Nach OP zum Pflegefall

Antworten
BellaNRW
Beiträge: 5
Registriert: 04.09.2014, 21:28
Land: D
Geschlecht: w
Geburtsjahr: 1966
Wohnort: NRW

Nach OP zum Pflegefall

Beitrag von BellaNRW » 22.01.2016, 18:49

Liebes Forum,

die Abstände in denen ich nach meiner OP hier war sind lang gewesen. Das hängt auch damit zusammen, dass es mir einfach zeitweise zu schlecht geht.
Ich habe hier bisher wenig über Fälle wie mich gelesen, deshalb denke ich, ist es wichtig auch in einer negativen Entwicklung nach einer OP zu berichten.
Meine OP in Halle war vor 14 Monaten. Seitdem habe ich Dauerschmerzen. Das heißt ich habe immer Kopfschmerzen (mittlerweile auch Nackenschmerzen durch Schonhaltung), morgens, mittags, Abends, nachts. Ich war in der Zeit zweimal notfallmässig Stationär, weil die Schmerzen manchmal so schlimm sind, dass ich komplett durchdrehe und nur noch schreie.
Keine Ahnung wie meine Familie das mit mir aushält, aber ohne meine Lieben, die um mich kämpfen und einfach nicht aufgeben, wäre ich wahrscheinlich nicht mehr. Ich liess mich auch psychotherapeutisch beraten, war bei verschiedenen Osteopathen und Heilpraktikern, Orthopäden, Kieferorthopäden usw. und habe mich in insgesamt 4 Schmerzkliniken vorgestellt.
U.a. in Kiel bei unserem deutschen Kopfschmerzguru. Dort wurde ich als chronisch entlassen, unheilbar, mit folgender Medikation täglich: Opiod-Einstellung, 90mg Arcoxia, Antidepressiva und als Notfallmedikament Tavor. Damit möchte ich verdeutlichen, dass es für mich wohl zukünftig nur zwei Lebensarten gibt. Entweder Schmerzen irgendwie aushalten, oder zugedröhnt mit katastrophalen Leberwerten dahin zu vegetieren.
Ein Mitglied hat hier geschrieben, ihr wurde von ärztlicher Seite zur Bestrahlung geraten, sie könnte nach der OP zum Pflegefall werden. Ja, ist durchaus möglich!!
Hört sich alles verbittert an!? Ja, stimmt, bin ich.Von der Powerfrau ist nicht mehr viel übrig geblieben. Fast 30kg Gewichtszunahme, seit der OP krank geschrieben, viel Lebensqualität verloren...
Aber das Allerschlimmste ist und war, dass ich nach der OP quer durch die Republik irrte um Hilfe zu finden. Die meisten Ärzte und besonders die Schmerztherapeuten waren total überfordert. Ein Schmerztherapeut ist oftmals Anästhesist und stellt dich nur mit Medikamenten ein.
Keiner sucht mehr nach der Ursache, wenn das MRT unauffällig ist. Außer vielleicht ein paar Privatärzte.... die nehmen sich etwas mehr Zeit, aber auch ohne Ergebnis, weil viele Ärzte einfach keine Erfahrung mit AN-Operierten haben.
Interessant ist auch, dass ab 6 Monaten nach OP meine Beschwerden nicht mehr postoperativ sind, sondern chronisch.. Aha, und was heißt das jetzt!? :oops:
Ich habe mich damals durch die Seite hier, nicht nur, aber auch zur OP beeinflussen lassen.
Vielleicht gibt es ja auch Ideen und Möglichkeiten, wie man Patienten begleiten kann, bei denen es nach der OP nicht so gut läuft. Wo finden wir Hilfe, welche Ärzte kennen sich mit postoperativen Problemen nach einer AN-OP aus?
Ich hätte mir echt gewünscht, irgendwo an einen kompetenten Arzt zu geraten, der mich nach der OP begleitet hätte und mir weitere Untersuchungen verordnet hätte und und und....


Viele Grüße
BellaNRW
Bella/Jg.66 - AN Diagnose 2009 intrameatal, Wachstum bis Sep. 2014 auf 0,23 ccm, intra- und extrameatal, Beschwerden: Drehschwindelattacken 3-5 x pro Jahr, kein Hörverlust. Nov 2014 OP in Halle, AN komplett entfernt, rechts taub, chron. Kopfschmerzen
snowdog
Beiträge: 700
Registriert: 03.07.2009, 23:15
Land: D
Geschlecht: m
Geburtsjahr: 1962
Wohnort: Hessen - D

Re: Nach OP zum Pflegefall

Beitrag von snowdog » 26.01.2016, 21:47

Liebe BellaNRW, liebe Forumsbesucher,

die Schilderung deiner Entwicklung macht betroffen – es fällt schwer,
hier von einem Heilungsverlauf zu sprechen. Schmerzsymptome gehören
sicherlich zu den belastendsten Folgen einer Therapie.

Deine Odyssee durch die Schmerzkliniken macht deutlich,
dass nicht jedem Schmerzbild beizukommen ist. Die Klassifizierungen
von Kopfschmerzen alleine ist ein komplizierter Prozess, letztlich geht
es um akribische Ursachenforschung. Die ist notwendig, um eine
mögliche Therapie zu entwickeln. Chronische Schmerzen, als Erkrankung
verstanden, müssen dauerhaft behandelt werden. Für den Betroffenen
geht es vor allem darum, den Schmerz einzudämmen, erträglich zu
machen und Linderung zu verschaffen - Medikamente reichen von
Beruhigung/Entspannung bis zur umfassenden Betäubung, die Erfassung
und Einstellung präziser Wirkspiegel kommt dabei eine große Bedeutung zu.

Zwar wird der lindernde Effekt eines Schmerzmittels begrüsst, wichtig
bleibt dabei, dem Schmerzauslöser auf den Grund zu kommen. Im Falle
einer AN-OP sind mehrere Ursachen denkbar, traumatische Ursachen
als Kollateraleffekt des Eingriffs z.B., Verspannungen aufgrund der
Schädelfixierung, Positionierung und Haltung während des Eingriffs.
Chirurgisch können Beschädigungen des Nervengewebes dazu führen,
dass im Heilungsprozess „Fehltriggerungen“ ausgelöst werden.
Heftige Symptome können auch im Zuge einer Lumbalpunktion ausgelöst
werden, wenn z.B. in Folge eines Liquorlecks zur Druckminderung
Hirnwasser kontrolliert abgelassen werden soll.

Erschwerend kommt hinzu, dass der Organismus selbst auf
Schmerzen reagiert. Fehl- und Schonhaltungen, die wiederum
schmerzhafte Verspannungen bedingen, sowie unterschiedliche Reaktionen,
die aufgrund eines entstehenden Schmerzgedächtnis variieren können.
Und selbst Schmerzmittel können Prozesse in Gang setzen, die
schwierig zu kontrollieren sind, weshalb der exakten Dosierung
und Verabreichung so große Bedeutung zukommt.

Wenn wir also von Hörverlust, Schwindel und Facialisbeschwerden
sprechen, sind das die unmittelbaren OP-Folgen und Einschränkungen,
die im Heilungsprozess addressiert werden und – wenn auch langwierig –
einer individuellen Gewöhnung unterliegen. Kopfschmerzen sind nicht
die Regel, sind aber häufig anzutreffen – oft auch als Erschöpfungs-
und Belastungsreaktion. Chronische Kopfschmerzen quasi als
„Normalzustand“ zählen zu den gravierendsten Symptomen nach
einer AN-OP. Es gibt ein Restrisiko, selbst davon betroffen zu sein,
gesamt betrachtet sind das dennoch Ausnahmefälle. Kein Trost für
Betroffene, das steht außer Frage.

Liebe BellaNRW, zwei Dinge möchte ich mit Blick auf deinen Beitrag
loswerden:

Es ist gut und wichtig, dass Du deine Erfahrungen öffentlich machst
und mit dem Forum teilst. „Wenig Fälle wie deiner“ bedeutet nicht,
dass es keine gibt – auch wenn die Motivation von Betroffenen im
Falle negativer und bedrückender Verläufe darüber offen zu schreiben,
nachfühlbar anders gelagert ist. Ein Hirntumor ist eine ernste und
schwerwiegende Erkrankung, keine noch so positive Genesungsgeschichte
sollte darüber hinwegtäuschen.

Gleichzeitig ist es schade, dass Du in dieser schwierige Phase das
Forum nicht hast für Dich „gewinnen“ können, als eine Art Begleiter,
Verständnisstütze, Zuflucht oder welchen Begriff man dafür wählen könnte.
Worauf ich hinaus möchte – das Forum ist mehr als eine Informations-
und Erfahrungssammlung zum Akustikusneurinom – es hat Potenzial,
als Stütze für die Ausrichtung sich verändernder Lebensumstände
dienen zu können.

Es ist offensichtlich, dass eine AN-Therapie neben den körperlich
wahrnehmbaren Symptomen starke Auswirkungen auf die Psyche hat.
Das ist so und diese treten individuell verschieden in Erscheinung.
Gemessener Hörverlust und befundete Nervenschäden sind objektive
Folgen, die bei Verlaufskontrollen ärztlich begutachtet werden können.
So weit, so unvollständig. Denn nicht alle Symptome wirken gleich
belastend, permanente Schmerzen z.B. lösen ein anderes Echo aus
als eine in unterschiedlichen Momenten erfahrene Taubheit, ein
variierender Tinnitus oder ein sporadischer Schwindel.
Es ist wichtig, die Schmerzsymptomatik als eine temporäre Begleiterscheinung
akzeptieren zu wollen – dies kann dadurch gelingen, dass selbst leichte
Veränderungen registriert und protokolliert werden. Genauso wichtig,
in kleinen Schritten zu denken, weniger in Gesamtbetrachtung zu verfallen.
Positiv denken, die Hoffnung aufrecht erhalten.
Deine OP liegt etwas mehr als 1 Jahr zurück, kein Grund, von unveränderbaren
Symptomen auszugehen – ich habe erste Besserungen nach etwas mehr als
2 Jahren und kontinuierlich über 5 Jahre feststellen können (zu finden im
Erlebnisbericht „Schmerzprotokoll“ hier im Forum).
Mehr als einmal hatte ich daran nicht mehr zu glauben gewagt.

Für sehr wichtig erachte ich deine Anregung, einen Austausch über
Ideen und Möglichkeiten zur Begleitung in Gang zu setzen. Es gibt
ein paar Berichte von Langzeiterfahrenen, die vielleicht dahingehend
Ergänzungen verdienen ?

Alles Gute und beste Grüße
snowdog
snowdog (Moderator seit 4.12) Jg.62,m,verh.,2 Söhne,
AN re.5x8 mm,n-c. suboccipital AN-OP in Offenbach 4.08,
postoperativ Liquorfistel,keine Fazialisparese, einseitig taub,chron.Kopfschmerzen,jährl.Kontroll-MRT f.d.ersten 5 J.
BellaNRW
Beiträge: 5
Registriert: 04.09.2014, 21:28
Land: D
Geschlecht: w
Geburtsjahr: 1966
Wohnort: NRW

Re: Nach OP zum Pflegefall

Beitrag von BellaNRW » 31.01.2016, 10:16

Lieber Snowdog,
Erst einmal danke für deine ausführliche Antwort.
Ja, bisher fiel es mir schwer Trost aus dem Forum zu gewinnen.
Ich stehe im vertraulichen Kontakt mit anderen Mitgliedern, bei denen es auch nach der OP nicht so gut lief... Der Austausch hilft mir schon etwas.
Du schriebst, Berichte von Langzeiterfahrenen, die ergänzt werden könnten....
Gerne würde ich hierzu meinen Beitrag leisten, aber das, was ich zu berichten habe, ist teilweise so ungeheuerlich, dass damit unsere ganze Macht- und Hilflosigkeit als Patient zum Ausdruck kommt.
Wenn du starke Schmerzen dauerhaft hast, bist du ein Opfer und probierst fast alles aus, was Linderung bringen könnte.
Z.B. Hat ein Privatarzt bei mir nach seinen Untersuchungen diagnostiziert, dass durch eine Entzündung im Oberkiefer, wo mal der Weisheitszahn war, der Trigeminusnerv gereizt wird und daher die Schmerzen herkämen.
Daraufhin schickte er mich zum Kieferorthopäden, der auf dem normalen Röntgenbild nichts sah und ich ließ eine 3D-Aufnahme machen. Danach wäre eine Entzündung sehr wahrscheinlich, sagte man mir, und ich ließ mir meinen Kiefer aufbohren um letztendlich feststellen zu lassen, dass da gar keine Entzündung war.....
Du schreibst, ganz wichtig wäre es die Ursachen zu finden.
Ich dachte, Schmerzkliniken tun so etwas...!? Ist natürlich falsch. Das weiß ich mittlerweile auch. Deshalb zitiere ich mal einen sehr bekannten Professor einer großen Schmerzklinik, der sagte zu mir:'die Ursache interessiert mich nicht, ich behandele Symptome' .
Schmerztherapeuten stellen nur mit Medikamente ein..... !
Man hat versucht mich schmerztherapeutisch mit Opioiden einzustellen, die bei mir überhaupt nicht wirkten. Drei verschiedene wurden ausprobiert. Von zwei hatte ich Erstickungsanfälle und dachte jedes Mal, ich müsste sterben und meine Kopfschmerzen waren nach so einem Anfall kurzzeitig noch viel schlimmer.
Ich habe heute Angst bzw. Misstrauen vor Medikamenten.
Es gäbe noch einiges mehr, was ich berichten könnte, aber das ist eigentlich nicht das, was ich auf dem Herzen habe und loswerden möchte.
Mein Lebensgefährte hat ein Krankenhaus in Dortmund entdeckt mit einer großen neurochirurgischen Fachabteilung... Dort wird nicht nur operiert, sondern auch OP-Nachsorge betrieben (wird geschrieben) indem dort auch mit anderen Fachabteilungen eng zusammengearbeitet wird.
Da möchte ich mich demnächst vorstellen.
Und genau das ist doch was man von anderen Operateuren und Kliniken erwarten dürfte.
Ganzheitliche Patientenbetreuung. Nicht nur operieren. Wir haben gute Operateure, die praktizieren doch in großen Kliniken, zumeist Uni-Kliniken.
Warum ist da nur so eine schwache Nachsorge, die sich auf Begutachtung von MRT-Bilder beschränkt!? Warum bekommen wir keine Unterstützung?
unsere Hausärzte, Neurologen und HNOs, die teilweise gar keine Erfahrung mit AN-Operierten haben, sind doch mit uns bzw. mit denen wie mir, mit postoperativen Schwierigkeiten, total überfordert.
Und wir, bzw. ich bin kein Mediziner und weiß nicht, welchen Weg zu welchem Spezialisten, der sich auch auskennt, ich gehen muss.
Snowdog, du schreibst, wenn ich es richtig verstanden habe, es ist wichtig, der Ursache auf den Grund zu gehen um eine bestmögliche Behandlung zu gewährleisten.
Ja, aber wer kann mir dabei helfen. Zu welchem Arzt kann ich gehen? Wer kennt sich aus. Ich finde, aus meiner Erfahrung heraus, da muss viel mehr getan werden.

Ich danke dir nochmals für dein Feedback und hoffe, meine kritische Betrachtung wird mir nicht übel genommen.

Viele Grüße,
BellaNRW
Bella/Jg.66 - AN Diagnose 2009 intrameatal, Wachstum bis Sep. 2014 auf 0,23 ccm, intra- und extrameatal, Beschwerden: Drehschwindelattacken 3-5 x pro Jahr, kein Hörverlust. Nov 2014 OP in Halle, AN komplett entfernt, rechts taub, chron. Kopfschmerzen
Halebop
Beiträge: 3
Registriert: 23.04.2016, 10:54
Land: D
Geschlecht: m
Geburtsjahr: 1972
Wohnort: Bochum

Re: Nach OP zum Pflegefall

Beitrag von Halebop » 04.08.2016, 22:48

Liebe Bella Nrw,
Da ich auch aus Nrw bin und taegliche Kopfschmerzen und Uebelkeit habe, wollte ich dich nach deiner Erfahrung mit dem Klinikum Dortmund fragen. Ich kann deine Verzweiflung nachvollziehen, da ich seit 1Jahr arbeitsunfaehig bin 3 kleine Kinder habe, die ich nicht einmal selbst versorgen kann (uebelkeitsattacken und kopfschmerzen). Ich habe mit den sogenannten Kopfschmerzexperten aehnliche Erfahrungen gemacht und mich widern die Medikamenteneinnahmen an. Da ich selber Arzt bin und mir nicht helfen kann, vielleicht kann ich dir ja wertvolle Tips geben ( wenn du die Kopfschmerzen und Ausloeser beschreiben magst?)
Liebe Gruesse und kaempfe weiter, halebop
Antworten