Verlauf einer starken Facialisparese ?

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purzel
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Verlauf einer starken Facialisparese ?

Beitrag von purzel » 15.12.2010, 23:13

Hallo -

wie lange dauert es typischerweise, bis eine Facialisparese besser wird (wenn sie besser wird)? Meine AN-Operation liegt jetzt gut 5 Wochen zurueck und ich bemerke noch keinerlei Besserung; Augenbraue und Mundwinkel kann ich gar nicht bewegen, so sehr ich mich auch anstrenge, und der Lidschluss ist meiner Meinung nach eher schlechter geworden: In den ersten zwei oder drei Naechten nach der OP meinten die Aerzte, das Lid schliesse ja fast vollstaendig und ich brauche keinen Uhrglasverband, seither trage ich aber immer nachts Uhrglasverband und mittlerweile fehlen meist so ca. 4mm zum vollstaendigen Lidschluss.

Da jetzt schon 5 Wochen vergangen sind und sich noch gar nichts tut, frage ich mich, ab wann ich mir Sorgen machen soll und ob es noch etwas anderes (ausser den Gesichtsuebungen) gibt, was ich tun sollte oder wo ich mich informieren sollte? Koennt Ihr mir bei diesen Fragen helfen?

Wen mein Krankheitswerdegang ganz ausfuehrlich interessiert, der kann ihn hier nachlesen:

http://www.hirntumor.de/forum/index.php ... 445.0.html

(ich hatte mich damals auch auf diesem Forum registriert, da die Registrierung aber nicht sofort funktionierte habe ich dann zunaechst nur auf hirntumor.de gepostet).

Meine Geschichte und die Operationsfolgen sind ziemlich aehnlich zu balus Erfahrungen: http://www.akustikusneurinom.info/forum ... e-t46.html

Ich bin 30 Jahre alt, hatte ein 38x38x33mm AN und wurde am 9. November in Tuebingen operiert. Nach OP war ich rechts taub und hatte Facialisparese - laut Arztbericht nur mittel bis schwer (House-Brackmann Grad IV), meiner persoenlichen Einschaetzung nach aber Grad V oder VI. Laut Facialisnervableitung waehrend der Operation muesste der Gesichtsnerv eigentlich in Ordnung sein und Prof. Tatagiba sagte mir nach der Operation, die Prognose sei ausgezeichnet. Vor der Operation war mein einziges wesentliches Symptom eine leichte Hoerschwaeche rechts, ich konnte aber noch telefonieren.

Am 18.11. wurde ich entlassen, am 19.11 aber wieder eingeliefert mit Liquorfistel. Dann Lumbaldrainage, hat aber nichts genuetzt und so am 25.11. nochmal OP. Dann noch 7 Tage Lumbaldrainage und es schien endlich dicht zu sein, zwischendurch noch Meningitis(verdacht), am 4.12. Entlassung und seit dem 5.12. Reha in Gailingen (Entlassung vorauss. am 24.12.). Taubheit rechts macht mir nicht viel aus, Gleichgewicht geht schon wieder ganz gut, Kopfweh habe ich keins und die Sensorik ist am Kopf groessenteils in Ordnung, nur die Gesichtsmotorik ist rechts halt stark gelaehmt und wie erwaehnt gab es bisher keinerlei Besserung. Ich frage mich nun, ab wann ich anfangen soll, mir wegen des Lidschlusses und der restlichen Parese Sorgen machen und andere Schritte erwaegen soll.

Und: Wie finde ich einen guten Physiotherapeuten / Logopaeden?

Vielen Dank im voraus fuer Eure Ratschlaege!

purzel
m, geb. 1980, rechts 38x38x33mm AN am 9.11.2010 in Tuebingen operiert (Prof. Tatagiba). Facialisparese begann sich erst nach > 2 Jahren etwas zu bessern, jetzt (12/2014) Grad 3-4. Rechts taub.
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Re: Verlauf einer starken Facialisparese ?

Beitrag von Ista » 16.12.2010, 15:30

Hallo Purzel,

wie du unten sehen kannst, bin ich auch erst vor 56 Tagen operiert worden. Meine OP war vom Hinterkopf aus sitzend durchgeführt worden. Habe auch eine Fazialespares WHO Grad IV rechts wie du. Nach der OP hatte ich mit dem Auge keine Probleme. Als ich nach 3 Tagen auf die normnale Station kam fing alles richtig doll an. Vielleicht hat man das vorher allerdings durch die ganzen Medikamente nicht gemerkt.

Ich kämpfe jeden Tag mit dem Auge und es wird nicht besser. Mein Lidschluß ist wie deiner. Abends Verband mit Bephanten, tagsüber Augenklappe auch meistens mit Bepanthen. Ich versuche immer wieder tagsüber mit Hylo-Gel (Augentropfen klar zu kommen, aber es funktioniert einfach nicht. Dazu trage ich noch eine Brille, was das alles nicht einfacher macht. Am PC muss ich immer ganz schön kämpfen.

Meine Augenärztin hat mir empfohlen noch Geduld zu haben und es noch nicht zunähen zu lassen, da mein Gesichtsnerv nicht verletzt ist. Tränenflüssigkeit habe ich auch nicht. Mein Auge brennt immer nur, wenn ich es nicht dunkel verschließe. Viel trainning ist wichtig. Mein Mundwinkel ist fast wieder gerade. Man spürt, dass sich da etwas tut. Allerdings wenn der Tag mal nicht so gut läuft oder man viel spricht dann verzieht sich auch alles wieder ganz schnell. Versuch immer mit einem Strohhalm zu trinken und den Mund dabei gerade zu halten. So regst du die Mundnerven an.

Ich bekomme zusätlich PNF bei meiner Logopädin. Das ist verdammt wichtig. Ich hoffe das hat man dir in der Reha gezeigt. Punkt Elektrostimmulation habe ich auch in der Reha bekommen. Bei mir funktionierte das sehr gut. Da gibt es aber unterschiedliche Meinungen zu.

Also ich kann dir auch nur sagen: Geduld ist sehr wichtig. Das muss ich mir auch immer eingestehen. Manchmal habe ich sie auch nicht mehr. Aufgeben kann ich aber auch nicht. Bis dann mal
Gruß Ista
Mein Geschmack und meine rechte Nasenfunktion läßt noch auf sich warten.

Ista
AN lt. Op.Bericht 6X4X6 cm eingebluteter Tumor im Bereich des Kleinhirnbrückenwinkels re. mit raumfordernden Effekt. OP.: 22.10.2010 Westpfalz Klinik in Kaisers`lautern, AHB Hedon-Klinik in Lingen
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Re: Verlauf einer starken Facialisparese ?

Beitrag von purzel » 16.12.2010, 20:51

Hallo -

PNF kriege ich hier in der Reha auch, 3x pro Woche eine halbe Stunde. Insgesamt mache ich die Uebungen 2x pro Tag - wenn ich einen Termin bei der Therapeutin habe dann halt nur noch 1x selbst (sie hat gemeint, ich solle es nicht zu oft machen um die andere Seite nicht zu uebertrainieren und keine Kopplungen mit anderen Muskelgruppen (Synkinesien) zu kriegen).

Heute wurden noch zwei weitere Untersuchungen gemacht:

1.) Untersuchung des Lidschlussreflexes (OOR, Orbiculoris Oculi Reflex) - dazu wurden zwei Elektroden knapp unter den Augen angeklebt, dann noch eine Referenzelektrode knapp oberhalb der Nase, und dann wurde oberhalb eines Auges jeweils ein elektrischer Reiz gegeben. Ich sollte dabei die Augen locker geschlossen halten (soweit das rechte halt ging). Dabei war ueberhaupt keine Aktivitaet des Gesichtsnerves messbar. Ich habe aber nicht ganz verstanden, ob der elektrische Reiz direkt auf den Gesichtsnerv wirken sollte oder irgendwie indirekt (der Reflex wird ja normalerweise auch bei z.B. Beruehrungen oder helles Licht ausgeloest), und ich weiss auch nicht genau was dieser Befund jetzt fuer mich bedeutet: Bedeutet das nichts weiter als was ich ja weiss, dass naemlich ich meine Gesichtsmuskeln rechts nicht sichtbar bewegen kann, oder geht es halt noch ein bisschen weiter (weil man kleinere Nervenaktivitaeten messen als sehen koennte) oder bedeutet das, dass der Gesichtsnerv auch laengerfristig zerstoert ist und ggf. ganz nachwachsen muesste (was 18+ Monate dauert und nicht vollstaendig geht)? Vielleicht weiss hier im Forum noch jemand mehr zu dieser Untersuchung und dazu, was sie bedeutet? Eine Arztvisite habe ich erst wieder irgendwann naechste Woche.

Direkt nach der Operation wurde mir ja noch gesagt, der Fazialisnerv sei bei Ableitung waehrend der OP funktionstuechtig gewesen und die Prognose sei ausgezeichnet, die ersten drei Tage hatte ich aber ja auch noch annaehrend vollstaendigen Lidschluss. Vor der zweiten Operation (Liquorfistel-Abdichtung) wurde mir gesagt, es bestehe eigentlich keine Gefahr, dass diese OP die bestehende Fazialisstoerung noch verstaerke.

2.) Analog zu 1.) wurde auch noch die Funktion des Hoernervs getestet, auch hier konnte keinerlei Nervenaktivitaet rechts gemessen wurden. Dazu bekam ich zwei Elektroden knapp ueber den Ohren angeklebt und noch eine Referenzelektrode in die Kopfmitte. Dann wurden per Kopfhoerer auf einem Ohr jeweils laute Knattergeraeusche gespielt und mit der zugehoerigen Elektrode die fruehen akustisch evozierten Potentiale gemessen (fast auditory evoked potential, FAEP). Wie erwartet war links alles in Ordnung, rechts kam aber gar nichts, der Hoernerv sei also offenbar zerstoert / gar nicht mehr funktionsfaehig.


Falls jemand mehr dazu und zu der Bedeutung weiss, insbesondere zu 1.) oder irgendwelche Seiten kennt, die diese Untersuchung und die Interpretation genauer erklaeren, waere ich sehr dankbar.

Viele Gruesse!

purzel
m, geb. 1980, rechts 38x38x33mm AN am 9.11.2010 in Tuebingen operiert (Prof. Tatagiba). Facialisparese begann sich erst nach > 2 Jahren etwas zu bessern, jetzt (12/2014) Grad 3-4. Rechts taub.
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Re: Verlauf einer starken Facialisparese ?

Beitrag von Ista » 19.12.2010, 11:01

Hallo Purzel,
du solltest dir einmal den OP Bericht zu kommen lassen, da steht genau welche Nerven kaputt sind. Sollte dein Gesichtsnerv zerstört sein, ist das mit einem kleinen Eingriff vom inneren der Wange wieder zu richten. So sagte es mir mein Neurochir. Auf die eektronischen Messungen würde ich nicht viel geben. Wurde bei mir in der Reha auch gemacht. Dann hier beim HNO Arzt und in der Reha beim HNO Arzt und beim Akustiker gab es immer andere Messungen. Hier in Münster inder Uni HNO hat man mich ordentlich untersucht. Jetzt bin ich zur Phoniatrie gelangt. Die überprüfen alles ziemlich genau. Für die musste ich mir auch meinen OP Bericht besorgen. Es wird jetzt noch ein Test mit der Nadel durchs Ohr gemacht, um zu sehen was am Gehör in Mitleidenschaft gezogen wurde oder noch funktioniert. Da mein 8. Hirnnerv (Gehör) entfernt werden musste, hoffe ich mir, das noch irgendwo ein Rest da ist, da die Elektroden das angezeigt hatten. Hoffnung habe ich allerdings nur ganz wenig. Du solltes 5X die Woche Logopädie machen. Mindestens 2x am Tag. Gleichzeitig musst du aber auch die Gute Gesichtshälfte beruhigen. Ich mache das immer mit einer elektrischen Zahnbürste. Du musst die Wange ganz langsam nach unten ausstreichen. Wickel dir einen Mullverband um die Borsten. Danach lege dir heiße Kamilletee Beutel auf die starke Seite. Das würde ich abend machen. Tagsüber kannst du es einfach mal mit warmen Wasser ausstreichen. Dafür habe ich einen Einmalhandschuh genommen, den mit heißen Wasser gefüllt und in einen Waschlappen gelegt. Dann kannst du es auch mal auf der Wange liegen lassen. Mir hilft das. Ich habe Elektro Punkt Stimmulation. Damit sehe ich jeden einzelnen Nerv den ich anrege. Mach es nicht mit den Klebe Elektroden im Gesicht. Davon hat man mir auch abgeraten. Das Auge ist halt das schlimmste. Ich habe aber das Gefühl, dass es minimal besser wird. Das merkt man wirklich. Allerdings hartes trainning. Obwohl ich auch mal 1 Woche pause gemacht habe, weil mir alles auf den Sack ging. Das ist auch wichtig. Und viel Kontakt mit Freunden ist auch sehr wichtig, damit die dich erstmal so nehmen wie es ist und sich daran gewöhnen. Du wirst sehen auch das hilft. Laß den Kopf nicht hängen ich mach es auch nicht, trotz das ich nicht Ski fahren kann und vieles anderes noch.
Gruß Ista

P.S. Meine Signatur musste ich ändern, da mein AN lt. Op Bericht doch noch größer war.
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Re: Verlauf einer starken Facialisparese ?

Beitrag von ANFux » 21.12.2010, 13:43

Liebe Ista,

in meinem Beitrag in Deinem Thema „Einseitig taub und schwere Fazialisparese“ hatte ich angekündigt, dass ich zum Thema Elektrotherapie etwas gesondert schreiben werde. Das tue ich hier.

Ich kenne keinen Fall, wo eine Fazialsparese nach einer AN-OP durch Elektrotherapie beseitigt werden konnte. Dagegen habe ich von vielen Verschlechterungen gehört.

Im Internet findet sich nichts Wesentliches, was den Einsatz der Elektrotherapie bei vorliegender Fazialisparese befürwortet.
Einige Beispiele:

www.neuro24.de/hirnnerven_facialis.htm
Sehr ausführlicher Beitrag, auch mit mimischen Übungsvorschlägen. Dort steht u.a.: „Elektrotherapie soll Fehlinnervationen begünstigen. .... Elektrotherapie ist unwirksam und irgendwie nachteilig auf das kosmetische Ergebnis.“

www.hno-loss.de/KrankOhr/Fazialis.htm
Unter Therapie/konventionell steht: „Evtl. Elektrotherapie, Nutzen allerdings sehr umstritten.“

Die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zur Idiopathischen Fazialisparese (AWMF online) kündigen Detailstudien dazu an. Sie enthalten zur Elektrotherapie keine Aussage.

Du wischst Bedenken, die andere Forumsleser Dir gegenüber geäußert haben, weg mit dem Hinweis auf eine sog. Punkt-Elektrotherapie und schreibst optimistisch „Damit sehe ich jeden Nerv, den ich anrege.“
Darin zeigt sich für mich die gesamte Problematik und Fragwürdigkeit.

Mich würden zunächst Bezeichnung/Typ und Hersteller des Gerätes interessieren. Im Internet habe ich nichts zu diesen Schlagwörtern gefunden.

Wenn Du selbst Zweifel an einer flächenhaften Anregung durch Strom hast, dann solltest Du auch gegenüber einer punktförmigen mißtrauisch sein. Die Betonung des Punktes riecht mir sehr nach Werbeslogan.

Am Kernproblem der Kritik der Stromanwendung ändert diese „neuartige Stimulierung“ nämlich nichts. Worin besteht dieses Problem?

Deine Therapeuten und Du, Ihr freut Euch, wenn der Muskel zuckt, wenn ihr ihn punktförmig mittels Strom anregt. Das ist völlig normal, denn der Muskel war und ist ja nicht defekt! Klar zuckt der unter Stromeinfluß.

Das aber ist nicht der Effekt, der eintreten soll. Ziel und Erfolgskriterium ist, ob es DIR gelingt, den Muskel zum Zucken zu bringen. Die Ansteuerung des Muskel durch den Nerv war bzw. ist gestört. Dort liegt das Problem. DU musst diese Anregung über den Nerv wieder schaffen. Das gelingt aber nicht, wenn Du Dir diese Arbeit, diese Einflussnahme auf den Nerv, diese Impulsgebung abnehmen läßt – durch Stromstöße von außen. Das Ganze ist für mich absurd, und ich rieche hier kommerzielles Interesse.

Ich habe schon einmal im Forum Ähnliches geschrieben: Elektrotherapie fördert bei bestimmten (vielfach orthopädischen Konstellationen) die Durchblutung. Elektrotherapie fördert auch den Muskelaufbau. Aber darum geht es bei einer Fazialisparese nicht! Ein Bodybuilder kann sich Elektroden an seinen Arm legen und seinen Bizeps tausend Male zucken lassen, und dabei völlig unbeteiligt eine Broschüre über die Schönheit des männlichen Körpers lesen. Aber wir AN-Betroffenen haben ein anderes Problem!

Mein Rat: Bei Fazialisparese Finger weg von jeder Elektrotherapie, egal welchen Namen sie trägt.

Beste Grüße
ANFux
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Re: Verlauf einer starken Facialisparese ?

Beitrag von ANFux » 08.01.2011, 16:02

Liebe Ista,

nachdem Du mir "Dein Elektrotherapiegerät" Paresestim genannt hast, habe ich im Internet gesucht und auch einiges dazu gefunden. Der Text, den einige Physiotherapiepraxen teilweise zitieren, stammt immer von der Firmenhomepage.
Die Beispiele, die genannt werden, betreffen klassische Muskelpartien wie den Fußstrecker (mehrfach zitiert) und das Handgelenk (mit Abbildung).
Über die Gesichtsmuskeln, die ja nun etwas ganz anderes als besagte Muskeln sind (feingliedrig, stärk verästelt, difizile Struktur, viele Funktionen) findet man kein Wort. Denkst Du nicht, daß man sich den Werbeeffekt verkneifen würde, wenn es da berechtigt etwas zu werben gäbe???

Du schriebst in einem anderen Beitrag in der Rubrik "Lebensqualität .." u.a.:
Mein Gerät nennt sich: Paresestim. Ich habe es bereits in der AHB schon als Therapie bekommen und dann verordnet gekriegt. Normalerweise genehmigen die Krankenkassen das nicht. Zum Glück habe ich Beziehungen. Dieses Gerät hilft auch. Ist zumindest meine persönliche Meinung.


Mich überzeugt gar nicht, daß man es Dir schon in der AHB verordnet hatte. Im Gegenteil: Dort nahm ja der Fehler seinen Anfang! Die jetzige Anwendung gäbe es ja gar nicht ohne die Entscheidung Deiner AHB-Therapeuten.

Das einzig Gute im Moment ist, daß durch die erzwungene Muskelkontraktionen der Muskel nicht atrophiert (schrumpft), weil dann später nur noch Muskeltransplantationen helfen würden. Aber die eine Atrophie abwehrende Muskelaktivität kann man auch anders als mit Strom erreichen.

Zum Beispiel bei der Methode PNF durch mechanische und thermische Reize. Durch Ziehen, Strecken, Dehnen, Drücken oder Eis wird in dem Muskel der sog. Muskeleigenreflex provoziert. Durch Dehnen z.B. wird ein Zusammenziehen des Muskels provoziert. Einhergehen muß damit die versuchte willentliche Beeinflussung des Muskels. Ein passives Erdulden (und Erfreuen) der Muskelbewegungen bringt nichts!

Ich warne noch einmal vor der längeren Anwendung von Strom. Die Gefahr, daß Du (Dein Muskel) Dich daran gewöhnst und daß Fehlsprossungen der Nervenfasern (Synkinesien) begünstigt werden, ist sehr groß.

Hat Dir ein AN-Beroffener, dessen Fazialisparese durch Stromanwendung gebessert oder beseitigt wurde, schon den Rücken gestärkt?

Beste Grüße
ANFux
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Re: Verlauf einer starken Facialisparese ?

Beitrag von purzel » 08.01.2011, 17:11

Hallo zusammen -

nochmal ein kurzes Update von mir: die OP ist jetzt zwei Monate her, gebessert hat sich die Facialisparese noch nicht. Ich gehe jetzt wochentags jeweils 1x zur Physiotherapeutin zur PNF und uebe noch 2-3x taeglich selbst fuer jeweils 10-15min. Mein Uebungsprogramm ist:

1. Augenbraue hochziehen
2. Augenbrauen zusammenziehen ("boese gucken")
3. Augenlid schliessen
4. Lippen spitzen
5. Zaehne zeigen
6. mit geschlossenen Lippen breit grinsen

Dabei ziehe ich jeweils mit den Fingern die rechte Gesichtshaelfte bis zur Symmetrieherstellung in die Richtung, in die sich die linke bewegt. Gebracht hat es bisher nichts, wie gesagt.

Gestern hat am Telefon eine Freundin (die Physiotherapeutin ist) die Therapie nach "castillo morales" erwaehnt. Habt Ihr damit zufaellig Erfahrung?

Viele Gruesse und vielen Dank!

purzel
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Re: Verlauf einer starken Facialisparese ?

Beitrag von Ista » 10.01.2011, 18:14

Hallo ANfux,

es hat noch keiner über die Elektro-Punktstimulation gesprochen. Ich habe in meiner AHB darauf gepocht, das ich das bekomme. Eine Ärztin in der Klinik hatte dieses durch eine Fazialespares bekommen. Bei Ihr sah man nichts mehr.

Ausserdem verlasse ich mich nicht nur auf das Gerät. Meine Reizmassagen und PNF mache ich zusatzlich. Da ich eine zu starke linkeGesichtshälfte habe, ist es sehr schwierig nur mit PNF die einzelnen Nervenstränge ins richtige Lot zu bekommen. Ich muss immer die linke Seite beruhigen, da sie schon sehr viel übrnommen hat. Trotz regelmäßiger Anwendung.

Durch Elektro, kann ich viel Zielgenauer mit den Ästen/Nerven Muskeln arbeiten. Vielleicht bekommt ja mal jemand auch diese Reize und fühlt sich gut damit. Ob bei mir die Fortschritte durch Elektro oder PNF oder Massagen oder sonstiges kommen, werde ich nie feststellen. Ich kann nur sagen, mit meiner sehr starken Parese habe ich bislang noch keinen Gesichtsschmerz.

Gruß Christa = Ista
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Re: Verlauf einer starken Facialisparese ?

Beitrag von ANFux » 15.01.2011, 17:59

Lieber purzel,

die Methode nach Castillo Moralis ist eine sehr komplexe Therapie mit Druck- Zug- und Dehungsübungen an Hinterkopf, Stirn, Kaumuskeln an der Wange und Schläfe, am Augenringmuskel und am Mundboden. Auch Übungen zur Verbesserung der Koordination, Wahrnehmungstraining (ganzheitliche Empfíndung des Muskeltonus im Gesciht) und Kräftigungsübungen gehören dazu. Hier muß ein erfahrerner Therapeut prüfen, ob die vorliegende Fazialisparese für diese Therapie "paßt" (streng genommen umgekehrt). Der Schwerpunkt dieser Therapie liegt in der Behandlung von Defiziten im Bereich von Mund und Rachen sowie Saug-, Kau-, Schluck- und Sprechstörungen.

Beste Grüße
ANFux
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Re: Verlauf einer starken Facialisparese ?

Beitrag von claude » 25.03.2011, 10:57

Lieber Purzel,

der Facialis braucht viel Zeit, um sich zu regenerien. Es kann 2 Jahre dauern. Mir ist im Krankenhaus erst gesagt worden, es würde ca. 6 Monate dauern. Ich war daher ziemlich enttäuscht, als es erst gar nicht und dann so langsam voran ging. Aber eigentlich ist es prima, dass das Zeitfenster für die Besserung so groß ist.

Du schreibst in Deinem ersten Beitrag über die Messung der Nerventätigkeit. In der Uniklinik Mainz hat man 8 Monate nach der OP bei mir eine Amplitude des Gesichtsnerven abgeleitet. Im Vergleich zur gesunden Seite waren 25 % nachweisbar. Im Gespräch mit den Ärzten hat sich das Ergebnis relativiert. Man sagte mir, dass diese Messungen postoperativ kaum Aussagekraft besitzen. Es gibt Menschen, bei denen sich keine Aktivität nachweisen läßt, die aber ihr Gesicht komplett bewegen können. Umgekehrte Fälle gibt es auch. Insofern könnte man sich postoperativ solche Untersuchungen sparen??? Der Laie staunt und wundert sich ...

Kannst Du inzwischen Muskelkontraktionen beobachten, wenn Du die Übungen machst? Hast Du Muskelzuckungen (= Zeichen von Nervenregeneration) im Gesicht?

Bei mir hat es lange gedauert, bis sich die ersten Muskelanspannungen zeigten (ca. 2 Monate), danach kamen ganz ganz kleine Bewegungen (Böse gucken, Mundwinkel hoch, Nase rümpfen). Nach 5 1/2 Monaten ging das Auge zu. Das war super. Schwach + trocken ist es aber immer noch und ich salbe es regelmäßig. Die Stirn und der Ast unter dem Mund/Kinn machen noch nicht viel. Zähne zeigen ist immer noch frustrierend.

7/8 Monate nach der OP kam deutlich mehr Bewegung und Symmetrie in mein Gesicht. Leider traten auch Synkinesien auf - und das nicht zu knapp (s. Synkinesien bekämpfen). Wahrscheinlich habe ich selber zuviel geübt - zu oft am Tag (2-3 x für 20-30 Minuten) + zuviel Kraft, d.h. die Bewegung zu groß auf der gesunden Seite und die kranke mit den Händen mitgezogen. Beim Üben spannen sich viele Muskeln im Körper an, sie wollen unterstützen. Leider auch die falschen im Gesicht und man merkt es erst, wenn sie sich durch Mitzucken "verraten".

Ich will Dir keine Angst machen, nur einen wichtigen Hinweis geben. Gib' acht, beobachte Dich im Spiegel genau, übe lieber mit halber Kraft, dann hat die gelähmte Seite eine Chance mitzukommen.

Am Anfang kann niemand, wenn sich auf der FP-Seite noch nichts regt, auf Symmetrie achten. Es ist nur möglich, die gesunde Seite zu zügeln und insgesamt das Gesicht ausdrucksloser und entspannt zu halten. Buster Keaton lässt grüßen! :D

Ich wünsche Dir, dass sich die Äste regen und die Fasern sprossen - sozusagen Frühling für Dein Gesicht! :wink:

Liebe Grüße + viel Erfolg!
Claude
1972, w., 16x10x8 mm AN re in-+extr.meatal, OP in Mainz am 16.07.2010, kompl. entfernt, Hörminderung, Tinnitus, Fazialisparese, trockenes Auge + Nase, Kopfschmerz links!, Synkinesien seit 28. Wo. nach OP (Auge/Stirn-Mund), Gleichgewicht wieder da!
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Re: Verlauf einer starken Facialisparese ?

Beitrag von Nili 2010 » 29.03.2011, 19:28

Liebe Ista,

ich war Anfang des Jahres für sechs Wochen zur Reha, dort bekam ich auch Stromtherapie. Es wurde gepunktet. Auch ich hatte das Gefühl, dass mich die Stromtherapie gut unterstützt hat. Ich hatte sie fast jeden Tag für zehn Minuten.
Ich konnte richtig verfolgen, wie die Nerven und Muskeln von Tag zu Tag auf den Strom reagiert haben. Ich denke es war gut zur Kräftigung der Muskulatur, die durch die Facialisparese schon leicht zurück gegangen war.
Es wurde immer genau darauf geachtet, dass Eis mit PNF und Stromtherapie terminlich weit auseinander lagen.

Wieder zu Hause habe ich keine Stromtherapie mehr.
Ich denke, dass ich sie nicht mehr brauche, weil die Muskulatur mittlerweile kräftig genug ist.

Liebe Ista, schau wie lange du die Stromtherapie noch brauchst, aber verlass dich nicht auf sie.

Ich wünsche dir alles Gute und weiterhin viel Erfolg.

Nili 2010
1967,w.AN li.1,9x2,3x1,5cm, OP 08.10.10,in Braunschweig von Prof. Sollmann operiert.Bereits auf dem Ohr taub,Tinnitus,Facialisparese li.gut rückläufig.Starke Kopfschmerzen, Okzipitalisneuralgie und Synkinesien entwickelt, Trigeminusschädigung.
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Re: Verlauf einer starken Facialisparese ?

Beitrag von Ista » 31.03.2011, 15:11

Hallo Nili2010,
danke für deine Info. Ich habe meine Elektro jetzt für 3 Monate verlängert bekommen. Die Meinungen mit diesem Gerät gehen halt auseinander. Gestern bei meiner Untersuchung in der Uni Münster hat man mich auch gefragt, ob es mir hilft. Ich kann es natürlich nicht genau sagen, da ich den Unterschied nicht kenne, wenn ich das nicht gemacht hätte. Ich habe ja den stärksten Grad der Parese. Gestern wurde alles gemessen. Meine Kontrakturen sind vorhanden, allerdings nur minimal messbar. Meine Äste sind heile. Man hat mir gesagt, es dauert noch einige Monate, aber ich bräuchte mir keine Sorgen machen. Es hat sich auch schon gebessert. Ein leichtes grinsen bekomme ich auch schon hin. Nur die Stirn will noch nicht so richtig. Eigentlich fast garnicht. Aber der Muskel laut Messung und Nadel in der Stirn funktioniert wieder. Die stechenden Schmerzen hin und wieder mal im Gesicht und am Hinterkopf seien erstmal normal.
Allerdings war das für mich nur das einzig erfreuliche.
Man hat bei mir eine leichte Parese (Lähmung) im linken Bein festgestellt. Dies käme nicht von der Op. Jetzt wird mir am 13.04. das Nervenwasser aus dem Rücken entzogen, da immer noch der Verdacht einer Multiplen Sklerose besteht.
Gruß Ista
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