleser,

ich bin knapp 23 Jahre alt und seit knapp 9 Jahren ist bei mir die Diagnose NF2 bekannt, vererbt durch meinen Vater. Mein Bruder ist Autist, geistig behindert, und lässt bisher keine Untersuchungen zu, die aufklären sollen, ob er auch betroffen ist. Leider.

Jedenfalls tingel ich nun seit 9 Jahren von Arzt zu Arzt, Klinik zu Klinik. Ich glaube, es gibt im süddeutschen Raum bald keine Klinik mehr, die ich nicht von innen gesehen habe. Und obwohl meine Ans (beidseitig bei mir) stetig weiterwuchsen, zwar langsam, aber immerhin, entschieden sich bislang alle Kliniken zum sogenannten „watch & wait“. Trotz mehrmaliger Hörsturze usw.

Nun ist es inzwischen soweit gekommen, dass ich links fast gar nichts mehr höre. Aufgrunddessen habe ich letzten Herbst meine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester abbrechen müssen, da die Klinik- und Berufsfachschulleitung niemand im Haus haben wollte, der selbst hochgradig krank ist, ich sei nicht mehr einsetzbar und musste gehen.

Zu diesem Zeitpunkt war ich in Tübingen in Behandlung. Ein Spezialist auf dem Gebiet erzählte mir von einer Studie, in der mittels Avastin (ein Medikament, dass oft bei Chemotherapien eingesetzt wird, um diese zu verstärken) das Volumen der Neurinome verringert werden soll. Dies machte mir natürlich in meinem zarten Alter Hoffnungen, da ich grundsätzlich natürlich erstmal Angst vor solchen OPs habe. Mein Vater ist nach solch einer OP auf einem Ohr ertaubt und auf dem anderen sehr schwerhörig.

Wiederum bin ich von Klinik zu Klinik getingelt, um jemand zu finden, der bereit dazu ist, diesen Weg mit mir zu gehen. Tübingen war da nur zweitrangig, da die Distanz zwischen meinem Wohnort und der Klinik einfach zu groß ist. Habe dann sogar in der Klinik hier vor Ort einen Neurologen gefunden, der bereit gewesen wäre, dies mit mir zu machen. Gescheitert ist es dann daran, dass man als Kassenversicherter sowas nicht genehmigt bekommt.

Aber immerhin kam ich durch die auf das Cyber-Knife in München. Bekam dort sogar innerhalb von 2 Wochen einen Termin. Bin es gewohnt, dass ich oft 3 Monate oder länger auf einen Termin warten musste. Dort erfuhr ich dann, dass ich nicht nur von zwei ANs betroffen bin, sondern, dass noch zwei weitere Neurinome in meinem Kopf vor sich hinwachsen. Mir bisher völlig unbekannt, da keiner der früheren Ärzte etwas davon sagte, obwohl sie laut dem Arzt im Cyber-Knife deutlich sichtbar sind. Dieser Arzt riet mir auch, dass ich möglichst schnell zu einem Neurochirurgen im Klinikum Großhadern gehe, da für ihn nur noch eine OP infrage kommen würde. Zum Bestrahlen seien sie einfach inzwischen zu groß.

Diese Diagnose streßte mich natürlich so sehr, dass prompt 3 Tage später wieder ein Hörsturz folgte, von dem ich mich gottseidank schnell erholte.

Das ist jetzt eineinhalb Wochen her. Kommenden Dienstag habe ich jetzt den Termin in Großhadern und bin immer noch sehr skeptisch und misstrauisch. Ich stehe gerade am Beginn meiner neuen Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin und da ich schon mal miterleben musste, was es für einen heißt, wenn die „Traum“-Ausbildung genommen wird, ist dies umso belastender.

Der Gedanke an gleich mehrere OPs in nächster Zeit nagt so sehr an mir, dass ich nachts kaum noch schlafen kann. Erschwerend kommt hinzu, dass ich wegen der letzten Jahre schon ein kleiner Klinikenphobiker geworden bin und ich noch mehr Angst bekomme, wenn ich daran denke, dass ich dort einige Tage bis Wochen bleiben muss. In einer Klinik zu arbeiten ist was anderes, als dort selbst Patient zu sein.

Nun meine Frage, was ihr bisher an Erfahrungen mit OPs gemacht habt? War es eure erste Wahl, bzw. die von euren Ärzten? Wie geht es euch danach? Ging es euch danach lange Zeit schlecht?

Vielen Dank schon im Voraus, es tut gut, nicht allein zu sein ;)

Franziska alias Schlumpfinchen
w, * 1988, seit 2003 Verdacht auf NF2, bis 2008 unauffälliger Verlauf, Gentest bestätigt NF2 03/2010, 02/2012 Therapie mit Avastin beginnt, 02/2013 Kontrolle: Rückgang der AN-Größe, Therapie bis 02/2014 (Krankenkasse zahlt nach langem juristischem Kampf)
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Re: Starke Verunsicherung wegen OPs bei NF2

Beitrag von ANFux » 11.05.2011, 16:36

Liebes Schlumpfinchen,

ich merke leider immer wieder, dass es alles noch in Steigerung gibt. Leider. Auch wenn ich mich da weit hinaushänge, aber das Verhalten der Ärzte, wie es sich mir aus Deiner Ablaufschilderung darstellt, finde ich dumm und/oder gemein. Wie kann man einem erwachsenem, jungen Menschen am Beginn seiner Berufslaufbahn die klare Diagnose vorenthalten??? Selbst wenn erst nur zwei Akustikusneurinomen zu sehen gewesen sind oder wären – hier hätte es sich gehört zu informieren, wie der Krankheitsverlauf bei NF II sein kann, wie er oft ist, auf was man sich einstellen muß!

Waren Deine Ärzte immer Neurologen oder waren auch Neurochirurgen darunter?
Hat wirklich nie jemand darüber informiert, dass es durchaus „normal“ sein kann, dass die entfernten ANs immer wieder wachsen und dass es auch typisch ist, dass in Kopf und am der Wirbelsäule weitere Tumoren wachsen können?

Darauf muß sich der NF2-Betroffene einstellen. Das muß man bei jeder Therapieentscheidung berücksichtigen. Es ist immer abzuwägen zwischen Operation und Bestrahlung. Letzteres geht natürlich nur bis zu einer Tumorgröße von ca. 2,5 cm, maximal 3 cm. Deshalb ist eine Betreuung durch einen Arzt oder ein gut harmonierendes Ärzteteam wichtig.
Mit den Münchener Cyber-Knife-Spezialisten hast Du dafür schon eine sehr gute Adresse gefunden.

Zu der notwendigen Wahrheit gehört auch, dass Du die Gebärdensprache lernen solltest, weil Du sie mit größter Wahrscheinlichkeit einmal benötigen wirst. Vielleicht liegt hier sogar eine Chance für eine neue Berufsorientierung? Unser Mitglied mofe steht jetzt vor dem gleichen Problem.

Die Möglichkeit, die man Dir in Tübingen aufgezeigt hat, würde ich mir genau erläutern lassen. Du könntest dann ja das Forum informieren. Erkundige Dich bitte auch mal nach den Kosten und informiere mich darüber.

Ich werde Dir per VN die Kontaktadresse einer guten Freundin mitteilen, die auch in jungen Jahren die Diagnose NF2 erfuhr und die danach ein sehr erfülltes Leben geführt hat und heute noch führt. Sie kann und wird Dir sicher viele gute Tips aufgrund Ihrer Erfahrungen geben. Ich teile Dir auch meine private Telefon-Nr. mit.

Wie eine OP ausgeht, wie man sich danach fühlt, wie lange man zu knaubeln hat, ... ? usw.
Da solltest Du Dir die wenigsten Knopfschmerzen machen. Gemessen an den Gefahren, die langfristig durch eine zu spät oder von einem sehr unerfahrenem Operateur ausgeführte OP entstehen können, sind das alles kleine Wehwehchen, die eintreten können. Das jüngste Beispiel – der Bericht von Retep – zeigt das wieder.

Ich wollte eigentlich einigen anderen den Vortritt lassen, aber Deine Schilderung hat mich sehr aufgerüttelt und deshalb bin ich mal wieder Erster.

Beste Grüße
ANFux
1939, m. '94 transtemp. OP (15 mm) in Magdeburg/Prof. Freigang, einseitig taub, kein Tinnitus, keine Fazialispar. Rehakur in Bad Gögging. '96-'04 im Vorstand d. VAN in D, seitdem Beratungen zum AN. Ab '07 Moderator, ab '08 Homepage-Verantwortl.(bis 2012)
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Re: Starke Verunsicherung wegen OPs bei NF2

Beitrag von claude » 12.05.2011, 10:23

Hallo Schlumpfinchen,

beim Lesen Deines Berichtes habe ich nicht nur einmal "Puh" gedacht und den Kopf geschüttelt. Auf Dich ist wirklich eine Menge hereingebrochen. Damit musst Du Dich jetzt zwangsweise auseinandersetzen, um Verunsicherung und Angst in Grenzen zu halten. ANfux hat Dich schon an die Hand genommen. Das ist gut. Du wirst auf diesem Weg bestimmt Ärzte finden, denen Du Vertrauen schenken kannst - trotz Deiner leider bescheidenen Erfahrungen bislang oder gerade deswegen: Du wirst den entscheidenden Unterschied für Dich spüren. Prioritär ist die Qualität der Behandlung, die Erfahrung der Ärzte, deren Behandlungserfolge, in Deinem Fall vielleicht ein Team verschiedener Fachrichtungen, das verschiedene Behandlungsmethoden kombiniert, idealerweise Therapien bündelt und die Belastungen für Dich so gering als möglich hält. Die Entfernung zum Wohnort fällt bei mir unter die Rubrik Komfort, d.h. das zählt erstmal nicht.

Du schreibst von Deiner 2. Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin, die Du gerade begonnen hast. Ich kann gut verstehen, dass Dir die Therapiebedürftigkeit der Krankheit jetzt gar nicht in den Kram passt. Ich finde es besonders gemein, wenn SOWAS in Neuanfänge reingrätscht. Bedauern hilft Dir aber nicht. Keiner schreibt das Drehbuch zu seinem Leben selber. Die Rahmenbedingungen sind gegeben und wir müssen versuchen das Beste daraus zu machen. Also, liebe Franziska, Kopf hoch und trotz aller Neurinome die Nerven behalten (Ist gleichzeitig ein Wunsch für Dich! :) ). Denke nicht an das Schlimme, was alles passieren könnte. Das kostet viel Energie, die Du jetzt für anderes brauchst. Selbstverständlich wird die Therapie Zeit kosten und kein Spaziergang sein. Versuche es aber als Episode zu betrachten und Dich immer wieder auf das Licht am Ende vom Tunnel zu konzentrieren.

Ich wünsche Dir ganz viel Glück und Kraft! Du schaffst das!!!

Liebe Grüße samt fest gedrückten Daumen,
Claude
1972, w., 16x10x8 mm AN re in-+extr.meatal, OP in Mainz am 16.07.2010, kompl. entfernt, Hörminderung, Tinnitus, Fazialisparese, trockenes Auge + Nase, Kopfschmerz links!, Synkinesien seit 28. Wo. nach OP (Auge/Stirn-Mund), Gleichgewicht wieder da!
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