Zufallsbefund - "kleines Akustikusneurinom"

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Patricia
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Zufallsbefund - "kleines Akustikusneurinom"

Beitrag von Patricia » 23.02.2016, 20:08

Hallo zusammen,
ich lese schon seit längerem in diesem Forum und bin sehr dankbar, dass es diese Plattform gibt.

Nun zu meinem Fall. Ich wurde nach 36 Jahren Berufstätigkeit im Jan. 2015 arbeitslos und zusätzlich wurde mein Vater im April 2015 zum Pflegefall. Meine täglichen Aufgaben hatten sich dadurch stark verändert. Man (Frau) kann mehr auf sich achten. Das Hamsterrad war auf einmal weg.

Ich war trotz allem ständig müde, konnte mich nicht mehr konzentrieren. Mein Hausarzt hat im Aug. 2015 einen Bluttest wegen der Schilddrüse gemacht…. = unauffällig. Er machte die Wechseljahre/Hormone dafür verantwortlich. Es kamen Kopfschmerzen hinzu, welche ich mit Ibuprofen selbst behandelt habe. Täglich 3 – 4 Tabletten 400 mg. Als Therapie bekam ich eine Verordnung für 6 x Physio von meinem Hausarzt wegen Muskelverspannungen, welche bestimmt das Kopfweh auslösen. Meine Physiotherapeutin riet mir bereits bei der 3. Sitzung einen Neurologen aufzusuchen, da ich im Stehen und bei geschlossenen Augen schwanken würde, und ich den Kopfschmerz abklären lassen soll, ob es eventuell eine psychische Ursache hätte, meine Haltung/Muskulatur sei Ihres Erachtens in Ordnung. Beim Neurologen folgten Gespräche wegen dem Kopfschmerz und es wurde wegen vermehrtem Herpesausbruch (4 x Herpes Zoster in 5 Wochen), begleitet mit Schmerzen in der linken Gesichtshälfte ein MRT am 30.09.2015 mit Kontrastmittel veranlasst, um eine“ Trigeminusaffektion“ (Gefäßschlinge) abzuklären. Der Neurologe wollte noch eine Hirnwasseruntersuchung veranlassen, die ich jedoch ablehnte. Die Schmerzmittel, die ich für meine Kopfschmerzen einnahm, sollte ich sofort absetzen. Die Kopfschmerzen würden von einer Depression ausgelöst und wären nach seiner Meinung ein Spannungskopfschmerz.

Die radiologische Diagnose war: im inneren Gehörgang rechts eine ovaläre Struktur von 8 mm Durchmesser mit Kontrastanhebung. 8 mm kleines Akustikusneurinom rechts. Aufgrund meiner Nachfrage beim Radiologen wurde der Befund ergänzt AN re ca. 4x4x8 mm.

Der Neurologe hat mich kurz abgespeist. Er erklärte mir das so: „Es wurde nichts gefunden, aber wir haben einen Nebenbefund. Es wurde ein kleines Akustikusneurinom festgestellt. Sie sollten im Abstand von 1 -2 Jahren ein weiteres MRT machen lassen. Es handelt sich um einen gutartigen Tumor, der sehr langsam wächst. Melden Sie sich in 1 -2 Jahren nochmals.“

Mit diesen Worten ging in nach Hause und googlete. Ich war geschockt, eine Welt brach zusammen. Mir ging es psychisch immer schlechter. Der Kopfschmerz wurde immer schlimmer und besteht nach wie vor. Ich sog die gesamten Informationen in mich auf und bin sehr dankbar, dass es diese Informationsseite gibt.

Ich habe zwischenzeitlich im Oktober 2015 einen Hörtest und einen Gleichgewichtstest bei einem HNO-Arzt machen lassen. Das Hörvermögen rechts ist etwas schlechter als linke. Das Gleichgewicht wäre soweit ok.

Am 08.12.15 hatte ich einen Termin in Tübigen bei Prof. Dr. Ebner, der im Falle eines Wachstums eine mikrochirurgische Operation einen einen retrosigmoidalen, transmeatalen Zugangsweg unter Monitoring….. empfohlen hat. Alternativ soll ich mich über die radiochirurgische Behandlung informieren. Da es sich um einen Zufallsbefund handelt, die Symptome noch gering und die Ausdehnung des Tumor noch gering seien, wäre ein Verlaufskontrolle vertretbar. Herr Prof. Dr. Ebner würde mich auch operieren, wenn ich das wollte. Das wäre kein Problem.

Im Jan. 2016 habe ich mir eine Zweitmeinung (Unterlagen zugeschickt) bei Prof. Dr. A. Sepehrnia eingeholt. Wenn er operiert, würde er die Operation mit dem neurochirurgischen Zugang (lateral subokzipital) mit dem Ziel der vollständigen Tumorentfernung, Erhaltung des Gesichtsnerven und wenn möglich Erhaltung oder Teilerhaltung des Hörnerven und der Hörfunktion, durchführen.
Herr Prof. Dr. Sepehrnia hat auch eine abwartende Haltung als vertretbar eingestuft, hat aber gleichzeitig darauf hingewiesen, dass im weiteren Verlauf der Tumor an Größe zunehmen wird und das Hörvermögen jedes Jahr an Funktion Einbußen zu verzeichnen haben wird.

Ich möchte kurz zusammenfassen.
Ich hatte noch keinen Hörsturz (freu!) allerdings habe ich einen ständigen Ton im Kopf. Er variiert. Es hört sich wie eine rauschende Wasserleitung, manchmal auch einen höheren Rauschton. Ich könnte nicht sagen, dass der Ton in einem Ohr ist. (Tinnitius) –
Mir ist schon seit längerem aufgefallen, dass ich beim Laufen schwanke, was bei Dämmerung etwas stärker ist. Ich dachte mir aber nichts dabei und schob es auf mein Alter ;-) Wenn ich zurückdenke fällt mir auch eine Situation ein, Ich sagte zu meinem Mann:“ pass doch auf, du rempelst mich immer an.“ Heute weiß ich, dass ich das war (leichter Schwankschwindel beim Gehen und stehen.)
Am schlimmsten empfinde ich die Kopfschmerzen im hinteren Kopfbereich. Zusätzlich habe ich einen „dicken Kopf!“. Ein Gefühl als hätte ich eine Wassermelone auf dem Hals. – Dies soll von meinen Kopfschmerzen kommen. Diese sollen allerdings nicht mit dem AKN zusammenhängen (lt. HNO und 2 Spezialisten Tübingen + Luzern)

Fazit eines Spezialisten:
Meine Kopfschmerzen, die Konzentrationsschwierigkeiten, die Schlafstörungen, die andauernde Müdigkeit, die Verspannung der Halsmuskulatur seien durch den Tumor nicht erklärbar. Deshalb bin ich seit November bei einem Psychotherapeuten in Behandlung.

Wenn ich über meine Situation nachdenke und momentan wirklich „nur“ das Kopfgeräusch und der leichte Schwankschwindel Symptome meines AKN’S sind, (so stellen es die Spezialisten dar), und alle anderen Symptome wie Kopfschmerz, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen, permanente Müdigkeit und Verspannungen von der Psyche kommen, dann kann ein „watch and wait“ nicht falsch sein. – oder?

Meine Fragen.
Hat noch jemand die o. g. Symptome vor der OP?
Ich mache Gleichgewichtsübungen, sind diese Übungen gut oder schlecht?, wird dadurch nicht zusätzlich der betroffene Nerv gereizt und das Neurinom wird stärker durchblutet und wächst dadurch?
Wäre in meinem Fall – Lage des AKN innerer Gehörgang – ratsam, einen HNO-Spezialisten aufzusuchen?
Was bedeutet :retrosigmoidalen, transmeatalen Zugangsweg? Ist das mit suboccipital gleichzusetzen?

Ich habe sehr viel gelesen, bin aber kein guter Schreiberling. Trotzdem versuche ich eine richtige Formulierung zu finden.

Wenn ich die Beiträge im Forum miteinander vergleiche wiederholen sich viele Textpassagen.
Meistens wird das AKN erst diagnostiziert, wenn Dieses starke Symptome verursacht und das AKN schon größer ist, manchmal auch wenn es klein ist (inkl. Symptome)
Jetzt meine Frage……
Ist es ein Fluch oder ein Segen, wenn ein AKN noch klein ist, durch Zufall entdeckt wird und fast keine Symptome verursacht.
Fluch, weil auf einmal alles anders ist! Und Mann/Frau vor der Entscheidung steht!
Segen, weil Mann/Frau die Diagnose schon weiß.
Ich war nach dem Lesen der vielen Artikel der Meinung, dass eine OP erst bei starken Symptomen ratsam sei, da die OP-Folgen nicht gerade gering ausfallen können und es sich um eine schwere OP handelt.
Oder ist es besser das AKN schnellstmöglich nach der Diagnose auch zu operieren um die OP-Folgen zu minimieren? Ich bin gnadenlos überfordert!

Ich weiß,….. die Entscheidung muss jeder Betroffene selbst treffen. Aber dies ist für mich momentan noch nicht möglich.
Es wäre schön, wenn sich einige zu meinen Fragen / Ängsten melden würden.

liebe Grüße
Patricia
Weiblich, geb. 1961, Zufallsbefund: 30.09.2015 - AKN re 4x4x8 mm innerer Gehörgang- leichter Tinnitus (Ohrgeräusch), minimaler Hörverlust re
Bis 2019 kein Wachstum, bis auf weiteres wait & scan , nächstes MRT 2020
snowdog
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Re: Zufallsbefund - "kleines Akustikusneurinom"

Beitrag von snowdog » 25.02.2016, 10:36

Liebe Patricia, liebe Forenbesucher -

dieser Erfahrungsbericht bildet sehr detailliert ab, was sich hinter dem
Attribut „Zufallsbefund“ aus der Sicht des Betroffenen verbirgt.
Der Begriff suggeriert, die Ursachenforschung wäre hier quasi als Beifang
einerunerwarteten Erkrankung auf die Spur gekommen. Tatsächlich
geht es genau darum - eine signifikante Symptomatik, die mit einem AN
in Verbindung zu bringen ist, diagnostisch auszuschließen (grundsätzlich
per MRT möglich).

Was für die Richtigkeit des Begriffs „Zufall“ spricht – die Regel ist bei
vielen AN-Erkrankungen immer noch eine lange Phase des Unentdecktbleibens,
aufgrund der mehrdeutigen Symptome und der relativen Häufigkeit
(= Seltenheit) vom Standpunkt der Diagnostik nachvollziehbar, im Ergebnis
für Betroffene gleichbleibend belastend.

Einmal entdeckt, fügen sich schlagartig die meisten Symptome zusammen -
was nicht selten zum Gefühl einer spontanen Erleichterung führt.
Alle Ratlosigkeit der Spezialisten und z.T. selbstgemachte Vorwürfe
(bilde ich mir das ein ? Bin ich nur überempfindlich ? o.ä.) haben plötzlich
eine Erklärung – der Verursacher ist gefunden, es gibt einen Auslöser und
es liegt eine Erkrankung vor. Doch darin liegt auch der Grund, warum das
Gefühl der Erleichterung ein recht schnell vorübergehendes ist –
die befundete Diagnose zwingt zur Entscheidung.
Der Tumor ist real, wie geht es weiter ?

Patricia ist den ersten Schritt gegangen. Informationen sammeln,
Fragen stellen, in einen Austausch treten. Man könnte dieses "aktiv
werden" bereits Teil der Therapie bezeichnen - denn bei allem geht es
immer auch um den Umgang mit Ängsten und Prognosen.
Eigenes Handeln bestärkt, passives Erdulden belastet – unabhängig
vom Resultat der Anstrengungen (der Königsweg existiert nicht) wirken
Rückmeldungen wie ein positives Signal. Das zu erkennen ist wichtig,
denn beinahe alles erfordert in diesem Ausnahmezustand besondere
Kraftanstrengungen.

Zu den Fragen:
Bitte auf den Infoseiten die Ausführungen zu den Zugangswegen
der AN-Operationen
studieren. Der retrosigmoidale Zugang ist eine
Variante des suboccipitalen neurochirurgischen Verfahrens.
Die 3 unterschiedenen Zugangswege werden anhand der Ausgangslage
dargestellt. Besser als Übersetzungen der lateinischen Begriffe
veranschaulichen die Abbildungen deren Bedeutung.

Gleichgewichtsübungen vor der OP verfolgen eher einen
prophylaktischen Zweck. Schwindelsymptome, die durch das AN
hervorgerufen werden, sind nicht zu beseitigen, in Grenzen durch
Gewöhnung zu tolerieren. Wie bei allen Nervenreizungen gilt es, die
Ursache zu beseitigen. Dem Nerv ist der Reiz egal, ob der Tumor
bedrängt oder Impulse gesetzt werden – positive Trainingseffekte
kannst Du dabei kaum erwarten (kein Muskel). AN wachsen sehr langsam,
wenn auch in unterschiedlichen Schüben. Mir ist nicht bekannt, ob es
Verlaufsstudien gibt, die mögliche Wachstumsimpulse belegen –
eine fehlende Vorhersehbarkeit der Tumoraktivität zählt mit zu den
Gründen, dem „scan“ bei kontrollierter Beobachtung große Beachtung zu
schenken.

Fluch oder Segen eines früh entdeckten AN -
hier verhält es sich ein bißchen wie mit dem halbvollen/halbleeren Glas.
Dem Vorteil, bei meist nicht zu weit fortgeschrittenen Einschränkungen
gute Chancen auf Erhalt/Wiederherstellung der Nervenfunktion zu erreichen,
wenn zeitig mit der Therapie begonnen wird, steht der Nachteil einer
Risikoabwägung bei unklarem Leidensdruck gegenüber. Wie lange ließe sich
bei Ahnungslosigkeit mit den Beschwerden zurechtkommen, wie akzeptabel
definiere ich für mich Lebensqualität ?
Ein gute Prognose in Abwägung mit dem OP-Risiko – sicherlich keine einfache
Entscheidung, obwohl für den Kopf nicht nur mit diesem zu entscheiden.

Ein Weg oder eine Orientierung kann eine positive Einstellung aufzeigen –
überhaupt eine positive Prognose darstellen zu können und nicht als eine
Selbstverständlichkeit zu begreifen, dies ist nicht die schlechteste Ausgangslage.
Und sich dann Schritt für Schritt vor zu bewegen.

In diesem Sinne, alles Gute für die weiteren Schritte.

Herzliche Grüße
snowdog
snowdog (Moderator seit 4.12) Jg.62,m,verh.,2 Söhne,
AN re.5x8 mm,n-c. suboccipital AN-OP in Offenbach 4.08,
postoperativ Liquorfistel,keine Fazialisparese, einseitig taub,chron.Kopfschmerzen,jährl.Kontroll-MRT f.d.ersten 5 J.
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